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Induktion.
stände nicht leicht nah gelegt. Die Ableitung allgemeiner Erkennt-
nis aus dem Besondern oder Einzelnen hätte auch eine dialektische
Planmäßigkeit vorausgesetzt, deren man schwerlich fähig war. Und
überdies galt es auch hier: wozu sollte man diesen mühsamen Weg
durch die Massen der Einzelheiten gehen, wo es so viel einfacher
war, die Erkenntnisse, auf die man es abgesehen hatte, ohne alle
Präliminarien kurzweg eben so wie man sie sich dachte, zu behaup-
ten? Es verdient aber bemerkt zu werden, daß dann in der Upa-
nishadenzeit, wo Probleme auftauchten, die zu festerer Begründung
anregten, wo der Ernst des Nachdenkens und zugleich die Kraft des
Festhaltens einer einmal eingeschlagenen Gedankenrichtung gewachsen
war, alsbald Ausführungen begegnen, denen eine gewisse Annäherung
an induktives Verfahren wohl zugeschrieben werden kann. Man
sehe etwa, wie in einer Upanishad (ULV. IV, 5, 6) Mjüavalkya
die Sätze aneinanderreiht, daß nicht um des Gatten willen der Gatte
lieb ist, sondern um des Selbstes willen, daß nicht um der Gattin
willen, nicht um der Söhne willen, nicht um des Reichtums willen,
und so fort, jedes dieser Wesen oder Besitztümer lieb ist, sondern
um des Selbstes willen — was dann zu dem Abschluß hinführt:
nicht um alles (Daseins) willen ist alles (Dasein) lieb, sondern um
des Selbstes willen; das Selbst soll man sehen, hören, bedenken.
Liegt nicht ferner, so wie hierin, auch in mancher Aneinanderreihung
von Gleichnissen induktive Bewegung? Wenn die Trommel gerührt
wird, heißt es in derselben Upanishad, kann man die Töne draußen
nicht greifen, aber hat man die Trommel gegriffen, so hat man auch
den Ton gegriffen. Wenn die Muschel geblasen, wenn die Laute
gespielt wird: immer ist das Verhältnis dasselbe. Schwebt da nicht
ein aus dem Besondern sich ergebendes allgemeines Gesetz vor, von
dem aus dann das verständlich wird, worauf das Interesse des Re-
denden sich richtet: die Ungreifbarkeit des Atman (LLII. daselbst
tz 8 ff.)? Wieder einen Schritt weitergekommen verglichen mit den
Upanishaden — um im Vorübergehen diesen Blick auf die Folgezeit
zu werfen — ist die planmäßige Durchführung der Induktion im
alten Buddhismus. In der Rede vom „Nichtselbst" beispielsweise
(NaimvaZZu 1,6, 38ff.) fängt Buddha davon an, daß die „Gestalt"
nicht das Selbst ist; sonst wäre man imstande, nach Wunsch über
seine Gestalt zu verfügen. Dann das Gleiche von den Empfindungen.
Das Gleiche von den Vorstellungen. Das Gleiche von den „Ge-
staltungen". Das Gleiche von dem Erkennen. Also der Reihe nach
Induktion.
stände nicht leicht nah gelegt. Die Ableitung allgemeiner Erkennt-
nis aus dem Besondern oder Einzelnen hätte auch eine dialektische
Planmäßigkeit vorausgesetzt, deren man schwerlich fähig war. Und
überdies galt es auch hier: wozu sollte man diesen mühsamen Weg
durch die Massen der Einzelheiten gehen, wo es so viel einfacher
war, die Erkenntnisse, auf die man es abgesehen hatte, ohne alle
Präliminarien kurzweg eben so wie man sie sich dachte, zu behaup-
ten? Es verdient aber bemerkt zu werden, daß dann in der Upa-
nishadenzeit, wo Probleme auftauchten, die zu festerer Begründung
anregten, wo der Ernst des Nachdenkens und zugleich die Kraft des
Festhaltens einer einmal eingeschlagenen Gedankenrichtung gewachsen
war, alsbald Ausführungen begegnen, denen eine gewisse Annäherung
an induktives Verfahren wohl zugeschrieben werden kann. Man
sehe etwa, wie in einer Upanishad (ULV. IV, 5, 6) Mjüavalkya
die Sätze aneinanderreiht, daß nicht um des Gatten willen der Gatte
lieb ist, sondern um des Selbstes willen, daß nicht um der Gattin
willen, nicht um der Söhne willen, nicht um des Reichtums willen,
und so fort, jedes dieser Wesen oder Besitztümer lieb ist, sondern
um des Selbstes willen — was dann zu dem Abschluß hinführt:
nicht um alles (Daseins) willen ist alles (Dasein) lieb, sondern um
des Selbstes willen; das Selbst soll man sehen, hören, bedenken.
Liegt nicht ferner, so wie hierin, auch in mancher Aneinanderreihung
von Gleichnissen induktive Bewegung? Wenn die Trommel gerührt
wird, heißt es in derselben Upanishad, kann man die Töne draußen
nicht greifen, aber hat man die Trommel gegriffen, so hat man auch
den Ton gegriffen. Wenn die Muschel geblasen, wenn die Laute
gespielt wird: immer ist das Verhältnis dasselbe. Schwebt da nicht
ein aus dem Besondern sich ergebendes allgemeines Gesetz vor, von
dem aus dann das verständlich wird, worauf das Interesse des Re-
denden sich richtet: die Ungreifbarkeit des Atman (LLII. daselbst
tz 8 ff.)? Wieder einen Schritt weitergekommen verglichen mit den
Upanishaden — um im Vorübergehen diesen Blick auf die Folgezeit
zu werfen — ist die planmäßige Durchführung der Induktion im
alten Buddhismus. In der Rede vom „Nichtselbst" beispielsweise
(NaimvaZZu 1,6, 38ff.) fängt Buddha davon an, daß die „Gestalt"
nicht das Selbst ist; sonst wäre man imstande, nach Wunsch über
seine Gestalt zu verfügen. Dann das Gleiche von den Empfindungen.
Das Gleiche von den Vorstellungen. Das Gleiche von den „Ge-
staltungen". Das Gleiche von dem Erkennen. Also der Reihe nach