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In clsr prsvkircksn 8taossbikliokkslc (Inser clsn I.in6sn vsrcmskcilkst 6os
ksiclisIrvItvLminiLtsi'lvm clis v/sctvolls ^vsswllung „OsvtLcke I-sibss-
üdüngen riss /^iNelalters in kuck uncl k i 16", uncl am
29. )vli v/ir^ in ^nv/erenkeit cler Olympiscksn Komitees feieilick 6is
Ausstellung „8 pari clsr KI s 11 s n e n" im vsutscksn /Mussum eröffnst.
Von der gewaltigen Kuppelhalle aus hat man
noch einmal einen Blick durch das Portal auf die
festlich geschmückten Linden und das große Aula-
Gebäude der Berliner Universität. Auf den Stein-
treppen zu den Sälen, in denen die kostbaren
Dokumente in Vitrinen und auf Samt liegen,
geht man in eine neue, „alte" Welt. Wir wollen
(wir Deutsche), che wir die Halle betreten, uns
einen Augenblick still besinnen: 1400 .. . 1300 —
sechshundert Jahre zurück, Friedrich der Sechste
von Nürnberg wird Herr von Brandenburg, Hus-
sitenkriege, Römerzüge, Kreuzzüge, Blüte der
deutschen Städte, deutsche Geschichte, Geschichte
unseres Vaterlandes. — Mit welchen
Gefühlen wird ein Amerikaner diese Hallen be-
treten? Sie haben Manhattan. Aber wir haben
Sanssouci. Sie haben das Empire-Building.
Aber wir haben den Dom zu Köln. Sie haben
Ford. Aber wir haben Albrecht Dürer. Warum
sollen wir nicht gerade in dem Augenblick daran
denken, wo wir die Halle betreten, die uns einen
Blick 600 Jahre zurück tun läßt.
Aus den Staatsarchiven sind uralte Bücher
und Pergamente an das Tageslicht geholt wor-
den, aus den Kabinetten alte Stiche und Oele.
Sie wollen dem Deutschen und den Gästen zei-
gen, daß auch zu einer Zeit, als die medizinische
Aufklärung der Renaissance noch gar kein Ge-
wicht in Deutschland hatte, als der Gedanke dem
Mittelalter noch fern lag, daß die Leibesübungen
die Bedeutung haben könnten, eine ganze Revo-
lution in der geistigen Erziehung und die Erstar-
kung von ganzen Generationen zu bewirken, daß
selbst in dieser ältesten Zeit die Leibesiibung in
irgendeiner Form sich gegen alle Verbote der
Kirche und Flauheit des Kleinbürgertums gehol-
ten hat, tief mit dem Volkstum verbunden war
und auch noch nach dem Niedergang des ritter-
lichen Sports in den bürgerlichen Spielen, im
Kegeln, Ballspielen, Eisläufen und Eisschießen,
weiterlebte. Die Vorstellung von diesen Jahr-
hunderten ist im Volke immer etwas düster und
unheimlich. Zum Teil zu Recht, zum Teil zu Un-
recht. Es ist ja auch tatsächlich ein seltsames Ge-
misch von gefährlicher Derbheit und scheuer, hilf-
loser Prüdheit. Auf dem einen der bunten, naiv
gepinselten Bildchen ballspielendc Ritter, auf dem
anderen Bild massakrieren sich zwei im „ritter-
lichen Turnier" mit scharfen Schwertern und Dol-
chen. Auf der einen Seite der wehrhafte (ewig
„trainierende") Ritter, der Draufgänger, aus der
anderen Seite die damals gefährlich weltfremde
mönchische Kirche mit ihrer Angst vor der Sonne,
ihrem Haß auf das Lachen, ihrer fürchterlicken
Gleichgültigkeit gegeii den Körper. Hundertmal
hat sie die Turniere verboten.
Sie hat es nicht geschafft; in den frühen Jahr-
hunderten, weil der stets gefährdete, sich raufende
Ritter einen gestählten Körpers Mut, Geschicklich-
keit und Muskeln verdammt nötig hatte, später,
weil es altes Brauchtum im Volke geworden war
und die liebe Gewohnheit, die. Standes-Tradition
mehr ausrichtete, als es eine der Zeit voraus-
eilende Erkenntnis je gekonnt hätte. Von selbst
wurde es milder; das „Scharfe Stechen" der
Turniere, das „Plattenstecheii" (dessen Visiten-
karten die gleich mitgebrachte Totenbahre war)
verschwand allmählich, „Krönlein-Stcchen" und
„Buhurt" waren harmloser und hielten sich län-
ger. Immerhin, es waren doch Dinge, die den
Körper ausarbeiteten, stählten und die blühende
Jugend aus der stickigen Luft und Gleichgültig-
keit herausrissen, in der dann nach dem 30jährigcn
Kriege alles Lachen erstarrte. Zu dieser Wehr-
erziehung kam in jener Zeit aber noch mehr.
500 Jahre alte Schriften, 600 Jahre alte Zeich-
nungen zeigen, daß die vornehmere Jugend bei
allen möglichen Gelegenheiten „Sportfeste" ver-
anstaltet hat mit Armbrustschießen, mit Stein-
stoßen, mit Laufen, Springen, Reiten, Speer-
werfen, Barlaufen, Ringen, Eisschießen und
Schlittschuhlaufen. Nnh dem Niedergang des
Rittertums hat der Bürger und Dauer das ge-
pflegt. Der derbe Bauer hat einen Heidenspaß
daran gehabt. Er wäre sicher sehr erstaunt ge-
wesen, wenn man ihn bei solch einem Mordsspaß
gefragt hätte, ob er das „um der Körperkultur
und der Hygiene willen" täte. Nein, das tat
er sicher „nur so", er rettete die Volksgesundheit
über Jahrhunderte gewissermaßen nur aus Ver-
sehen. Es gibt zwar drei uralte Schriften (sie
sind auch ausgestellt), die das geistig auswerteten,
besonderen Einfluß haben sie aber nicht gehabt.
Glauben Sie nicht, daß es ein nutzloses Her-
umstöbern in alten Folianten ist. Es ist die Ge-
Das Ringen ist so alt wie die antiken olym-
pischen Spiele. Es gehörte im Altertum zu len
bevorzugten Sportarten. Wir können diese Tat-
sache in unseren Tagen, wo das allgemeine Inter-
esse auf die Mannschaftskämpfe gelenkt worden
ist, vielleicht nicht ganz verstehen. Und doch ist
es erst ein gutes Dutzend Jahre her — der Fuß-
ball steckte sozusagen bei uns noch in den Kinder-
schuhen —, daß Ringerwettkämpfe großen Zu-
lauf hatten. Aber gerade in dieser Zeit begann
die rückläufige Bewegung dieses klassischen ath-
letischen Wettkampfes. Allerdings wurden Still-
stand und Rückgang nicht aus dem Amateuris-
mus geboren, sondern aus der Berufsringerci,
deren Vertreter mit instinktiver Sicherheit alles,
was Griechen und Römer an diesem Sport so
sehr schätzten — Gewandtheit, Kraft und Geistes-
gegenwart — kurzerhand nur durch plumpe
Kraftmeierei zu ersetzen versuchten. Unkluger-
weise war dieses wenig schöne „Gewichte auf die
Schultern legen" auch nicht einmal immer ehr-
lich. Aus dieser Zeit des Niedergangs des
Ringens mögen viele ein Vorurteil bis auf den
heutigen Tag gegen diesen schönen, männlichen
Sport behalten haben. Das ist sehr ungerecht,
denn Bcrufsringerturniers sind heute so gut wie
gar nicht mehr üblich und, was das wesentliche
ist, der Amateur hatte mit diesen Machenschaften
nie etwas zu tun gehabt. Vergessen wir auch
nicht, daß z. B. unsere deutschen Ringer auf
allen Olympiaden als würdige und sehr erfolg-
reiche Vertreter des deutschen Sports gestanden
haben, und daß bei den nordischen Völkern noch
heute dieser Sport sehr beliebt und in hohem
Ansehen steht.
Das olympische Ringen sieht zwei Arten dieses
Kampfes vor, und zwar nach dem griechisch-
römischen und dem freien Stil. Das griechisch-
römische Ringen geht nach strengen Regeln vor
sich, während es im Freistil, wie schon das Wort
sagt, nach großzügigeren Gesetzen geht. Man
darf z. B. die Beine als Hebel oder bei Griff-
anlagen verwenden. Dieses Freistilringen hat
schichte unserer Väter, Ihrer und meiner Vor-
väter. Und: Aus diesem Kerngesunden wuchs
und wuchs in Jahrhunderten die Idee, bis sie zu
der würbe, die heute die Welt erobert hat und
uns die Olympischen Spiele erleben läßt.
Es sind nur wenige hundert Schritte von der
Staatsbibliothek zum Deutschen Museum, zur
Ausstellung „Sport der Hellenen". Aber
es sind fast 2000 Jahre von jenen Ritterspielen
zur Zeit Walthers von der Vogclweide bis zu
jenen Tagen, wo uns Griechen jene kostbaren
Dokumente ihres wundervollen. Körperkultes
schufen, die, in Marmor und Erz, bis heute alle
Zeiten überdauert haben. Diese Werk« sind Zeu-
gen jener Kultur, die ihre Weltherrschaft seit
langem, langem angetreten hat. Wer sensatio-
nelle Dinge erwartet- muß enttäuscht werden. Die
Zeugen des alten, klassischen Olympia sind ja
stumm, und draußen im Stadion und auf den
Kampfplätzen ereignet sich mehr. Aber in dieser
Stille ersteht wunderbar aufs neue das strah-
lende Hellas mit seiner Liebe zum Schönen, zur
Sonne, zur adligen Seele und zum herrlichen
Körper.
Mit welchen Gefühlen wird diese Halle der
Griechen betreten. Wir haben Sanssouci. Aber
st« haben Olympia. Wir haben den Dom zu
Köln. Aber sie haben den Parthenon. Wir ha-
ben Albrecht Dürer. Aber sie haben Homer.
üoaoüiui Cornau
aber nichts gemein mit dem berüchtigten
„Oatob as astek bau", das jenseits des Ozeans
seine zweifelhaften und leider auch sehr großen
Triumphe durch seine — man glaubt es kaum —
Brutalität feierte. „Drüben" war in solchem
Kampfe auch alles gestattet, jedes Mittel recht,
den Gegner kampfunfähig zu machen, selbst wenn
dabei seine äußerlichen menschlichen Formen arg
in Mitleidenschaft, gezogen wurden. Es muß
allerdings dabei auch gesagt werden, daß diese
sportlichen Verirrungen auch nur von Berufs-
sportlern aus der Taufe gehoben worden waren
und inzwischen fast vergessen sind.
Wir sagten schon vorher, daß in den nordischen
Ländern, vor allem in Schweden, Finnland und
Estland, das Ringen sehr gepflegt wird und
naturgemäß das Können der Vertreter dieser Völ-
ker, vor allem im griechisch-römischen Stil, sehr
beachtlich ist. In den letzten Jahren hat sich auch
Ungarn stark in den Vordergrund geschoben und
auf internationalen Begegnungen schöne Erfolge
erzielen können. Im freien Ringen verteilen sich
allerdings, wenn man so sagen darf, die Favo-
ritenstellungen auch auf andere Nationen; es kom-
men da die Vereinigten Staaten, die Schweiz und
die Orientalen hinzu.
Zur Stunde ist das Meldeergebnis der Na-
tionen noch nicht bekannt. Aber unsere deutsche
Ringerstaffel, die vor zwei Tagen vom Trainings-
lager zum Olympischen Dorf übersicdelte, ken-
nen wir und wissen auch, daß sie gut gerüstet
in den Kampf geht. Es ist in diesem Zusammen-
hang vielleicht recht interessant, welche Berufe
die meisten starken Männer hervorbcingen. Und
da kann man von vornherein sagen, daß es keine
bestimmten Berufsgruppen gibt, aus denen man
ganz einfach die tüchtigen Ringer heransgreift.
Es ist ja schließlich auch nicht die Kraft allein,
die einen Olympiaringer ausmacht, sondern die
glückliche Mischung von Kraft, Gewandtheit, Gei-
stesgegenwart, und nicht zuletzt muß auch ein
bißchen „Köpschen" dabei sein!
Stellen wir einmal kurz unsere- Vertreter im
Ringen beider Stilarten vor. Da sind !m Ban-
tamgewicht Drendel, (griechisch-römisch) und Jo-
hann Herbert (Freistil) Deutschlands Vertreter.
Brendel ist Kraftwagensührer ist Nürnberg.
29 Jahre, Olympiasieger 1932 in Los Angeles und
fünfmal deutscher Meister, viermal im griechisch-
römischen und einmal im freien Stil gewesen. Ein
stolzer Erfolg. Herbert ist Dachdecker in Bat?
Cannstatt, 24 Jahre alt, und bringt als Emp-
fehlung stark verbessertes Können und seine
Jugend mit. Der Ersatzmann, der beide Ring-
kampfarten beherrschen muß, ist Möchel, der 1936
deutscher Freistilmeister war.
Im Federgewicht ringt griechisch-römisch Se-
bastian Hehring (München). Er ist 26 Jahre alt
und Eisenbahner. 1935 war er Europameister. Ge-
org Pulheim (Köln) vertritt diese Gewichtsklasse
im freien Stil. Er ist Steinmetz von Beruf und
gilt als ein versprechendes Talent. Der Ersatz-
mann, Böck (München), ist 23 Jahre, Schlosser
und deutscher Freistilmeister 1936.
In der Lsichtgewichtsklafse ringt Heinrich Nettes-
heim aus Köln (griechisch-römisch). Er ist in diesem
Jahre der einzige deutsche Doppelmeister beider
Kampfarten und erst 21 Jahre alt. Nettesheim ist
Arbeiter. Wolfgang Ehrl (München), 24 Jahre
alt, städtischer Angestellter, Freistil-Europameister
1934 und 1932 und Olympia-Zweiter 1932. Er-
satzmann ist Schwarzkopf (Koblenz), 24 Jahre,
im Beruf Metzger, 1935 griechisch-römischer
Meister.
Im Weltergewicht kämpft der 24jährige Hilfs-
schutzmann Erich Schäfer (Schifferstadt) (gr.-röm.)
Schäfer war 1935 deutscher Doppelmeister und
Zweiter in der Europameisterschaft. Im freien
Stil kämpft Josef Paar (Bad Reichenhall). 1936
war er deutscher Freistilmeister, 1935 zweiter
Europameister. Der 23jährige ist Schofför. Er-
satzmann ist Paul Gabender (Mainz). Beruf:
Automonteur, 23 Jahre alt, deutscher Meister
1936 (gr.-röm.). Im Mittelgewicht (gr.-röm.)
tritt Ludwig Schweickert an, Gefreiter in der
technischen Kompanie Stabsabt. Oberkommando
des Heeres. Der 21jährige besiegte im Februar
1932 in Berlin den zweimaligen Olympiasieger
und weltberühmten Ivar Johannsen (Schweden).
Im freien Stil kämpft Hans Schedler (Halle),
der deutscher Meister 1936 (gr.-röm.) ist. Er ist
32 Jahre alt und im Beruf Schlosser. Ersatz-
mann: Albert Laudien, zur Zeit Heeressportschule
Wünsdorf, sonst II. Marineartillerie-Abt. Wil-
helmshaven. Er ist 22 Jahre alt, deutscher
Meister 1935 (gr.-röm.), deutscher Freistilmeister
1936.
Für das Halbschwergewicht (gr.-röm.) wurde
Werner Seelenbinder (Berlin) genannt. Der Ber-
liner ist Arbeiter; er war in den Jahren 1933,
1935 und 1936 deutscher Meister. Im freien Stil
ringt Unteroffizier Erich Siebert von der XIV.
Komp. IR. 97 (Darmstadt), zur Zeit Heeressport-
schule Wünsdorf. Siebert ist 26 Jahre r»'^ deut-
scher Meister im freien Stil 1936 und Meister
(gr.-röm.) 1934. Ersatzmann: Paul Böhmer
(Berchtesgaden), 26 Jahre, Metzger. Er ist zwei-
ter Europameister.
Das - Schwergewicht (gr.-röm.) vertritt Kurt
Hornfischer (Nürnberg), deutscher Freistilmeister
1936. Der Nürnberger war, was wohl bisher
keinem Ringer gelungen ist, in den Jahren 1933,
1934 und 1935, also dreimal in ununterbrochener
Reihenfolge Europameister. Hornfischer sst städti-
scher Beamter und 26 Jahre alt. Eine ähnliche
stolze Erfolgsserie hat Georg Gehring, unser
Vertreter, im freien Stil aufzuweisen. Er ist
deutscher Meister (gr.-röm.) 1936 und war vorher
bmal deutscher Meister in der gleichen Stilart.
1928 war er auf dem Olympia von Amsterdam
Dritter. Der Ludwigshafener ist 33 Jahre und
von Beruf Hausverwalter. Ersatzmann ist Eugen
Lägeler (Stuttgart), 30 Jahre alt und von Beruf
— Gastwirt. I>aul IVvgsrwr
Verlag: Reichssportverlag, Berlin SW es, Charlottcnstrahe 6.
Fernruf: S 7 <Dönhoss> SW,—SWS, Postscheckkonten: Berlin
Nr. 1S-W; für Oesterreich: Wien Nr. SS2S0 NeichSspvrt-
»erlag G. in, b, H,, Berlin, - Hauplschristleiter:
Fred Seliger, Berlin, Fn Oesterreich lür Herausgabe und
Schrisileiluna oerantioartlich: Hermann Waldbaur <Roro-
deuische Buchdruckerei und BerlagSanstait A.-G,>, Wien VI,
Gumpendorferstcatze SS, — Für den Anzeigenteil ver-
antwortlich: Werner Ritter, Berlin-Schmöckwitz, — Die
Olympia-Zeitung erschein! in der geil vom 20. Juli
bis IS, August 1SW täglich, Auslage dieser Nummer:
bi« ovii. Zur Zeit gilt ÄnzeigenpreiSiiste Nr, 4, — Druck:
Ullstein A,-G,, Berlin SW SS, — Unoeriangte Manuskripte
werden nur zurückgesandt, wenn Nückrwrto beiliegt, Dis
Olympia-Zeitung dars in Lesezirkeln nicht geführt werden, —
Der Nachdruck aus der Olympio-Zeiluiig ist nicht gestattet.
Bezugspreis sür die Dauer des Erscheinens RM 6,—
zuzüglich 42 Psg, Zustellgeld, Bestellungen nimmt sedeS Post-
amt, jeder ZcitungShändler sowie jede Buchhandlung entgegen.
Einzelheit 20 Psg.
Kingen, klaMcker Sport
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ksiclisIrvItvLminiLtsi'lvm clis v/sctvolls ^vsswllung „OsvtLcke I-sibss-
üdüngen riss /^iNelalters in kuck uncl k i 16", uncl am
29. )vli v/ir^ in ^nv/erenkeit cler Olympiscksn Komitees feieilick 6is
Ausstellung „8 pari clsr KI s 11 s n e n" im vsutscksn /Mussum eröffnst.
Von der gewaltigen Kuppelhalle aus hat man
noch einmal einen Blick durch das Portal auf die
festlich geschmückten Linden und das große Aula-
Gebäude der Berliner Universität. Auf den Stein-
treppen zu den Sälen, in denen die kostbaren
Dokumente in Vitrinen und auf Samt liegen,
geht man in eine neue, „alte" Welt. Wir wollen
(wir Deutsche), che wir die Halle betreten, uns
einen Augenblick still besinnen: 1400 .. . 1300 —
sechshundert Jahre zurück, Friedrich der Sechste
von Nürnberg wird Herr von Brandenburg, Hus-
sitenkriege, Römerzüge, Kreuzzüge, Blüte der
deutschen Städte, deutsche Geschichte, Geschichte
unseres Vaterlandes. — Mit welchen
Gefühlen wird ein Amerikaner diese Hallen be-
treten? Sie haben Manhattan. Aber wir haben
Sanssouci. Sie haben das Empire-Building.
Aber wir haben den Dom zu Köln. Sie haben
Ford. Aber wir haben Albrecht Dürer. Warum
sollen wir nicht gerade in dem Augenblick daran
denken, wo wir die Halle betreten, die uns einen
Blick 600 Jahre zurück tun läßt.
Aus den Staatsarchiven sind uralte Bücher
und Pergamente an das Tageslicht geholt wor-
den, aus den Kabinetten alte Stiche und Oele.
Sie wollen dem Deutschen und den Gästen zei-
gen, daß auch zu einer Zeit, als die medizinische
Aufklärung der Renaissance noch gar kein Ge-
wicht in Deutschland hatte, als der Gedanke dem
Mittelalter noch fern lag, daß die Leibesübungen
die Bedeutung haben könnten, eine ganze Revo-
lution in der geistigen Erziehung und die Erstar-
kung von ganzen Generationen zu bewirken, daß
selbst in dieser ältesten Zeit die Leibesiibung in
irgendeiner Form sich gegen alle Verbote der
Kirche und Flauheit des Kleinbürgertums gehol-
ten hat, tief mit dem Volkstum verbunden war
und auch noch nach dem Niedergang des ritter-
lichen Sports in den bürgerlichen Spielen, im
Kegeln, Ballspielen, Eisläufen und Eisschießen,
weiterlebte. Die Vorstellung von diesen Jahr-
hunderten ist im Volke immer etwas düster und
unheimlich. Zum Teil zu Recht, zum Teil zu Un-
recht. Es ist ja auch tatsächlich ein seltsames Ge-
misch von gefährlicher Derbheit und scheuer, hilf-
loser Prüdheit. Auf dem einen der bunten, naiv
gepinselten Bildchen ballspielendc Ritter, auf dem
anderen Bild massakrieren sich zwei im „ritter-
lichen Turnier" mit scharfen Schwertern und Dol-
chen. Auf der einen Seite der wehrhafte (ewig
„trainierende") Ritter, der Draufgänger, aus der
anderen Seite die damals gefährlich weltfremde
mönchische Kirche mit ihrer Angst vor der Sonne,
ihrem Haß auf das Lachen, ihrer fürchterlicken
Gleichgültigkeit gegeii den Körper. Hundertmal
hat sie die Turniere verboten.
Sie hat es nicht geschafft; in den frühen Jahr-
hunderten, weil der stets gefährdete, sich raufende
Ritter einen gestählten Körpers Mut, Geschicklich-
keit und Muskeln verdammt nötig hatte, später,
weil es altes Brauchtum im Volke geworden war
und die liebe Gewohnheit, die. Standes-Tradition
mehr ausrichtete, als es eine der Zeit voraus-
eilende Erkenntnis je gekonnt hätte. Von selbst
wurde es milder; das „Scharfe Stechen" der
Turniere, das „Plattenstecheii" (dessen Visiten-
karten die gleich mitgebrachte Totenbahre war)
verschwand allmählich, „Krönlein-Stcchen" und
„Buhurt" waren harmloser und hielten sich län-
ger. Immerhin, es waren doch Dinge, die den
Körper ausarbeiteten, stählten und die blühende
Jugend aus der stickigen Luft und Gleichgültig-
keit herausrissen, in der dann nach dem 30jährigcn
Kriege alles Lachen erstarrte. Zu dieser Wehr-
erziehung kam in jener Zeit aber noch mehr.
500 Jahre alte Schriften, 600 Jahre alte Zeich-
nungen zeigen, daß die vornehmere Jugend bei
allen möglichen Gelegenheiten „Sportfeste" ver-
anstaltet hat mit Armbrustschießen, mit Stein-
stoßen, mit Laufen, Springen, Reiten, Speer-
werfen, Barlaufen, Ringen, Eisschießen und
Schlittschuhlaufen. Nnh dem Niedergang des
Rittertums hat der Bürger und Dauer das ge-
pflegt. Der derbe Bauer hat einen Heidenspaß
daran gehabt. Er wäre sicher sehr erstaunt ge-
wesen, wenn man ihn bei solch einem Mordsspaß
gefragt hätte, ob er das „um der Körperkultur
und der Hygiene willen" täte. Nein, das tat
er sicher „nur so", er rettete die Volksgesundheit
über Jahrhunderte gewissermaßen nur aus Ver-
sehen. Es gibt zwar drei uralte Schriften (sie
sind auch ausgestellt), die das geistig auswerteten,
besonderen Einfluß haben sie aber nicht gehabt.
Glauben Sie nicht, daß es ein nutzloses Her-
umstöbern in alten Folianten ist. Es ist die Ge-
Das Ringen ist so alt wie die antiken olym-
pischen Spiele. Es gehörte im Altertum zu len
bevorzugten Sportarten. Wir können diese Tat-
sache in unseren Tagen, wo das allgemeine Inter-
esse auf die Mannschaftskämpfe gelenkt worden
ist, vielleicht nicht ganz verstehen. Und doch ist
es erst ein gutes Dutzend Jahre her — der Fuß-
ball steckte sozusagen bei uns noch in den Kinder-
schuhen —, daß Ringerwettkämpfe großen Zu-
lauf hatten. Aber gerade in dieser Zeit begann
die rückläufige Bewegung dieses klassischen ath-
letischen Wettkampfes. Allerdings wurden Still-
stand und Rückgang nicht aus dem Amateuris-
mus geboren, sondern aus der Berufsringerci,
deren Vertreter mit instinktiver Sicherheit alles,
was Griechen und Römer an diesem Sport so
sehr schätzten — Gewandtheit, Kraft und Geistes-
gegenwart — kurzerhand nur durch plumpe
Kraftmeierei zu ersetzen versuchten. Unkluger-
weise war dieses wenig schöne „Gewichte auf die
Schultern legen" auch nicht einmal immer ehr-
lich. Aus dieser Zeit des Niedergangs des
Ringens mögen viele ein Vorurteil bis auf den
heutigen Tag gegen diesen schönen, männlichen
Sport behalten haben. Das ist sehr ungerecht,
denn Bcrufsringerturniers sind heute so gut wie
gar nicht mehr üblich und, was das wesentliche
ist, der Amateur hatte mit diesen Machenschaften
nie etwas zu tun gehabt. Vergessen wir auch
nicht, daß z. B. unsere deutschen Ringer auf
allen Olympiaden als würdige und sehr erfolg-
reiche Vertreter des deutschen Sports gestanden
haben, und daß bei den nordischen Völkern noch
heute dieser Sport sehr beliebt und in hohem
Ansehen steht.
Das olympische Ringen sieht zwei Arten dieses
Kampfes vor, und zwar nach dem griechisch-
römischen und dem freien Stil. Das griechisch-
römische Ringen geht nach strengen Regeln vor
sich, während es im Freistil, wie schon das Wort
sagt, nach großzügigeren Gesetzen geht. Man
darf z. B. die Beine als Hebel oder bei Griff-
anlagen verwenden. Dieses Freistilringen hat
schichte unserer Väter, Ihrer und meiner Vor-
väter. Und: Aus diesem Kerngesunden wuchs
und wuchs in Jahrhunderten die Idee, bis sie zu
der würbe, die heute die Welt erobert hat und
uns die Olympischen Spiele erleben läßt.
Es sind nur wenige hundert Schritte von der
Staatsbibliothek zum Deutschen Museum, zur
Ausstellung „Sport der Hellenen". Aber
es sind fast 2000 Jahre von jenen Ritterspielen
zur Zeit Walthers von der Vogclweide bis zu
jenen Tagen, wo uns Griechen jene kostbaren
Dokumente ihres wundervollen. Körperkultes
schufen, die, in Marmor und Erz, bis heute alle
Zeiten überdauert haben. Diese Werk« sind Zeu-
gen jener Kultur, die ihre Weltherrschaft seit
langem, langem angetreten hat. Wer sensatio-
nelle Dinge erwartet- muß enttäuscht werden. Die
Zeugen des alten, klassischen Olympia sind ja
stumm, und draußen im Stadion und auf den
Kampfplätzen ereignet sich mehr. Aber in dieser
Stille ersteht wunderbar aufs neue das strah-
lende Hellas mit seiner Liebe zum Schönen, zur
Sonne, zur adligen Seele und zum herrlichen
Körper.
Mit welchen Gefühlen wird diese Halle der
Griechen betreten. Wir haben Sanssouci. Aber
st« haben Olympia. Wir haben den Dom zu
Köln. Aber sie haben den Parthenon. Wir ha-
ben Albrecht Dürer. Aber sie haben Homer.
üoaoüiui Cornau
aber nichts gemein mit dem berüchtigten
„Oatob as astek bau", das jenseits des Ozeans
seine zweifelhaften und leider auch sehr großen
Triumphe durch seine — man glaubt es kaum —
Brutalität feierte. „Drüben" war in solchem
Kampfe auch alles gestattet, jedes Mittel recht,
den Gegner kampfunfähig zu machen, selbst wenn
dabei seine äußerlichen menschlichen Formen arg
in Mitleidenschaft, gezogen wurden. Es muß
allerdings dabei auch gesagt werden, daß diese
sportlichen Verirrungen auch nur von Berufs-
sportlern aus der Taufe gehoben worden waren
und inzwischen fast vergessen sind.
Wir sagten schon vorher, daß in den nordischen
Ländern, vor allem in Schweden, Finnland und
Estland, das Ringen sehr gepflegt wird und
naturgemäß das Können der Vertreter dieser Völ-
ker, vor allem im griechisch-römischen Stil, sehr
beachtlich ist. In den letzten Jahren hat sich auch
Ungarn stark in den Vordergrund geschoben und
auf internationalen Begegnungen schöne Erfolge
erzielen können. Im freien Ringen verteilen sich
allerdings, wenn man so sagen darf, die Favo-
ritenstellungen auch auf andere Nationen; es kom-
men da die Vereinigten Staaten, die Schweiz und
die Orientalen hinzu.
Zur Stunde ist das Meldeergebnis der Na-
tionen noch nicht bekannt. Aber unsere deutsche
Ringerstaffel, die vor zwei Tagen vom Trainings-
lager zum Olympischen Dorf übersicdelte, ken-
nen wir und wissen auch, daß sie gut gerüstet
in den Kampf geht. Es ist in diesem Zusammen-
hang vielleicht recht interessant, welche Berufe
die meisten starken Männer hervorbcingen. Und
da kann man von vornherein sagen, daß es keine
bestimmten Berufsgruppen gibt, aus denen man
ganz einfach die tüchtigen Ringer heransgreift.
Es ist ja schließlich auch nicht die Kraft allein,
die einen Olympiaringer ausmacht, sondern die
glückliche Mischung von Kraft, Gewandtheit, Gei-
stesgegenwart, und nicht zuletzt muß auch ein
bißchen „Köpschen" dabei sein!
Stellen wir einmal kurz unsere- Vertreter im
Ringen beider Stilarten vor. Da sind !m Ban-
tamgewicht Drendel, (griechisch-römisch) und Jo-
hann Herbert (Freistil) Deutschlands Vertreter.
Brendel ist Kraftwagensührer ist Nürnberg.
29 Jahre, Olympiasieger 1932 in Los Angeles und
fünfmal deutscher Meister, viermal im griechisch-
römischen und einmal im freien Stil gewesen. Ein
stolzer Erfolg. Herbert ist Dachdecker in Bat?
Cannstatt, 24 Jahre alt, und bringt als Emp-
fehlung stark verbessertes Können und seine
Jugend mit. Der Ersatzmann, der beide Ring-
kampfarten beherrschen muß, ist Möchel, der 1936
deutscher Freistilmeister war.
Im Federgewicht ringt griechisch-römisch Se-
bastian Hehring (München). Er ist 26 Jahre alt
und Eisenbahner. 1935 war er Europameister. Ge-
org Pulheim (Köln) vertritt diese Gewichtsklasse
im freien Stil. Er ist Steinmetz von Beruf und
gilt als ein versprechendes Talent. Der Ersatz-
mann, Böck (München), ist 23 Jahre, Schlosser
und deutscher Freistilmeister 1936.
In der Lsichtgewichtsklafse ringt Heinrich Nettes-
heim aus Köln (griechisch-römisch). Er ist in diesem
Jahre der einzige deutsche Doppelmeister beider
Kampfarten und erst 21 Jahre alt. Nettesheim ist
Arbeiter. Wolfgang Ehrl (München), 24 Jahre
alt, städtischer Angestellter, Freistil-Europameister
1934 und 1932 und Olympia-Zweiter 1932. Er-
satzmann ist Schwarzkopf (Koblenz), 24 Jahre,
im Beruf Metzger, 1935 griechisch-römischer
Meister.
Im Weltergewicht kämpft der 24jährige Hilfs-
schutzmann Erich Schäfer (Schifferstadt) (gr.-röm.)
Schäfer war 1935 deutscher Doppelmeister und
Zweiter in der Europameisterschaft. Im freien
Stil kämpft Josef Paar (Bad Reichenhall). 1936
war er deutscher Freistilmeister, 1935 zweiter
Europameister. Der 23jährige ist Schofför. Er-
satzmann ist Paul Gabender (Mainz). Beruf:
Automonteur, 23 Jahre alt, deutscher Meister
1936 (gr.-röm.). Im Mittelgewicht (gr.-röm.)
tritt Ludwig Schweickert an, Gefreiter in der
technischen Kompanie Stabsabt. Oberkommando
des Heeres. Der 21jährige besiegte im Februar
1932 in Berlin den zweimaligen Olympiasieger
und weltberühmten Ivar Johannsen (Schweden).
Im freien Stil kämpft Hans Schedler (Halle),
der deutscher Meister 1936 (gr.-röm.) ist. Er ist
32 Jahre alt und im Beruf Schlosser. Ersatz-
mann: Albert Laudien, zur Zeit Heeressportschule
Wünsdorf, sonst II. Marineartillerie-Abt. Wil-
helmshaven. Er ist 22 Jahre alt, deutscher
Meister 1935 (gr.-röm.), deutscher Freistilmeister
1936.
Für das Halbschwergewicht (gr.-röm.) wurde
Werner Seelenbinder (Berlin) genannt. Der Ber-
liner ist Arbeiter; er war in den Jahren 1933,
1935 und 1936 deutscher Meister. Im freien Stil
ringt Unteroffizier Erich Siebert von der XIV.
Komp. IR. 97 (Darmstadt), zur Zeit Heeressport-
schule Wünsdorf. Siebert ist 26 Jahre r»'^ deut-
scher Meister im freien Stil 1936 und Meister
(gr.-röm.) 1934. Ersatzmann: Paul Böhmer
(Berchtesgaden), 26 Jahre, Metzger. Er ist zwei-
ter Europameister.
Das - Schwergewicht (gr.-röm.) vertritt Kurt
Hornfischer (Nürnberg), deutscher Freistilmeister
1936. Der Nürnberger war, was wohl bisher
keinem Ringer gelungen ist, in den Jahren 1933,
1934 und 1935, also dreimal in ununterbrochener
Reihenfolge Europameister. Hornfischer sst städti-
scher Beamter und 26 Jahre alt. Eine ähnliche
stolze Erfolgsserie hat Georg Gehring, unser
Vertreter, im freien Stil aufzuweisen. Er ist
deutscher Meister (gr.-röm.) 1936 und war vorher
bmal deutscher Meister in der gleichen Stilart.
1928 war er auf dem Olympia von Amsterdam
Dritter. Der Ludwigshafener ist 33 Jahre und
von Beruf Hausverwalter. Ersatzmann ist Eugen
Lägeler (Stuttgart), 30 Jahre alt und von Beruf
— Gastwirt. I>aul IVvgsrwr
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deuische Buchdruckerei und BerlagSanstait A.-G,>, Wien VI,
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