Alle Fachleute sind sich darüber einig, daß die
Boxkämpfe anläßlich der XI. Olympischen Spiele
in Berlin die schwersten sein werden, die es bis-
her gab. Der Boxsport hat in der ganzen Welt
einen ungeahnten Aufschwung genommen- und es
ist bezeichnend, daß es die Amateur-Verbände
sind, die die große Breitenarbeit leisteten und
dem Boxsport den Platz unter den anderen
Sportarten verschafften, der ihm als dem fair-
stcn, tapfersten und vielleicht heroischsten Zwei-
kampfsport gebührt. Unaufhörlich kommen neue
Nationen hinzu, unaufhaltsam ist der Siegeszug,
den diese Sportart in der ganzen Welt nimmt.
Ueberall hat man den Wert dieses Sportes er-
kannt, der Männer schafft, die bereit sind, ihr
Bestes um den Sieg zu geben, die aber nicht nur
Haltung im Erfolg zeigen, sondern die ebenso
groß unterzugehen verstehen. Wirkliche Männer
schafft dieser Sport, Männer, die in den Ring
kommen, um ehrlich zu kämpfen, und die, koste es
was es wolle, den Sieg erringen wollen. Nur
der Ehre Halberl Sie sind erzogen zu fairem
Kampf, und nichts kennzeichnet dis Größe der
sportlichen Auffassung unter den Boxern mehr,
als der ehrliche Handschlag nach bitterster Aus-
einandersetzung. Sie dokumentieren mit diesem
Handschlag, daß nichts Persönliches in diesem
Wettkampf liegt, daß sie nur um des Sportes
willen sich bekämpfen und daß der tiefe heilige
Friede Olympia» über ihnen schwebt, sobald der
letzte Gong erklungen ist. Mag das Urteil fallen,
wie es wolle, sie sind und bleiben gute Käme-
raden.
Das ist der Geist, der über dem großen
olympischen Boxturnier schwebt, und es ist ein
guter und sportlicher Geist, der Anerkennung
und Nacheiferung verdient. Die deutschen Boxer
sind erzogen worden, zu gewinnen, aber sie
wissen sich auch zu benehmen, wenn ein Urteil
gegen sie fällt. Unteroffizier Lampe, der 1932
in Los Angeles, in der Wcltergewichtsklasse,
durch ein unerhörtes Fehlurteil um eine Goldene
Medaille kam, zeigte sich von so glänzender sport-
licher Erziehung, auch in dieser unverdienten
Niederlage, daß das Olympische Komitee.in Los
Angeles ihn als den sportlichsten aller Wett-
kämpfer der X. Olympischen Spiele in Los
Angeles rühmte, als ein Vorbild für alle Athleten.
Alle unsere deutschen Jungen sind so erzogen
worden durch ihren Sport, in einem Geist, der
wahrhaft hellenisch genannt werden kann.
Oie biLliekugeki koxwmiens
P«r Boxsport ist erst seit 1920, seit der Olym-
pia»« in Antwerpen, offiziell unter die olympi-
schen Wettbewerbe ausgenommen worden. Zwar
machten die Amerikaner 1904 in St. Louis „un-
ter sich" den ersten Versuch und die Engländer
1908 in London den zweiten, das Boxen als
olympischen Wettbewerb einführen zu lassen. Aber
es mißlang, und die Boxkämpfe, di« 1908 in Lon-
don ausgetragen wurden, waren mehr oder min-
der eine nationale Angelegenheit der Briten und
ihrer Dominien, wie sie 1904 in St. Louis eine
rein amerikanische Angelegenheit waren. In
Stockholm, 1912, fehlte der Boxsport selbst als
„Schauwettbewerb", und 1918 wurden die Spiele
wegen des Weltkrieges nicht abgehalten. Es ist
aber in diesem Zusammenhang interessant, daran
zu erinnern, daß der damalige Deutsche Box-Ver-
band, der seinen Sitz in Hamburg hatte, den
Antrag auf Einführung der Boxwettbewerbe in
die olympischen Sportarten stellte. Sicher wäre
der Antrag durchgegangen, und es war also ein
deutscher Vorschlag, der schließlich den
Boxsport anläßlich der Antwerpener Spiele
olympiareif machte.
Die Antwerpener Box-Wettbewerbe waren nur
schwach besetzt. Deutschland war auf ihnen nicht
vertreten» Wnd auch vier Jahve später, 1924,
fehlten deutsche- FsrMKmpfer. Aber diese Pariser
Box-OlyMM«-« irmterschied sich ihrem Wert nach
ganz erheblich vv« der in Antwerpen, wo die
Vereinigt« Sitceatem Mit Geuaro Äkoesberg und
Tagen drei Gvld«Ld«iLen HMsn, d-ie Engländer
mit Mall« sich Rmchon zwei Mid Südafrika
mit Walk«» KwMlSs »it Schn«dcr und Frank-
reich mit Fritsch se eine. Das dritisch-amerika-
nische Uel«WMichi war k!«r ««sichtlich, wahr-
scheinttch Sssh«». «M andere Motionen sich mit
dem BoxssMiNt «sch «icht geMkMd befaßt hatten.
Das ättdvrtdk sich aber schon bei dem nächsten
Box-OlyMPM, «s die acht Mtel an sieben Na-
tionen fiele».
Welch LcherschSed liegt doch in Zahlen. 1904
war nwr ei»e Rmtiiim bei den Schauwettbewerben
im BvW« vertrete», «nd zwar in Amerika. Zn
Londo« gi»g-M S Rationen in» olympische Box-
turnie» Doppelt so viel waren es 1920 in Ant-
werpen«. Dm» km« die bisher stärkste Betritt-
gung IM M Parts, wo L8 Nationen insgesamt
179 ALmpser stellten. 1928 in Amsterdam, wo
Deutschland WM erstenmal «it dabei war, maßen
sich die Vertreter von SO Nationen, und 1932. in
Los Angeles, befanden sich M Rationen im olym-
pische» Boxwettbewerb.
In Paris konnte» die Amerikaner mit Fidel la
Barba un- Field« zwei 'Erste stellen. Ebenso
günstig schnitt Enizlland ab, -dn-s in Mallin und
Mitchel ebenfalls zwei gMene Medaillen er-
warb. Die andere» vier GieMr waren: Smith-
Südafrika, Hans Nielsen-Minemark» Delarge-
Belgien und Otto v. Dorath-Norwegen.
1928 in Amsterdam hatte Deutschland eine
zwar gute, aber nicht gerade übermäßig starte
Mannschaft im Wettbewerb. Mit Pistulla tonn-
ten wir im HalbschwerHewicht eine silberne Me-
daille erringen. Die Sieger waren: Zurado und
Avendano - Argentinien, Orlandi, Toscani und
Tamagnini - Italien, Kos cts - Ungarn, van Kla-
vcren-Holland und Ted Morgan-Neuseeland, der
beste Amateur, der je die Handschuhe schwang.
Bei den letzten Olympischen Spielen 1932 in Los
Angeles stellten wir in Ziglarski, Schleinkofer
und Erich Campe drei Zweite. Die goldenen
Medaillen gingen an Robledv und Lowell-Argen-
tinien, Flynn und Barth-USA, Steven» und
Carstens - Südafrika, an Enekrs - Ungarn und
Glynn-Kgnada. Wir hatten damals sehr großes
Unglück mit den Urteilen. Lamp« zumindest
hätte die goldene Medaille erhalten müssen, und
auch Schleinkofer war kaum schlechter als sein
Schlußgegner Robledo. Aber «in Trost war uns
doch geblieben, Deutschland hat sich schon in Los
Angeles als die stärkste europäische Boxnation
erwiesen. Italien war überflügelt worden, und
wir haben auf dem Kontinent dies« Vormacht-
stellung im Boxen auch in den vergangenen vier
Jahren unangefochten gehalten.
Oncl nun 1936
In diesem Jahre nun, bei den XI. Olympischen
Spielen in Berlin wird es eine Rekorüteilnahme
geben. Achtunddreißig Rationen, und zwar
Griechenland, Aegypten, Argentinien, Australien,
Belgien, Brasilien, Lanada, Chile, China, Däne-
mark, Estland, Finnland, Frankreich, Groß-
britannien,'Holland, Italien, Japan. Jugoslawien,
Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Norwegen,
Oesterreich, Panama, Peru, Philippinen, Polen,
Rumänien/ Schweden, Schweiz, Spanien, Süd-
afrika, Tschechoslowakei, Türkei, Ungarn, Uruguay,
Bereinigte Staaten und Deutschland werden ins-
gesamt mit 246 Streitern ins olympische Box-
Turnier gehen. Gibt es einen besseren Beweis
dafür, daß der Faustkampfsport alle Länder der
Erde erobert hat und daß die boxerischen Wett-
bewerbe der XI. Olympischen Spiele das größte
sind, was bisher in dieser Sportart geboten
wurde? —
246 Kämpfer und nur acht deutsche Boxer wer-
den unter ihnen sein. Es ist schwer für sic, in
einem derartigen Turnier gut abzuschneiden, in
einem Turnier, das die besten Boxer der ganzen
Welt versammelt. Niemals ist cs im deutschen
Boxlager üblich gewesen, viele Worte zu machen,
niemals haben unser« Boxer sich gerühmt, alle
Widersacher mit Stumpf und Stil auszurotten.
Ts kann so viel gesagt werden, daß jeder einzelne
von den acht Deutschen, die die Farben des
Reiche» bei der Box-Olympiade vertreten werden,
sein Bestes geben wird. I» langen Trainings-
kursen sind die Boxer gewissenhaft vorbereitet
worden. Acht von den 16, die vom Rcichsfachamt
gemeldet wurden, haben die Ehre und die Pflicht,
Vorbilder deutschen Faustkampfsportes bei den
olympischen Spiele» zu sein. Wer es sein wird,
entscheidet erst der Vormittag des 9. August, wo
die Teilnehmer über die Waage zu gehen haben.
Hier sind die Namen der Sechzehn, die als
Kämpfer oder als Ersatzleute ins olympische Dorf
cinziehen werden vom Fliegen- bis Schwer-
gewicht:
Graaf-Hamburg oder Kaiser-Gladbeck
Schmitz-Dortmund oder Stasch-Kaffel
Büttner II-Brcslau oder Miner-Breslau
Mxkes-Hamm oder Schmedes-Dortmund
Lampe-Berlin oder Murach-Schalke
Baumgarten-Hamburg oder Loibl-Ulm
Jaspers-Stettin oder Vogt-Hamburg
Runge-Elbrrfeld oder Schnarre-Recklinghausen.
Ls ist eine hervorragende, doppelt besetzte
Kampfstaffel und man darf sicher sein, daß jeder
von diesen Sechzehn würdig ist, am olympischen
Box-Turnier teilzunehmen. Aber nicht die letzte
Leistung wird entscheiden, sondern die Eignung
für ein derart schweres Turnier, wie es ein olym-
pischer Wettbewerb ist.
Gerade im Boxsport haben sich die bitteren
Jahre der Blockade und der Nachkriegswirren be-
sonders bemerkbar gemacht. Mehr oder minder
müssen wir uns im Boxen auf eine „Kriegs-
generation stützen, die erschüttert wurde von
den Wirrnissen, die über unser Vaterland hin-
wegfegten. Aber diese Iungens haben ihren
Mann gestanden in Dutzenden von internatio-
nalen Kämpfen. Sie sind durch die härteste
Kampfschule hindurchgcgangen, die man sich den-
ten kann und sie haben einen Kampfncrv und
einen Willen, der der großen Tradition des deut-
schen Amateur-Boxsportes entspricht. Der Geist
der Mannschaft ist vorzüglich. Niemals ist es in
über vierzig LänderkSmpfen vorgekommen, daß
auch nur ein deutscher Repräsentativer ei«en
Kampf freiwillig aufgab. Ls herrscht noch Ehre
im Sport, es herrscht noch jener hellenische Geist
unter unseren Faustkämpfern, der da sagt: „Cnt-
weder als Sieger mit dem Schild — oder als
ehrenvoll Geschlagener auf dem Schild." Es wird
keiner in der Mannschaft sein, der seinem Vater-
land zur Unehre gereicht und seit unser Führer
und Kanzler Adolf Hitler den Boxsport als Zwei-
kampfsport an die Spitze aller Sports setzte, ist
der Kampfnerv und das Berantwortnngsbewußt-
sein bei unseren Sportboxern noch größer ge-
worden als je zuvor. Unsere.Boxer wissen, was
sic dem ersten unter unseren Volksgenossen schul-
dig sind. Sic werden keine Interviews geben/sie
werden kämpfen!
l-labsn win /cU55icliten?
Wir sagen ja — und dreimal ja, trotz aller
Schwierigkeiten, trotz des riesigen Wettbewerbs,
trotz aller Kricgsjahre. Wäre das olympische
Box-Turnier ein Mannschaftswettbewerb, so
brauchten wir in Europa nicht einen einzigen zu
fürchten und von den überseeischen Ländern viel-
leicht nur Argentinien oder Südafrika. Aber
auch das ist noch nicht entschieden. Der deutsche
Amateur-Boxsport verfügt über einen ausgezeich-
neten Allgemeinstandard, und die Nation, die uns
schlagen will, muß nicht nur gut, sondern mehr
als gut sein.
Es ist hier nicht angebracht, über die Chancen
der einzelnen Gewichtsklassen zu urteilen, solange
die Teilnehmer noch nicht über die Waage gegan-
gen sind. Es können Verschiebungen eintreten,
wenn der Antrag durchkommt, den eine große
Zahl von Nationen unterstützt, nach welchem
jeden Tag gewogen werden muß. Es
soll nämlich aufgeräumt werden mit der unsport-
lichen Tatsache, daß ein Boxer zwar mit Mühe
und Not am Tage der Eröffnung das Gewicht
seiner Klasse bringt, daß er aber am Schlußtag
der Spiele, wenn er sich wirklich zur Endrunde
durchgekämpft hat, zwei Klassen höher steht als
zu Beginn des Turniers. Das ist durchaus nicht
übertrieben, das läßt sich jeden Tag Nachweisen.
Nennen wir nur ein Beispiel — die letzten
Europameisterschaften der Amateurboxer. Der
Fliegengewichtler, der maximal unter 60,802 Kilo
bleiben muß, wog 66 Kilo und stand damit hoch
im Federgewicht. Die Bantamklasse hatte er
glatt übersprungen und es ist fast wahr, daß es
bei den Olympischen Spielen oder bei den
Europameisterschaften niemals einen Meister gab,
der wirklich das Gewicht seiner Klaffe hatte.
Damit soll nun aufgeräumt werden, mit dieser
Ilnehrlichkeit im Gewicht. Jeden Tag soll gewo-
gen werden, und viele Nationen werden es sich
schwer überlegen, ob sie durch dauerndes „Ab-
kochen" die Gesundheit eines Kämpfers ruinie-
ren oder ob sie ihn in seiner „natürlichen" Ge-
wichtsklasse antreten lassen. Kommt der Beschluß
durch, daß täglich gewogen wird, dann haben die
Deutschen schon deshalb einen Vorteil allen ande-
ren gegenüber, weil es in der gesamten Mann-
schaft nicht einen einzigen gibt, der mit dem Ge-
wicht Schwierigkeiten hat.
Aber selbst davon abgesehen, haben unsere
Jungen gut und gern das Zeug in den Fäusten,
um an der Spitze zu enden. Zum drittenmal
gehen wir im Boxen in einen olympischen Wett-
bewerb. Zn Amsterdam, 1924, reichte es zu einer
silbernen Medaille. Vier Jahre später, in Los
Angeles, erwarben unsere Iungens drei silberne
Medaillen, und weshalb sollte es in diesem Jahr
nicht mindestens ebenso gut gehen? Denn wir
sind international nicht zurückgefallen, und ein
klein wenig hilft der heimische Ring doch mit.
,.^öge clen berle gewinnen"
Das ist das letzte Wort, das der Ringrichter
vor jedem großen Kampf den Gegnern auf den
Weg gibt, ehe sie sich nach den Instruktionen in
ihre Ecken begeben, um den ersten Gongschlag zu
erwarten. Als anständige Sportsleute soll dieses
Wort auch bei den Olympischen Spielen unser
Leitspruch sein, und wenn am 10. August in der
Deutschlandhalle der erste Gong erklingt, dann
sollte der Sprecher die Worte gebrauchen, die vor
wenigen Wochen Max Schmeling in die Ohren
klangen, als er sich zu seinem schweren Gang
gegen Joe Louis rüstete:
„Kommt fightend heraus und kämpft für die
Ehr« eures Vaterlandes."
Schmeling tat es, dieser Max Schmeling, dessen
sportliches Streben unseren Amateurboxern vom
Fachamtsleiter Rüdiger als vorbildlich hin-
gestellt wurde, dieser Schmeling, der auch einmal
ein Amateur war, wie die acht deutschen Jungen,
die die Farben ihres Vaterlandes beim olym-
pischen Boxturnier vertreten, und der in allen
seinen Kämpfen mit der Fairneß und dem Ehr-
geiz eines wirklichen Amateurs stritt.
Lmvin Vnolli»
Papierhans F. A. Wölbliny Berlin-Leipziv
für -ie OlymviaZvttunv
6/