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Auf den Höhepunkten völkischer Kultur,
wenn Leib und Seele schöpferische Hochzeit
feiern, ist der olympische Gedanke im grenzen-
losen Reich des Geistes immer wie eine Sonne
der Sehnsucht durch die Herzen geflogen.
Zwischen vollendetem Körper und schöpfungs-
bereiter Seele herrschte brüderlicher Gleich-
klang. Und diese Harmonie steigerte sich bis
zur Leidenschaft des Ideals und ist den freien
Völkern — von Pindar bis in unsere jugcnd-
durchbrauste Gegenwart — nie wieder ver-
lorengegangen.

Alle Großen des Geistes haben sich vom
stürmischen Atem der Antike wieder beflügeln
lassen und — seit der „Ilias" des schicksals-
wuchtigen Homer — sind die Lichtgestalten
von Hektar und Achill, von Patrokles und
Agamemnon, niemals mehr aus dem Be-
wußtsein der Kulturvölker verschwunden.

An diesem lodernden Feuer haben fast alle
großen Dichter der Vergangenheit und der
Gegenwart ihre schöpferische Leidenschaft ent-
zündet, und einer — ein Deutscher — hat sie
in seinem „Gesang des Deutschen" sehnsüch-
tig hinausgerufen, Friedrich Hölderlin, als er
trunken vor Sehnsucht nach hellenischer
Größe aufschrie:

„Wo ist dein Delos, wo dein Olympia,

Daß wir uns alle finden am höchsten Fest?"
Doch wie errät dein Sohn, was du den
Deinen, Unsterbliche, längst bereitest?"

Dieser Sehnsuchtsschrei Hölderlins ist in
unseren Tagen in Erfüllung gegangen! Und
wenn auch fast 150 Jahre inzwischen ver-
gangen sind, was sind fünfzehn Jahrzehnte
in r Lebenszeit eines Volkes, wenn ein
großer Dichter prophetisch seine Fackel
entzündet? Dieser Schrei nach Olympia, ng

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worden, von denen, die Hölderlin ltesergriffen
beschwor:

„Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden- selige Genien!"

Wer jetzt Berlin durchgeht, glaubt in
Olympia zu sein, in Hellena, das Friedrich
Hölderlin mit durstiger Seele gesucht und nur
in der Schönheit seines Genius gefunden hat,
in Griechenland, nach dem er voll schöpferischer
Sehnsucht ausrief:

Bruchteilen von Augenblicken, in die die
olympischen Kämpfer ihr ganzes Schicksal
werfen und für deren blitzartige Schnelligkeit
sie wochenlange Reisen wagten, vom äußersten
Osten und Süden des Erdballs auf das schick-
salgeladene Reichssportfeld Berlins!

Und doch: wenn wir dieses Fieber der Er-
wartung dämpfen und in uns gehen, wenn

werden wir von dieser Vorstellung mächtig
ergriffen.

Hat nicht Friedrich Nietzsche in seinem
Zarathustra einmal ausgerufen: „Die
Stärksten an Leib und Seele sind die Besten?"

Hat er nicht gepredigt: „Keine Ungeduld!
Der Uebermensch ist unsere nächste Stufe!
Dazu, zu dieser Beschränkung, gehört Mäßig-


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Immer weiter von Hand zu Hand
Wird die Kacke! getragen.

Eh' ein Ermattender sinkt in den Sand,

Reicht er dem Nächsten das heilige Pfand,
Botschaft den Völkern zu sagen

Durch die Eäler, von Sonne heiß,

Zieht sich die Läuferkette.

Klimmt zu den Gipfeln, vom Kirne weiß-
Zielwärts, aus ewigem Gottesgeheiß
Haftet die Klammenstafette

Immer weiter von Land zu Land,

Wetter von Stamm zu Stamme
Wandert das Arlicht, das leuchtend erstand ...
Zwietracht und Feindschaft vernichtet fein Brand:
Heil der olympischen Klamme!

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wir die Stadien des Geistes überfliegen und
uns vorstellen, daß auf den Tribünen der
olympischen Arena Homer säße und Pindar,
Martial und Theokrit, Vergil und Nonno,
Hans Sachs und Klopstock, vor allem aber die
drei Ahnungsvollsten der deutschen Olympia-
sehnsucht, Schiller, Hölderlin und Nietzsche,

keit und Männlichkeit. Den Menschen über
sich hinaussteigern, gleich den Griechen, —
nicht unleibliche Phantasmata. Der höhere
Geist an einen schwächlichen, nervösen
Charakter gebunden — ist zu beseitigen. Ziel:
Höherbildung des ganzen Leibes, und nicht
nur des Gehirns!" War er nicht von olym-

pischem Geist durchglüht, als er in seinem
Lied „An den Mistral" voll ungeheurer Kraft
hinausschrie:

„Auf den ebnen Himmels-Tennen
Sah ich deine Rosse rennen,

Sah den Wagen, der dich trägt.

Sah die Hand dir selber zücken.

Wenn sie auf der Rosse Rücken
Blitzesgleich die Geißel schlägt, —

Sah dich aus dem Wagen springen,
Schneller dich hinabzuschwingen.

Sah dich wie zum Pfeil verkürzt
Senkrecht in die Tiefe stoßen, —

Wie ein Goldstrahl durch die Rosen
Erster Morgenröten stürzt."

Hat Nietzsche nicht ausgerufen:

„Das Beste an einem großen Siege ist, daß
er dem Sieger die Furcht vor einer Nieder-
lage nimmt." Warum nicht auch einmal
unterliegen? — sagt er sich: „ich bin jetzt reich
genug dazu." Warum können Tote nicht auf-
erstehen! Warum Beethoven und Schiller
nicht noch einmal durch unsere Straßen
wandeln und ausrufen: „Freude, schöner
Götterfunken, Tochter aus Elysium!", warum
Richard Wagner nicht mehr das mit eigenen
Augen sehen, was die deutschen Meister ge-
schaffen haben!

Ihr unsterblicher Geist aber ist in den Lei-
bern derer — die den Olympischen Schwur
leisten werden — wieder auferstandenl Le-
bendig schwebt er, einer ewigen Sonne gleich,
über den 11. Olympischen Spielen! Geist und
Kraft feiern jetzt die höchste Vermählung un-
seres Jahrhunderts.

Friedrich Nietzsche hat einmal die Forde-
rung gestellt:

„Lieber schuldig bleiben, als mit einer
Münze zahlen, die nicht unser Bild trägt!"
— so will es unsere Souveränität."

Wenn der Sänger des „Zarathustra" heute
durch unsere Straßen ginge, würden ihm die
Bilder deutscher Hoheit auf Schritt und Tritt
entgegenleuchten und er wäre außerstande, die
Münzschätze zu zählen, von denen in den Ta-
gen dieser Olympischen Spiele unser eigenes
Bildnis strahlt.

„Ach! Wie anders hätt ich dich umschlungen —
Marathons Heroen sängst du mir,

Und die schönste der Begeisterungen
Lächelte vom trunk'nen Auge dir.

Deine Brust verjüngten Siegsgefühle
Und dein Haupt vom Lorbeerzweig umspielt,
Fühlte nicht des Lebensdumpfe dumpfe Schwüle
Die so karg der Hauch der Freude kühlt."

Vor Hölderlin hat bereits Schiller — als
er die Götter Griechenlands besang — in
olympischer Begeisterung ausgerufen:

„Eure Tempel lachten gleich Palästen,

Euch verherrlichet das Heldenspiel,

An des Isthmus kronenreichen Festen,

Und die Wagen donnerten zum Ziel."

Und wer — aus dem 23. Gesang der
„Ilias" — sich die unvergeßliche Schilderung
der Wettspiele zu Ehren des gefallenen Pa-
trokles in die Erinnerung zurückruft — wird
Schiller begreifen, wenn er in „Hektars Ab-
schied" Andromache ausrufen läßt:

„Will sich Hektar ewig von mir wenden,

Wo Achill mit den unnahbaren Händen
Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?

Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,

Wenn der finstre Orkus dich verschlingt?"

Es kostet Ueberwindung in diesen kraft-
berstenden Tagen der XI. Olympischen Spiele
— die auf deutschem Boden ausgetragen wer-
den — einige Augenblicke der Besinnung zu
finden.

Die Luft ist wie geladen mit den Blitzen
der kommenden Taten — mit Taten, die sich
oft genug in Zehntelsekunden abspielen
werden — in kaum faßbaren Kurz-Zeiten, in

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