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Die Weitspringer kämpfen um die drei Me-
daillen, die zu erringen sind. Es ist ein Kampf,
verbissen wie selten einer, es geht wirklich auf
Biegen und Brechen.

Iesse Owens springt 7,87 Meter.

Ein herrlicher Sprung!

Aber es dauert nicht lange, da zischen
Längs Hacken ebenfalls an der 7,87-Meter-
Marke in den Sand.

Gleichauf!

Owens oder Lang?

Der Kampf nimmt seinen Fortgang. Owens
fliegt, als er wieder an die Reihe kommt,
wahrhaftig noch sieben Zentimeter weiter hin-
aus.

Longs letzter Sprung mißlingt.

Nun der Neger! Er läuft an, er schnellt
sich ab, zappelt in der Luft und saust nieder.
Ein dunkler Schrei der Bewunderung steigt
auf. Die weiße Fahne naben dem Absprung-
balken hebt sich. Gültig! Und dann verkündet
der Lautsprecher: 8,06 Meter!

, Weltrekord!

*

Um die Plätze wird nicht weniger wild ge-
rungen. Jeder holt, mitgerissen durch die
Leistungen der Führenden und gedrängt durch
die spannunggeladene Atmosphäre, das
Aeußerste aus sich heraus. Und mancher voll-
bringt Sprünge, die zwar nicht zum Siege,
nicht einmal zu einer Placierung unter die
ersten Drei reichen, die aber doch alles über-
treffen, was er bisher geleistet hat.

Da ist es denn interessant und aufschluß-
reich, den einzelnen, wenn er sein Letztes voll-
bringt, genau zu beobachten. Noch aufschluß-
reicher als der Sprung selbst ist vielleicht der
Start zum Anlauf, weil es dabei so langsam
zugeht, daß man jede Eigenart und Einzelheit
noch deutlich erkennen kann, was beim eigent-
lichen Sprung nicht mehr möglich ist. Jeden-
falls nicht ohne Zuhilfenahme der Zeitlupe.
Und die hat man ja im Augenblick nicht zur
Hand.

Iesse Owens zum Beispiel steht eine Weile
ganz konzentriert da, duckt sich dann langsam
zusammen, stellt das eine Bein zurück, daß nur
die Zehen eben den roten Staub der Anlauf-
bahn berühren, duckt sich noch etwas tiefer,
läuft ab und hat in einer Sekunde schon seine
Höchstgeschwindigkeit erreicht.

Lang bläst erst einige Male die Backen auf,
stellt sich dann aufgerichtet und starr hin, steht
immer noch da, immer noch. Atemlose Stille
im weiten Oval des Stadions. Mit einem
Male hebt er sein rechtes Bein angewinkelt
hoch, ganz hoch, und setzt es unter langsamem
Strecken nieder und startet.

Der Japaner Naoto Tajima übt an seinem
Startplatz einige Male die Kniestreckung, geht
dann beiseite und übt dort weiter, kehrt auf
seinen Platz zurück, schließt die linke Hand
zur Faust, streckt die rechte stracks gegen die
Erde und bleibt lange so. Dann startet er
schnell.

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Vosolsobc, Tschechoslowakei, trabt dagegen
auffallend langsam an und wird erst ganz zu-
letzt schnell.

Der Amerikaner Clark läuft einfach los,
als wäre weiter nichts dabei. Allenfalls macht
er vorher etwas, was wie ein kleiner Bauch-
tanz aussicht.

Arturo Maffei, Italien, greift nach unten,
als wollte er mit jeder Hand ein schweres
Gewicht vom Boden lüften.

Bäumle streicht sich das Haar glatt, neigt
sich ein wenig vor und beginnt.

Robert Paul aus Frankreich hebt sich auf
die Zehen, so hoch es geht, ballt die Fäuste,
läßt sich vornüberfallen und verwandelt den
Fall in den Anlauf.

Und so fort und so fort. Nicht einer, der
dieselbe Geste vollbrächte wie ein anderer!
Die Schilderung könnte noch beliebig weiter-
geführt werden. Und nicht nur für den Start,
sondern — mit Hilfe der Zeitlupe — erst
recht für die eigentliche Ausführung des

Sprunges. Und nicht nur für den Weit-
sprung, sondern auch für jede, andere Sportart.

Die wenigen Beispiele genügen aber schon,
um das, was dargetan werden soll, zu illu-
strieren.

Es liegt nahe, zu befürchten, der Sport
verhindert das Aufkommen und Sichausprägen
von Persönlichkeiten. Jede Uebung fordere,
so sagt man wohl, denselben Idenlfall von
Technik. Jeder Kugelstoßer etwa müsse bemüht
sein, diesen! Idealfall näher und näher zu
kommen. Jeder Springer ebenso. Jeder Läu-
fer desgleichen. Wenn aber alle unter dem-
selben Gesetz stünden, wenn aber an alle die-
selben Forderungen gestellt würden, dann sei
ein Abschleifen der Individualität und eine
allgemeine Gleichmacherei wenigstens unter
den Leuten, die die gleiche Sportart pflegen,
unvermeidlich.

Wie steht es denn damit?

Wenn alle Menschen dieselben körperlichen
und geistigen Voraussetzungen, oder doch ähn-
liche, mitbrächten, wäre die Gefahr allerdings
nicht von der Hand zu weisen. Aber wie schon
dieser von vornherein für eine andere Sport-
art bestimmt ist als jener, auf Grund seiner
Individualität, so ist auch ein jeder gezwun-
gen, innerhalb derselben Sportart auf seine
individuelle und persönliche Weise sich an das
Ideal heranzuarbeiten. Das Ideal ist zwar
dasselbe, die Kugel möglichst weit zu stoßen,
die Hürde mit möglichst geringem Geschwindig-
keitsverlust zu nehmen, den Körper so hoch
wie möglich emporzuschnellen, aber der Weg,
der zum Ideal hinführt, ist jeweils ein ande-
rer. Eben weil die Voraussetzungen und
Möglichkeiten immer andere sind.

Der Sport zwingt gerade jeden einzelnen,
besonders wenn es darum geht, das Höchste
zu vollbringen, besonders wenn aus dem
Spiel ein Kampf wird, wie wir es jetzt tag-
täglich erleben, seine Eigenart, seine Persön-
lichkeit also, immer klarer auszuprägen.

Wie manche neue und überraschende Technik
wurde nicht aus einer individuellen Ver-
anlagung heraus geschaffen! Wie oft hat der
Sportsmann nicht aus einer Not eine Tugend
gemacht! Wie oft hat der sportliche Kampf
dem einzelnen nicht erst gezeigt, was eigent-
lich mit ihm los war! Wie oft sind nicht erst
durch den Sport aus verwaschenen Allerwelts-
charakteren echte, klare Persönlichkeiten ge-
worden!

Wer nicht erprobt wird durch den Kampf,
und wer sich nicht selbst erprobt durch Trai-
ning, der weiß auch nicht, wo seine eigent-
lichen und nur ihm eigenen Fähigkeiten liegen.

Allerdings gibt es in jeder Sportart gewisse
Regeln, Gesetze, Beschränkungen, denen alle
unterworfen sind. Aber genau so wie sich im
Leben derjenige erst als Meister erweist, der
in der Beschränkung das Beste zu leisten ver-
mag, so zwingt auch im Sport das Gesetz und
die Regel erst die Persönlichkeit zur klarsten
Darstellung ihrer selbst.

Man braucht nur einmal auf die Kämpft
bahn des Olympischen Stadions zu blicken,
um festzustellen, daß die größten Sportsleute
der Welt, die hier kämpfen, ruhen, sich vor-
bereiten oder umherschlendern, lauter ausge-
suchte Persönlichkeiten sind. Jeder hat seine
körperlichen und seelischen Eigenarten nicht
nur bewahrt, sondern noch schärfer ausge-
prägt. Jener, der ganz dahinten in der West-
kurve hin und her läuft, kann nur Glen Har-
bin sein. Man erkennt sein Gesicht zwar
nicht, aber jede Bewegung ist Glen Harbin.
Und das Mädel, das da zum Marathontor
hereinkommt, muß Gisela Mauermeyer sein.
Und der dort Uber die Rasenfläche geht, Iesse
Owens. Und der da drüben seine Rennschuhs
anzieht, Salminen.

Abgeschliffen? Gleichgemacht?

Im Gegenteil!

Sie sind alle erst das geworden, was sie
im Innersten waren. Deutlicher und schöner
sind sie es geworden, als wenn sie dem Sport
aus dem Wege gegangen wären.

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