Kekraus bei dm ssecbtem!
OK/77L 60l.^LL>-Ul.l.L 5Ü/r
Die Beifallsstürme für den letzten Olympianeger
der Fechter haben sich gelegt, die ungarische
Nationalhymne ist verklungen, die Tausende von
Zuschauern drängen nach den Ausgängen. Inner-
halb weniger Minuten liegt die große Kuppelhalle
wie ausgestorben da. Dieselbe Kuppelhalle, in der
zwei volle Wochen hindurch die Waffen nicht zur
Ruhe kamen, die zwei Wochen hindurch die besten
Fechter der Welt auf der Planche fah, in der
Leidenschaft und Kampfbegierde ausflammten, so
plötzlich und elementar, daß selbst die Zuschauer
mehr als einmal von den Sitzen aufsprangen, als
Härten sie den Säbel m der Faust und nicht die
Fechter aus der Kampfbahn.
Und nun? Müde schieben zwei Kontrolleure
durch die Bankreihen und halten nach etwa ver-
gessenen Gegenständen Ausschau. Ordnung muß
sein bis zum Schluß. Als sie den einsamen Be-
richterstatter noch schreibend dasitzen sehen — sie
haben ihn während zweier Wochen dort sitzen
sehen —, da wittern sie in ihm eine verwandte
Seele, und aus ihren gutmütigen Herzen kommt
ebenso wohlwollend wie erlösend das Wort:
„Nun ist Feierabend!"
Aber nun zu den Ereignissen des Sonrrabend-
nachmittags. Die Schlußrunde im Säbeleinzel
stand auf dem Programm. Diese» Säbeleinzel-
Finale war die letzte Szene auf der olympischen
Fechtbllhne. Vielleicht war sie auch der Höhe-
punkt des großen Schauspiels, das sich Olym-
pisches Fechtturnier nannte. Wie im Mann-
schastsfechten konnte auch im Säbelfechten die
Entscheidung nur zwischen Ungarn und Italien
liegen.
Man hat sich im Laufe der Jahre daran ge-
wohnt, daß das ungarisch-italienische Säbelfinale
auf den großen Turnieren eine aufregende, ja
lärmvolle Angelegenheit war, bei der die beiden
Parteien leidenschaftliche Anteilnahme zeigten.
Die Temperamente platzten nur so aufeinander.
Es ging wildbewegt her. Aber das-schl«l ÜAS
Deutschen wohl nur so, weil wir solche Tcmpcra-
mentsousbrüche nicht gewohnt sind. Von all dem
sah und hörte man diesmal nichts. Es war ge-
radezu auffallend, wie diszipliniert und allgemein
gefaßt diesmal die berühmte und gefürchtete End-
runde durchgeführt wurde. Daß allerdings nach-
her die Ungarn ihrem Sieger Kabos stürmische
Ovationen bereiteten, ging durchaus in Ordnung,
denn schließlich haben die Ungarn auf dem Fecht-
turnier drei Goldmedaillen gewonnen. Das be-
deutet, daß sie hinter den Italienern die erfolg-
reichste Nation auf dem Turnier waren.
Das Finale der letzten Neun nahm den er-
warteten Ausgang, d. h. die Ungarn und die
Italiener kämpften allein um die Medaillen,
während die Vertreter der übrigen drei in der
Endrunde noch vertretenen Nationen nie für die
ersten Plätze in Frage kamen. Mit beinahe
mathematischer Genauigkeit rückten die Fechter
Ungarns und Italiens auf die ersten Plätze.
Drei Ungarn und drei Italiener waren bekannt-
lich in der Schlußrunde. Als die Schlußrunde
durchgefochten war, lagen alle sechs ans den ersten
sechs Plätzen. Deutlicher und eindrucksvoller
konnten die beiden Nationen ihre Ueberlegenheit
i'.n Säbelfechten nicht demonstrieren.
Die Ungarn setzten ihre olympische Sieges-
tradition im Säbel auch auf der XI. Olympiade
fort. Nach dem Mannschaftssieg am Donnerstag
eroberten sie sich nun auch mit dem mehrfachen
Europameister Kabos die Goldmedaille im Säbel-
einzel und damit die dritte Goldmedaille auf
dem Fechtturnier. Der Dudapestsr wurde in
der Endrunde nur einmal geschlagen, und zwar
von dem berühmten Italiener Marzi, der
übrigens von vielen als der Geheimtyp im
Säbel angesehen wurde, und das, wie der Ver-
lauf der Endrunde zeigte, nicht ganz zu unrecht.
Kabos, der 1932 in Los Angeles Dritter wurde
— sein Landsmann Piller gewann in Los An-
geles den Säbel —, hat mit diesem Sieg seinen
bisherigen Erfolgen die Krone aufgesetzt. Marzi
gewann für Italien die silberne Medaille. Sein
Pech war es, daß er sich von dem Polen Sobik
schlagen ließ, sonst hätte er möglicherweise Kabos
noch von dem ersten Platz verdrängen können.
Seine Niederlage gegen Gerey geht in Ordnung.
Dritter wurde der Ungar Gerey, der einer der
heißesten Favoriten war. Er stand mit sechs
Siegen ranggleich mit Marzi, doch kam der Ita-
liener infolge seines günstigeren Trefferergebnisses
(22:26 erhaltene Treffer) auf den zweiten Platz,
während Gerey mit der bronzenen Medaille vor-
lsebnehmen mußte.
Hinter diesen drei placierte sich der dritte un-
garische Vertreter in der Endrunde, Rajcsanyi
als Vierter, dann die beiden Italiener Pinton
und Gaudini als Fünfter und Sechster. Man
Immer, wenn etwas ganz Großes zu Ende ist,
steht man überrascht vor der Plötzlichkeit dieses
Endes. Zu schnell und zu stürmisch kommt es.
Eine stille, wehmütige Leere ist dort, wo eben noch
das Rauschen der groß m, lauten Freude war. In
solchen Stunden ist es am schönsten, mit seinen
Gedanken allein zu sein.
Nun ist es Nacht über dem Stadion. Dort, wo
vor sechs Stunden hunderttausend Menschen be-
weist,nicht?.
als leere Steinstufen. Weiß und gespensrcrhait
stehen sie im Dunkel. Am oberen Rande der
Sreinmauer ragen dünne, schwarze Stangen gegen
den schwachen Widerschein des Nachthimmels.
Das sind die leeren Fahnenmasten.
Dort unten ist das Marathontor. Dort unten
flackerte in den vergangenen Nächten das Olympische
Feuer. Nun ist es auch dort einsam und dunkel.
Es ist unheimlich still in dieser Nacht. Nur
dann und wann rollt weit in der Ferne ein Zug
über die Schienen. Das kommt wie aus einer
anderen Welt. Wenn es wieder verklungen ist,
ist die Stille noch tiefer.
Dann weht ein plötzlicher Windstoß einen
Fetzen Papier über die Stufe. Er tanzt raschelnd
über den Beton, überschlägt sich einmal und bleibt
liegen. Es ist eine Seite aus dem Tagesprogramm,
alt und vergilbt, irgendwo nach langem Liegen
unter einer Sitzbank hervorgeweht. Es ist die
Seite mit der Ausschreibung zum Hammerwerfen.
Das war am dritten Tag, nachdem die Spiele be-
gonnen hatten.
Herrgott, wie weit das alles zurückliegtl Wie
unendlich lange das her ist. Eine Ewigkeit an Er-
leben liegt dazwischen, ein Erleben, so groß, daß
man es jetzt, da man ihm noch so nahe ist, noch
nicht erfassen kann. Je mehr sich die Zeit da-
zwischen schiebt, um so klarer wird es vor uns
sein. Dann erst werden wir um seine ganze Größe
wissen und sie noch mehr bewundern. So, wie
man einen Berg bewundert, wenn man ihn nach
dem Gipfelerlebnis noch einmal von der Ferne
sieht.
Das ist wieder der Windstoß, da raschelt das
Papier weiter. Es flattert von Stufe zu Stufe,
hat sich also redlich in den Erfolg geteilt. Nur
daß die Italiener diesmal mit besonderem
Schmerz nach Ungarn die Goldmedaille wandern
sahen. Kein Zweifel ist darüber möglich, daß
auch sie dieser Goldmedaille würdig gewesen
wären. Sie fochten in einem blendenden Stil,
und es war schon genußreich zu sehen, wie sie
ihre Angriffe aufbauten und wie sauber sie alle
Aktionen durchführten. Aber noch einmal trium-
phierten ungarische Schnelligkeit und naturalisti-
scher Fechtstil über die italienischen Fechtkiinstler.
Aber es mehren sich die Stimmen, die da be-
haupten, daß die Ungarn nicht für ewige gelten
mit dem Nurtreffcr-Stil die Säbelturniere ge-
winnen werden.
Sobik-Polen, Losert - Oesterreich und van der
Neucker-Belgien hieß das Schlußterzett. Es griff
nie in die Entscheidung um die ersten Plätze ein.
Diese drei vermochten selbst den vollkommen ab-
gekämpften Gaudini nicht aus der Front der
ersten Sechs herauszuwerfen. Der kleine Belgier,
für den der Eintritt Erfolg genug bedeuten mag,
immer tiefer, bis es im Zwielicht der Nacht ver-
schwunden ist.
Dort unten liegt das Kampffeld wie ein
schwarzer Krater. Tot und still. Es ist, als
hätte er all das Leben dieser Tage nun in sich
hineingeschluckt.
Aber über der Stadionmauer, weit, weit weg,
dort, wo die Großstadt liegt, hat der dunkle
Himmel einen Hellen Schimmer. Dort feiern nun
die Hunderttausend ik>r Fest der Freude. Dort
will die Jugend nach all ihrem Kämpfen nun
froh und glücklich sein.
*
An die Sechstausend haben im Olympischen
Dorf gewohnt. Nun sind schon viele davon fort,
und bald wird keiner mehr da sein. Keiner
mehr von all den vielen aus der ganzen Welt,
die hier so lange ihre Heimat hatten.
Dann wird sich der nachdenkliche, stillvergnügte
Dorfstorch wundern. Dann wird er neben mack-
chem, den er während dieser schönen Zeit in sein
Herz geschloffen, für ein Weilchen herstolzieren.
Dann wird er nicht begreifen können, daß nun
auch dieser ihn verlassen will.
Ja, mein lieber Dorfstorch, nun geht es wohl
dahin! Nun siehst du mich zum letztenmal. Mich,
der ich wieder zehntausend Meilen über das
große Wasser muß —, diesen da, der morgen
schon unendlich weit irgendwo im Süden durch
fremdes Land fährt —, und jenen dort, der hoch
im Norden seine Heimat hat. Siehst du unsere
Koffer und Säcke, mit diesen müssen wir nun
wandern. Und siehst du auch das lächelnde, weh-
mütige Schimmern dort in diesem pechschwarzen
Jungenauge? Komm, hüpf noch einmal hin zu
ihm. Laß noch einmal seine dunkelbraune Hand
über dein Gefieder streicheln. Und dann sei nicht
böse, wenn er plötzlich seine Packen nimmt und
über die Wiese davonrennt.
Wie still es nun auch im „Magenstadion" wird.
Im weißen Halbrund des Wirtschaftsgebäudes,
in dem die Köche und die Stewards kochten,
rannten, holten und immer wieder brachten. Nun
wird der Norddeutsche Lloyd, der euch gebracht
hat, auch euch wieder holen. Und ihr werdet auf
wehrte sich tapfer und brav. Er blieb, obLwhl
in allen Gefechten hoffnungslos geschlagen, bis
zu seinem bitteren Ende, ein fairer Kämpfer.
Der Oesterreicher Losert und der Pol« Sobik
taten das einzig Richtige in ihrer Lage, indem
sie in dieser für sie so unheimlich schweren End-
runde ihr Heil in stürmischen Angriffen ver-
suchten, ohne damit aber Erfolg zu haben.
Lfgebm'55s c/e5 Lnc/fl/nc/s.'
1. Kabos, Ungarn .. . .
S. Marzi, Italien ... .
ff
22 » «,
3. Gerey, Ungarn . . ..
ff
26 „ »
4. Rajcsanyi, Ungarn . .
. . ö
ff
26 « »
S. Pinton, Italien . ...
ff
26 ^ ^
6. Gaudini, Italien . ..
ff
28 ^
7. Sobik, Polen. ... .
34 „ „
8. Losert, Oesterreich . .
. . 2
ff
36 »
S. v. d. Neucker, Belgien
. . 0
ff
«.
46 « »
?. HUvaburs
euren Schiffen wieder hinausschwimmen in die
Welt. Vielleicht wird es dann fein, daß mancher
von euch eines Tages einen Passagier haben wird,
einen Inder, einen Japaner, einen Australier —,
irgendeinen au» der großen, weiten Welt, der
einmal vor vielen, vielen Jahren zusammen mit
euch im Olympischen Dorf in Berlin war. Dann
werdet ihr vor Freude nicht wissen, was ihr tun
sollt. Und ihr werdet dem ganzen Schiff von den
herrlichen Tagen erzählen, damals in Berlin, im
VlMWn «'UM MWU
fen und Siegen erzählen, und er wird begeistert
sein, wie väterlich du für ihn gesorgt hast. Eines
ober werdet ihr euch von Herzen wünschen: daß
sie nur einmal noch kommen möge, die glückliche
geit eures stillen, fröhlichen Dorfes.
*
Drei Wochen lang haben dis fünf Olympischen
Ringe über der Ladentüre gehangen. Nun ist es
an dem, daß sie wieder herunter müssen. Man tut
sich hart mit seinen achtundfünfzig Jahren. Man
fühlt sich recht unsicher, wenn man in diesem
Alter auf einem wackeligen Stuhl steht. Aber sie
schafft es schon. Und dann sind die Ringe
herunter.
Schade, daß es nun wirklich vorbei ist. Wenn
man auch nicht gerade immer dort war, wo es am
lautesten zuging, und wenn man in seinem kleinen
Schreibwarenlädchen sozusagen auch nur ganz
außen am Rande des Glücke» dieses Große mit-
erlebte — schön war es doch.
Dort in der wurmstichigen Ladenkasse, die so
nett klingelt, wenn man sie herauszieht, liegt noch
das ausländische Geldstück, das ihr der Herr aus
Griechenland gab. Eigentlich hatte er es ihr nur
aus Versehen gegeben, aber sie gab es ihm nicht
mehr zurück. Nein, da« hatte sie behalten wollen.
Zum ewigen Andenken an diese herrliche Zeit.
Wirklich schade um die Ringe. Sie ist ganz
traurig, als sie mit einem Staubtuch noch einmal
darüber hinwegwischt. Dann packt sie da» bunte
Kartongebilde mit einem leisen Seufzer weg.
Draußen rumpelt ein riesiger Autobus durch dis
kleine Straße. Er bringt wieder ein Pack
Olympiagäste zur Bahn.
O. 8. Lclnvsrla
Gedanken am letzten Tag
" S L I-t ^ k 2 I_ O —- t-ILISSL SILl-kl" u.
August
23. 23. 2Ü. 30. August
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sLoe», uxio u u v e k? x, <z s » c> e xi - scraxi
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Die Beifallsstürme für den letzten Olympianeger
der Fechter haben sich gelegt, die ungarische
Nationalhymne ist verklungen, die Tausende von
Zuschauern drängen nach den Ausgängen. Inner-
halb weniger Minuten liegt die große Kuppelhalle
wie ausgestorben da. Dieselbe Kuppelhalle, in der
zwei volle Wochen hindurch die Waffen nicht zur
Ruhe kamen, die zwei Wochen hindurch die besten
Fechter der Welt auf der Planche fah, in der
Leidenschaft und Kampfbegierde ausflammten, so
plötzlich und elementar, daß selbst die Zuschauer
mehr als einmal von den Sitzen aufsprangen, als
Härten sie den Säbel m der Faust und nicht die
Fechter aus der Kampfbahn.
Und nun? Müde schieben zwei Kontrolleure
durch die Bankreihen und halten nach etwa ver-
gessenen Gegenständen Ausschau. Ordnung muß
sein bis zum Schluß. Als sie den einsamen Be-
richterstatter noch schreibend dasitzen sehen — sie
haben ihn während zweier Wochen dort sitzen
sehen —, da wittern sie in ihm eine verwandte
Seele, und aus ihren gutmütigen Herzen kommt
ebenso wohlwollend wie erlösend das Wort:
„Nun ist Feierabend!"
Aber nun zu den Ereignissen des Sonrrabend-
nachmittags. Die Schlußrunde im Säbeleinzel
stand auf dem Programm. Diese» Säbeleinzel-
Finale war die letzte Szene auf der olympischen
Fechtbllhne. Vielleicht war sie auch der Höhe-
punkt des großen Schauspiels, das sich Olym-
pisches Fechtturnier nannte. Wie im Mann-
schastsfechten konnte auch im Säbelfechten die
Entscheidung nur zwischen Ungarn und Italien
liegen.
Man hat sich im Laufe der Jahre daran ge-
wohnt, daß das ungarisch-italienische Säbelfinale
auf den großen Turnieren eine aufregende, ja
lärmvolle Angelegenheit war, bei der die beiden
Parteien leidenschaftliche Anteilnahme zeigten.
Die Temperamente platzten nur so aufeinander.
Es ging wildbewegt her. Aber das-schl«l ÜAS
Deutschen wohl nur so, weil wir solche Tcmpcra-
mentsousbrüche nicht gewohnt sind. Von all dem
sah und hörte man diesmal nichts. Es war ge-
radezu auffallend, wie diszipliniert und allgemein
gefaßt diesmal die berühmte und gefürchtete End-
runde durchgeführt wurde. Daß allerdings nach-
her die Ungarn ihrem Sieger Kabos stürmische
Ovationen bereiteten, ging durchaus in Ordnung,
denn schließlich haben die Ungarn auf dem Fecht-
turnier drei Goldmedaillen gewonnen. Das be-
deutet, daß sie hinter den Italienern die erfolg-
reichste Nation auf dem Turnier waren.
Das Finale der letzten Neun nahm den er-
warteten Ausgang, d. h. die Ungarn und die
Italiener kämpften allein um die Medaillen,
während die Vertreter der übrigen drei in der
Endrunde noch vertretenen Nationen nie für die
ersten Plätze in Frage kamen. Mit beinahe
mathematischer Genauigkeit rückten die Fechter
Ungarns und Italiens auf die ersten Plätze.
Drei Ungarn und drei Italiener waren bekannt-
lich in der Schlußrunde. Als die Schlußrunde
durchgefochten war, lagen alle sechs ans den ersten
sechs Plätzen. Deutlicher und eindrucksvoller
konnten die beiden Nationen ihre Ueberlegenheit
i'.n Säbelfechten nicht demonstrieren.
Die Ungarn setzten ihre olympische Sieges-
tradition im Säbel auch auf der XI. Olympiade
fort. Nach dem Mannschaftssieg am Donnerstag
eroberten sie sich nun auch mit dem mehrfachen
Europameister Kabos die Goldmedaille im Säbel-
einzel und damit die dritte Goldmedaille auf
dem Fechtturnier. Der Dudapestsr wurde in
der Endrunde nur einmal geschlagen, und zwar
von dem berühmten Italiener Marzi, der
übrigens von vielen als der Geheimtyp im
Säbel angesehen wurde, und das, wie der Ver-
lauf der Endrunde zeigte, nicht ganz zu unrecht.
Kabos, der 1932 in Los Angeles Dritter wurde
— sein Landsmann Piller gewann in Los An-
geles den Säbel —, hat mit diesem Sieg seinen
bisherigen Erfolgen die Krone aufgesetzt. Marzi
gewann für Italien die silberne Medaille. Sein
Pech war es, daß er sich von dem Polen Sobik
schlagen ließ, sonst hätte er möglicherweise Kabos
noch von dem ersten Platz verdrängen können.
Seine Niederlage gegen Gerey geht in Ordnung.
Dritter wurde der Ungar Gerey, der einer der
heißesten Favoriten war. Er stand mit sechs
Siegen ranggleich mit Marzi, doch kam der Ita-
liener infolge seines günstigeren Trefferergebnisses
(22:26 erhaltene Treffer) auf den zweiten Platz,
während Gerey mit der bronzenen Medaille vor-
lsebnehmen mußte.
Hinter diesen drei placierte sich der dritte un-
garische Vertreter in der Endrunde, Rajcsanyi
als Vierter, dann die beiden Italiener Pinton
und Gaudini als Fünfter und Sechster. Man
Immer, wenn etwas ganz Großes zu Ende ist,
steht man überrascht vor der Plötzlichkeit dieses
Endes. Zu schnell und zu stürmisch kommt es.
Eine stille, wehmütige Leere ist dort, wo eben noch
das Rauschen der groß m, lauten Freude war. In
solchen Stunden ist es am schönsten, mit seinen
Gedanken allein zu sein.
Nun ist es Nacht über dem Stadion. Dort, wo
vor sechs Stunden hunderttausend Menschen be-
weist,nicht?.
als leere Steinstufen. Weiß und gespensrcrhait
stehen sie im Dunkel. Am oberen Rande der
Sreinmauer ragen dünne, schwarze Stangen gegen
den schwachen Widerschein des Nachthimmels.
Das sind die leeren Fahnenmasten.
Dort unten ist das Marathontor. Dort unten
flackerte in den vergangenen Nächten das Olympische
Feuer. Nun ist es auch dort einsam und dunkel.
Es ist unheimlich still in dieser Nacht. Nur
dann und wann rollt weit in der Ferne ein Zug
über die Schienen. Das kommt wie aus einer
anderen Welt. Wenn es wieder verklungen ist,
ist die Stille noch tiefer.
Dann weht ein plötzlicher Windstoß einen
Fetzen Papier über die Stufe. Er tanzt raschelnd
über den Beton, überschlägt sich einmal und bleibt
liegen. Es ist eine Seite aus dem Tagesprogramm,
alt und vergilbt, irgendwo nach langem Liegen
unter einer Sitzbank hervorgeweht. Es ist die
Seite mit der Ausschreibung zum Hammerwerfen.
Das war am dritten Tag, nachdem die Spiele be-
gonnen hatten.
Herrgott, wie weit das alles zurückliegtl Wie
unendlich lange das her ist. Eine Ewigkeit an Er-
leben liegt dazwischen, ein Erleben, so groß, daß
man es jetzt, da man ihm noch so nahe ist, noch
nicht erfassen kann. Je mehr sich die Zeit da-
zwischen schiebt, um so klarer wird es vor uns
sein. Dann erst werden wir um seine ganze Größe
wissen und sie noch mehr bewundern. So, wie
man einen Berg bewundert, wenn man ihn nach
dem Gipfelerlebnis noch einmal von der Ferne
sieht.
Das ist wieder der Windstoß, da raschelt das
Papier weiter. Es flattert von Stufe zu Stufe,
hat sich also redlich in den Erfolg geteilt. Nur
daß die Italiener diesmal mit besonderem
Schmerz nach Ungarn die Goldmedaille wandern
sahen. Kein Zweifel ist darüber möglich, daß
auch sie dieser Goldmedaille würdig gewesen
wären. Sie fochten in einem blendenden Stil,
und es war schon genußreich zu sehen, wie sie
ihre Angriffe aufbauten und wie sauber sie alle
Aktionen durchführten. Aber noch einmal trium-
phierten ungarische Schnelligkeit und naturalisti-
scher Fechtstil über die italienischen Fechtkiinstler.
Aber es mehren sich die Stimmen, die da be-
haupten, daß die Ungarn nicht für ewige gelten
mit dem Nurtreffcr-Stil die Säbelturniere ge-
winnen werden.
Sobik-Polen, Losert - Oesterreich und van der
Neucker-Belgien hieß das Schlußterzett. Es griff
nie in die Entscheidung um die ersten Plätze ein.
Diese drei vermochten selbst den vollkommen ab-
gekämpften Gaudini nicht aus der Front der
ersten Sechs herauszuwerfen. Der kleine Belgier,
für den der Eintritt Erfolg genug bedeuten mag,
immer tiefer, bis es im Zwielicht der Nacht ver-
schwunden ist.
Dort unten liegt das Kampffeld wie ein
schwarzer Krater. Tot und still. Es ist, als
hätte er all das Leben dieser Tage nun in sich
hineingeschluckt.
Aber über der Stadionmauer, weit, weit weg,
dort, wo die Großstadt liegt, hat der dunkle
Himmel einen Hellen Schimmer. Dort feiern nun
die Hunderttausend ik>r Fest der Freude. Dort
will die Jugend nach all ihrem Kämpfen nun
froh und glücklich sein.
*
An die Sechstausend haben im Olympischen
Dorf gewohnt. Nun sind schon viele davon fort,
und bald wird keiner mehr da sein. Keiner
mehr von all den vielen aus der ganzen Welt,
die hier so lange ihre Heimat hatten.
Dann wird sich der nachdenkliche, stillvergnügte
Dorfstorch wundern. Dann wird er neben mack-
chem, den er während dieser schönen Zeit in sein
Herz geschloffen, für ein Weilchen herstolzieren.
Dann wird er nicht begreifen können, daß nun
auch dieser ihn verlassen will.
Ja, mein lieber Dorfstorch, nun geht es wohl
dahin! Nun siehst du mich zum letztenmal. Mich,
der ich wieder zehntausend Meilen über das
große Wasser muß —, diesen da, der morgen
schon unendlich weit irgendwo im Süden durch
fremdes Land fährt —, und jenen dort, der hoch
im Norden seine Heimat hat. Siehst du unsere
Koffer und Säcke, mit diesen müssen wir nun
wandern. Und siehst du auch das lächelnde, weh-
mütige Schimmern dort in diesem pechschwarzen
Jungenauge? Komm, hüpf noch einmal hin zu
ihm. Laß noch einmal seine dunkelbraune Hand
über dein Gefieder streicheln. Und dann sei nicht
böse, wenn er plötzlich seine Packen nimmt und
über die Wiese davonrennt.
Wie still es nun auch im „Magenstadion" wird.
Im weißen Halbrund des Wirtschaftsgebäudes,
in dem die Köche und die Stewards kochten,
rannten, holten und immer wieder brachten. Nun
wird der Norddeutsche Lloyd, der euch gebracht
hat, auch euch wieder holen. Und ihr werdet auf
wehrte sich tapfer und brav. Er blieb, obLwhl
in allen Gefechten hoffnungslos geschlagen, bis
zu seinem bitteren Ende, ein fairer Kämpfer.
Der Oesterreicher Losert und der Pol« Sobik
taten das einzig Richtige in ihrer Lage, indem
sie in dieser für sie so unheimlich schweren End-
runde ihr Heil in stürmischen Angriffen ver-
suchten, ohne damit aber Erfolg zu haben.
Lfgebm'55s c/e5 Lnc/fl/nc/s.'
1. Kabos, Ungarn .. . .
S. Marzi, Italien ... .
ff
22 » «,
3. Gerey, Ungarn . . ..
ff
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4. Rajcsanyi, Ungarn . .
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S. Pinton, Italien . ...
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6. Gaudini, Italien . ..
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28 ^
7. Sobik, Polen. ... .
34 „ „
8. Losert, Oesterreich . .
. . 2
ff
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S. v. d. Neucker, Belgien
. . 0
ff
«.
46 « »
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euren Schiffen wieder hinausschwimmen in die
Welt. Vielleicht wird es dann fein, daß mancher
von euch eines Tages einen Passagier haben wird,
einen Inder, einen Japaner, einen Australier —,
irgendeinen au» der großen, weiten Welt, der
einmal vor vielen, vielen Jahren zusammen mit
euch im Olympischen Dorf in Berlin war. Dann
werdet ihr vor Freude nicht wissen, was ihr tun
sollt. Und ihr werdet dem ganzen Schiff von den
herrlichen Tagen erzählen, damals in Berlin, im
VlMWn «'UM MWU
fen und Siegen erzählen, und er wird begeistert
sein, wie väterlich du für ihn gesorgt hast. Eines
ober werdet ihr euch von Herzen wünschen: daß
sie nur einmal noch kommen möge, die glückliche
geit eures stillen, fröhlichen Dorfes.
*
Drei Wochen lang haben dis fünf Olympischen
Ringe über der Ladentüre gehangen. Nun ist es
an dem, daß sie wieder herunter müssen. Man tut
sich hart mit seinen achtundfünfzig Jahren. Man
fühlt sich recht unsicher, wenn man in diesem
Alter auf einem wackeligen Stuhl steht. Aber sie
schafft es schon. Und dann sind die Ringe
herunter.
Schade, daß es nun wirklich vorbei ist. Wenn
man auch nicht gerade immer dort war, wo es am
lautesten zuging, und wenn man in seinem kleinen
Schreibwarenlädchen sozusagen auch nur ganz
außen am Rande des Glücke» dieses Große mit-
erlebte — schön war es doch.
Dort in der wurmstichigen Ladenkasse, die so
nett klingelt, wenn man sie herauszieht, liegt noch
das ausländische Geldstück, das ihr der Herr aus
Griechenland gab. Eigentlich hatte er es ihr nur
aus Versehen gegeben, aber sie gab es ihm nicht
mehr zurück. Nein, da« hatte sie behalten wollen.
Zum ewigen Andenken an diese herrliche Zeit.
Wirklich schade um die Ringe. Sie ist ganz
traurig, als sie mit einem Staubtuch noch einmal
darüber hinwegwischt. Dann packt sie da» bunte
Kartongebilde mit einem leisen Seufzer weg.
Draußen rumpelt ein riesiger Autobus durch dis
kleine Straße. Er bringt wieder ein Pack
Olympiagäste zur Bahn.
O. 8. Lclnvsrla
Gedanken am letzten Tag
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