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Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 3.1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.29028#0017
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DAS WEISSE HAU S
Von Ferdinand ^Veinhandl. (Mit einer Initiale von M. Leidlein.)

oward Brook war Mitglied
der internationalen Kommis-
sion zur Umgestaltung Euro-
pas. Eben verließ er die
hellerleuchteten Hallen des
Sitzungsgebäudes, wo heute
die Referate des Physikers
Kersten und des General-
direktors der technischen Nachrichtenabteilung
Ingenieur Alinutti gespannte Erwartung in
die Mienen der hier versammelten Finanz-
leute, Diplomaten, Regierungsvertreter und
wissenschaftlichen Beisitzer geprägt hatten. Die
beiden Referenten hatten den ausführlichen
Bericht über die abschließenden Unter-
suchungen gegeben, der von der Station der
zweiten Gamma-Insel nach Europa der Kom-
mission zugekabelt worden war.
Die Station war im Jahre 1935 mit amerika-
nischem Kapital auf der mittleren der drei neu-
entdeckten Inseln errichtet worden. Chemiker,
Physiker und Elektrotechniker aus allen Län-
dern arbeiteten hier seit Jahren an der prak-
tischen Auswertung der epochemachenden
Zufallsentdeckung des dänischen Psychologen
Dr. Oerquist. Nun war man zum ersten greif-
baren Ergebnis gekommen. Alinutti hatte den
Vertretern der Mächte in gedrängt und an-
schaulich gebauten Bildern den Kampf mit dem
Problem der minimalen MVirkungs- und Aus-
drucksumwandlung der gesamten geokos-
mischen elektrischen Energie dargestellt. An
den äußerst empfindlichen Meß- und Kontroll-
apparaten hatte der Däne Dr. Oerquist bei
seinen psychologischen Experimenten über das
Veraguthsche Phänomen schon 1932 die eigen-
tümliche Beobachtung einer kaum merklichen
^Virkungsverschiebung des elektrischen Stroms
an den Apparaten gemacht. Er und andere
Forscher waren ursprünglich geneigt, die Ur-
sache dieser Verschiebung in einer sonst nicht
zugänglichenVeränderung im psychophysischen
Organismus der Versuchspersonen, vielleicht
der ganzen lebenden Generation zu suchen.
Eine restlose Erklärung gab diese Annahme
nicht. Und als die folgenden Jahre Meldungen
von eigenartigen Defekten an elektrischen

Maschinen und Kraftanlagen brachten, bald
aus Paris, bald aus Petersburg und anderen
Teilen der Erde, als endlich der erste Assistent
am physikalischen Institut einer deutschen
Universität auf bisher unaufgeklärte Weise
bei einem Experiment mit Teslaströmen umge-
kommen war, da hatte man die Oerquistsche
Erklärung als unhaltbar befunden.
Man sah sich gezwungen, eine Wesens-
änderung der elektrischen Energie selbst an-
zunehmen (die sich nach Meinung der Gelehr-
ten nicht auf das gesamte Weltall, sondern nur
auf unsere Erde erstrecken sollte).
Schon war mit dem Bau neuer Kraftmaschi-
nen begonnen worden. Unausdenkbar schienen
die Möglichkeiten, die aus der Anpassung der
Elektrotechnik an die geänderte Energieform in
der fernen Zukunft einmal zu verwirklichen
wären.
Nach dem Doppelreferat Kersten-Alinutti
wurde von einem jungen Ingenieur, der nur
zu dem Zweck von den Gamma-Inseln gekom-
men war, die neukonstruierte Dynamomaschine
vorgeführt. Alle Augen hingen gespannt an
dem kleinen Wunderwerk, das unter leisem
Singen, ein Symbol verhaltener, gebändigter
Kraft, die elektrische Energie in Licht und Be-
wegung umsetzte. Der Ingenieur, der die Ma-
schine bediente, griff nach dem Hebel eines
Stromschließers. Geräuschlos durcbflammte
den Saal taghelle Lichtflut. Man sah keine
Lampe, von der das Licht ausging. Gleich-
mäßig und ruhig fiel es von der V/olbung des
Saales auf die Tische nieder und überstrahlte
die weißen Flammenbogen, die bisher den
Raum erhellt hatten. Ein stolzes Bewußtsein
stieg in den Köpfen der Versammelten auf: man
hatte in einem entscheidenden Augenblick die
Natur wieder einmal bezwungen und bewäl-
tigt. Die Natur, die unmerklich am Werk war,
dem Menschen die elektrische Energie zu ent-
ziehen, indem sie ihr eine neue Form gab, die
er sich bald mit den alten Kraftmaschinen und
Stromerzeugern nicht mehr würde dienstbar
machen können.
Nach solchen Ereignissen also verließ Ho-
ward Brook die lichtdurchfluteten Hallen des


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