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Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 3.1921

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Drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.29028#0067
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Komplimente, lobte sein gutes Aussehen und
seinen sprühenden und liebenswürdigen Geist.
Er verlor gegen ihn im Spiel und wußte ihn
jeden Tag wegen einer lächerlichen Kleinigkeit
ins Vertrauen zu ziehen. Cosi Sancta schien
er der entzückendste Mensch der Welt zu sein,
und sie liebte ihn bereits heißer, als sie es
selbst wußte. Sie war sich dessen gar nicht
bewußt, um so mehr aber ihr Gatte. Wenn-
gleich er jene starke Eigenliebe besaß, die ein
kleiner Mann nur immer haben kann, war er
sich dennoch darüber im klaren, daß die Be-
suche Ribaldos zum mindesten nicht ihm allein
galten. Unter irgendeinem fadenscheinigen
Vorwand hrach er mit ihm und verbot ihm
sein Haus.
Cosi Sancta war darob sehr erbost, doch
getraute sie sich nicht darüber zu sprechen.
Ribaldo aber, der durch diese Schwierigkeit
nur noch verliebter wurde, brachte seine Tage
damit zu, einen Augenblick herbeizuführen,
in dem er sie sehen könnte. Er verkleidete sich
nacheinander als Mönch, als Kleiderverkäu-
ferin und als Puppenspieler. Aber er machte
seine Sache nicht gut genug, um damit seine
Angebetete zu erobern, und zu auffällig, als
daß der Gatte ihn nicht erkannt hätte. Wäre
Cosi Sancta im Einverständnis mit ihrem
Verehrer gewesen, hätten die beiden schon
Mittel und Wege gefunden, daß der Gatte
keinen Verdacht geschöpft hätte. Aber da sie

ihre Neigung bekämpfte und sich nichts vor-
zuwerfen hatte, so achtete sie auf alles, nur
nicht auf den Schein. Und so hielt sie ihr Mann
für durchaus schuldig.
Der kleine Biedermann, der zornigen Ge-
mütes war und sich einbildete, daß seine Ehre
von der Treue seiner Frau abhinge, beschimpfte
sie auf das gröblichste und bestrafte sie dafür,
daßman sie scbönfand.Siegerietin diefürcbter-
lichste Lage, in der sich eine Frau befinden
kann: Sie war schuldlos angeklagt, wurde
von einem Mann gequält, dem sie treu war,
und wurde überdies in ihrem Innern von einer
heftigen Leidenschaft gepeinigt, die zu be-
kämpfen sie mit allen Mitteln versuchte.
Sie glaubte, daß ibr Mann vielleicht mit
seinen Ungerechtigkeiten aufbören werde,
wenn ihr Anbeter seine Nachstellungen ein-
stellen würde, und glaubte, daß sie dann so
glücklich sein könnte, von einer Liebe zu ge-
nesen, die nicht weiter geschürt wurde. In
dieser Erwartung wagte sie nachstehenden
Brief an Ribaldo zu schreiben:
„Wenn Ihr nur einigermaßen tugendhaft
seid, so höret auf, mich unglücklich zu machen.
Ihr liebt mich, und Eure Liebe setzt mich den
Verdächtigungen und der Heftigkeit meines
Herrn und Gebieters aus, dem ich mich für
mein Leben zu eigen gegeben habe. Gebe der
Himmel, daß dies die einzige Gefahr ist, die
ich zu bestehen haben werde. Stellt aus Mit-

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