schlag, entweder gehenkt oder gehörnt zu wer-
den. Da blieb ihm keine Wahl. Dennoch lief?
sich der kleine Alte recht lange zureden. Endlich
tat er das, was jeder an seiner Stelle getan
hätte. Seine Frau rettete ihm aus Mitleid das
Leben. — Und das war das erstemal von den
dreien.
Am gleichen Tage erkrankte sein Sohn an
einer ganz ungewöhnlichen Krankheit, die kein
Arzt von Hippo kannte. Nur einer wußte ge-
heime Mittel für sie, aber^der wohnte ein paar
Meilen von Hippo entfernt in Aquila. Es war
damals den Ärzten, die sich in irgendeiner
Stadt niedergelassen hatten, verboten, diese zu
verlassen und ihre Kunst in einer anderen
auszuüben.
Cosi Sancta mußte sich also selbst zu ihm
begeben, begleitet von einem Bruder, den sie
zärtlich liebte. Unterwegs wurden sie von
Schnapphähnen angehalten. Der Befehlshaber
dieser Herren fand sie ausnehmend hübsch.
Und als man sich gerade bereit machte, ihren
Bruder umzubringen, näherte er sich ihr und
sagte, daß man ihren Bruder nicht töten werde,
wenn sie nur ein wenig gefällig sein wolle,
was ihr j‘a übrigens auch nichts koste. Die
Sache eilte. Eben hatte sie erst ihrem Gatten,
den sie nicht liebte, das Leben gerettet und
sollte nun ihren Bruder, dem sie so zugetan
war, verlieren. Überdies bebte sie vor Unruhe
über die Gefahr, in der ihr Sohn sich befand.
So war kein Augenblick zu ver-
lieren. Sie empfahl sich der
Gnade Gottes und tat alles, was
man von ihr wollte. — — Und
das war das zweitemal von den
dreien.
Noch am selben Tag kam sie
nach Aquila und suchte den
Arzt auf. Der war einer j'ener
Arzte, den die Frauen holen
lassen, wenn sie ihre Mucken
haben,oder wenn ihnen gar nichts
fehlt. Er war der Mitwisser der
einen, der Liebhaber der an-
deren, im ganzen ein höflicher,
gefälliger Mann, der sich mit der
Fakultät nicht vertrug, da er mit ihr hin und
wieder seinen Spaß gehabt hatte.
Cosi Sancta berichtete ihm über die Krank-
heit ihres Sohnes und bot ihm als Preis eine
große Sesterze an. (Es wird auffallen, daß eine
große Sesterze nach französischem Gelde über
1000 Dukaten wert ist.)
„Meine Dame, ich wünsche gar nicht mit
diesem Gelde bezahlt zu werden“, entgegnete
der galante Arzt. „Ich würde selbst gerne mein
ganzes Vermögen dafür geben, um Sie für die
Kuren, die Sie vollbringen können, entschädigen
zu können. Heilen Sie mich bloß von der Krank-
heit, die Sie in mir erregt haben, und ich werde
Ihrem Sohne die Gesundheit wiedergeben.“
Dieser Vorschlag erschien der Dame außer-
gewöhnlich. Aber das Schicksal hatte sie an
verschrobene Dinge gewöhnt. Der Arzt blieb
bockbeinig und wollte keinen anderen Preis
für seine Heilmittel. Cosi Sancta konnte ihren
Mann nicht um Rat fragen. Dazu kam die
Unmöglichkeit, ihren Sohn, den sie anbetete,
wegen dieser wahrlich kleinsten Hilfeleistung
von der Welt sterben zu lassen. Sie war eine
ebenso gute Mutter als Schwester. Sie kaufte
die Medizin um den begehrten Preis. — —
Und das war das letztemal von den dreien.
Sie kehrte mit ihrem Bruder nach Hippo
zurück, der ihr auf dem ganzen Wege unauf-
hörlich für den Mut dankte, mit dem sie ihm
das Leben gerettet hatte.
So hatte Cosi Sancta durch
ihre Tugend ihren Geliebten
sterben und ihren Mann zum
Tode verdammen lassen, und
hatte durch ihre Gefälligkeit das
Leben ihres Bruders, ihres Soh-
nes und ihres Gatten erhalten.
Man fand, daß eine solche
Frau für eine Familie äußerst
nützlich sei. Man sprach sie nach
ihrem Tode dafür heilig, daß
sie den Ihren so viel Gutes getan
und sich selbst dabei geopfert
hatte. Auf ihren Grabstein grub
man diese Worte:
Ein wenig Böses für viel Gutes!
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den. Da blieb ihm keine Wahl. Dennoch lief?
sich der kleine Alte recht lange zureden. Endlich
tat er das, was jeder an seiner Stelle getan
hätte. Seine Frau rettete ihm aus Mitleid das
Leben. — Und das war das erstemal von den
dreien.
Am gleichen Tage erkrankte sein Sohn an
einer ganz ungewöhnlichen Krankheit, die kein
Arzt von Hippo kannte. Nur einer wußte ge-
heime Mittel für sie, aber^der wohnte ein paar
Meilen von Hippo entfernt in Aquila. Es war
damals den Ärzten, die sich in irgendeiner
Stadt niedergelassen hatten, verboten, diese zu
verlassen und ihre Kunst in einer anderen
auszuüben.
Cosi Sancta mußte sich also selbst zu ihm
begeben, begleitet von einem Bruder, den sie
zärtlich liebte. Unterwegs wurden sie von
Schnapphähnen angehalten. Der Befehlshaber
dieser Herren fand sie ausnehmend hübsch.
Und als man sich gerade bereit machte, ihren
Bruder umzubringen, näherte er sich ihr und
sagte, daß man ihren Bruder nicht töten werde,
wenn sie nur ein wenig gefällig sein wolle,
was ihr j‘a übrigens auch nichts koste. Die
Sache eilte. Eben hatte sie erst ihrem Gatten,
den sie nicht liebte, das Leben gerettet und
sollte nun ihren Bruder, dem sie so zugetan
war, verlieren. Überdies bebte sie vor Unruhe
über die Gefahr, in der ihr Sohn sich befand.
So war kein Augenblick zu ver-
lieren. Sie empfahl sich der
Gnade Gottes und tat alles, was
man von ihr wollte. — — Und
das war das zweitemal von den
dreien.
Noch am selben Tag kam sie
nach Aquila und suchte den
Arzt auf. Der war einer j'ener
Arzte, den die Frauen holen
lassen, wenn sie ihre Mucken
haben,oder wenn ihnen gar nichts
fehlt. Er war der Mitwisser der
einen, der Liebhaber der an-
deren, im ganzen ein höflicher,
gefälliger Mann, der sich mit der
Fakultät nicht vertrug, da er mit ihr hin und
wieder seinen Spaß gehabt hatte.
Cosi Sancta berichtete ihm über die Krank-
heit ihres Sohnes und bot ihm als Preis eine
große Sesterze an. (Es wird auffallen, daß eine
große Sesterze nach französischem Gelde über
1000 Dukaten wert ist.)
„Meine Dame, ich wünsche gar nicht mit
diesem Gelde bezahlt zu werden“, entgegnete
der galante Arzt. „Ich würde selbst gerne mein
ganzes Vermögen dafür geben, um Sie für die
Kuren, die Sie vollbringen können, entschädigen
zu können. Heilen Sie mich bloß von der Krank-
heit, die Sie in mir erregt haben, und ich werde
Ihrem Sohne die Gesundheit wiedergeben.“
Dieser Vorschlag erschien der Dame außer-
gewöhnlich. Aber das Schicksal hatte sie an
verschrobene Dinge gewöhnt. Der Arzt blieb
bockbeinig und wollte keinen anderen Preis
für seine Heilmittel. Cosi Sancta konnte ihren
Mann nicht um Rat fragen. Dazu kam die
Unmöglichkeit, ihren Sohn, den sie anbetete,
wegen dieser wahrlich kleinsten Hilfeleistung
von der Welt sterben zu lassen. Sie war eine
ebenso gute Mutter als Schwester. Sie kaufte
die Medizin um den begehrten Preis. — —
Und das war das letztemal von den dreien.
Sie kehrte mit ihrem Bruder nach Hippo
zurück, der ihr auf dem ganzen Wege unauf-
hörlich für den Mut dankte, mit dem sie ihm
das Leben gerettet hatte.
So hatte Cosi Sancta durch
ihre Tugend ihren Geliebten
sterben und ihren Mann zum
Tode verdammen lassen, und
hatte durch ihre Gefälligkeit das
Leben ihres Bruders, ihres Soh-
nes und ihres Gatten erhalten.
Man fand, daß eine solche
Frau für eine Familie äußerst
nützlich sei. Man sprach sie nach
ihrem Tode dafür heilig, daß
sie den Ihren so viel Gutes getan
und sich selbst dabei geopfert
hatte. Auf ihren Grabstein grub
man diese Worte:
Ein wenig Böses für viel Gutes!
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