dem Schurken sofort und kündigte ihm meine
Ankunft für den Sonnabend der laufenden
Woche an. Gleichzeitig ersuchte ich die dor-
tige Ortsbehörde vertraulich, alle Schritte
meines Verwalters unauffällig zu überwachen
und gegebenenfalls seine Flucht mit Gewalt
zu verhindern.
Ich war in diesen Tagen in die schlechteste
Laune von der MVelt geraten. Unannehmlich-
keiten aller Art hatten sich wie zum Trotz
gehäuft. Und infolge der Nervosität, die mich
Tag und Nacht nicht verlief, meldete sich zum
Überdruß mein altes Augenleiden wieder. Bei
leichter Benommenheit des Kopfes legte es sich
von Zeit zu Zeit über meinen Blick wie ein
Schleier, erschwerte mir das deutliche Sehen
und brachte dadurch über mein ganzes Wesen
eine gewisse Unsicherheit, ein peinigendes
Angstgefühl.
Trotzdem dachte ich nicht daran, meine
Reise aufzuschieben. Das Wetter war ruhig
und noch durchaus herbstlich schön, trotz der
vorgeschrittenen Zeit. —
Da setzte Mittwoch Mittag ganz unvermittelt
ein eisiger Wind ein. Nach einer Stunde war
der Himmel mit blaugrauem Gewölk bedeckt.
Nach einer weiteren Stunde trat Schneefall
ein. Donnerstag schneite und tobte es weiter.
Ich hörte, daß der Eisenbahnverkehr auf ein-
zelnen Linien eingestellt worden sei. Der Frei-
tag kam, und der Schnee brach in Lawinen
vom Himmel. Der Eisenbahnverkehr stockte
nun auf allen Linien, Und ich sollte am nächsten
Tag reisen. Ich sollte? Nein, ich mußte reisen.
Um Ranin jeden Zweifel zu nehmen, sandte
ich noch am Abend eine zweite Depesche an
ihn ab, die nur die Worte enthielt: Komme
trotz Verkehrseinstellung, wie angekündigt,
morgen Samstag. Alles bereithalten!
Und der Samstagmorgen brach an. Der
Schneesturm hatte sich endlich gelegt, aber die
Atmosphäre war unruhig geblieben. Da der
Bahnverkehr, wie zu erwarten stand, immer
noch stockte, blieb mir nichts anderes übrig,
als die Fahrt im Schlitten zurückzulegen. —
Wie deutlich steht mir noch das Bild der
folgenden Ereignisse vor Augen, meine Herren!
Ja, ich sehe noch alles vor mir —: die große
weiße Troika mit den himmelblauen Kufen —
Marfa und Korso, die beiden Kosakenpferde,
pechschwarz, wild wie die Teufel, Feuer aus
den blutroten Nüstern schnaubend, als man sie
einspannte. Hell klirrten die Glocken am Ge-
stränge wie zu fröhlichster Fahrt — aber es
wurde eine Fahrt des Grauens und der Hölle,
eine Fahrt, die mich um Jahre älter gemacht
hat und meine Seele für lange in die Netze
eines furchtbaren V/ahns verstrickte.
Ich rechnete damit, in etwa fünf Stunden an
Ort und Stelle sein zu können. Die Pferde
waren vortrefflich, gut ausgeruht und für
längere Schlittenreisen von früheren V?intern
her trainiert. Ich kutschierte selbst. Wassil.
der tatarische Diener, mein einziger Begleiter,
nahm hinter mir am Rücksitz Platz.
Rasch hatten wir das Wreichbild der Stadt
verlassen. Trotz der ungeheuren Schneemengen,
die gefallen waren und auf der Ebene lasteten,
war unsere Straße, vom Sturme ausgeblasen,
deutlich zu erkennen und mühelos fahrbar.
Wrir mochten etwa drei Stunden unterwegs
gewesen sein. Da veränderte sich mit einem
Male der Himmel. Die Wolken schienen oben
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