DIE BLINDE KUH
Von Job. Benjamin Mietaelis (1746 — 1779).
Ein arger Poltergeist durchspückte
Ein altes Haus.
Um ihn nun zu verbannen, schickte
Man Zaubrer aus.
„Ach!" sprach der Geist: „ich haute Schlösser
Auf Weibertreu;
Doch meine Frau verstand es besser
Und lebte frey!
Ist nun ein Weib, die ihrem Bunde
Getreu blieb, hier;
So schickt sie um die zwölfte Stunde
Der Nacht zu mir.
Ich will ihr große Schätze geben;
Doch blieb sie’s nicht:
So räch ich auch an ihrem Leben,
Der Weiber Pflicht!"
Ein jeder Ehmann sprang vor Freude,
Dreymal empor:
Und schlug sein eignes Weib, zum Neide
Des andern, vor.
Man stritt sich lange hin und wieder.
Mit großem Zank;
Dieß schlug den Weibern in die Glieder,
Sie wurden krank.
Allein ein Mann hüllt sich geschwinde
Die Augen ein;
„Versteckt euch!" sprach er: „die ich finde.
Die muß es seyn!"
Den guten Bannern der Gespenster
V/ard ziemlich warm.
Der Mann gieng aus — durch Thür und Fenster
Zerstübt der Schwarm! —
Sein eignes Weibchen, das mit Drängen
Man überrascht.
Blieb an dem Fensterstocke hängen.
Und war erhascht.
Erst kurze vierzehn Tage hatte
Sie ihren Mann.
Doch einmal haschte sie der Gatte —
Sie mußte dran.
Man führt sie kühn bis zu der Stelle.
Hier bleibt sie stehn;
Und will um Himmel und um Hölle
Nicht weiter gehn.
Man mag es wie man will versuchen.
Sie geht nicht fort.
Der Ehmann schimpft, die Vettern fluchen —
Sie geht nicht fort.
Die Männer fangen an zu weinen.
Vor Wehmut stumm.
Kehrt jeder zu den lieben Seinen
Geduldig um.
Der arge Poltergeist bewachte
Sein Haus in Ruh.
Der Enkel hört' es und erdachte
Die blinde Kuh.
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Von Job. Benjamin Mietaelis (1746 — 1779).
Ein arger Poltergeist durchspückte
Ein altes Haus.
Um ihn nun zu verbannen, schickte
Man Zaubrer aus.
„Ach!" sprach der Geist: „ich haute Schlösser
Auf Weibertreu;
Doch meine Frau verstand es besser
Und lebte frey!
Ist nun ein Weib, die ihrem Bunde
Getreu blieb, hier;
So schickt sie um die zwölfte Stunde
Der Nacht zu mir.
Ich will ihr große Schätze geben;
Doch blieb sie’s nicht:
So räch ich auch an ihrem Leben,
Der Weiber Pflicht!"
Ein jeder Ehmann sprang vor Freude,
Dreymal empor:
Und schlug sein eignes Weib, zum Neide
Des andern, vor.
Man stritt sich lange hin und wieder.
Mit großem Zank;
Dieß schlug den Weibern in die Glieder,
Sie wurden krank.
Allein ein Mann hüllt sich geschwinde
Die Augen ein;
„Versteckt euch!" sprach er: „die ich finde.
Die muß es seyn!"
Den guten Bannern der Gespenster
V/ard ziemlich warm.
Der Mann gieng aus — durch Thür und Fenster
Zerstübt der Schwarm! —
Sein eignes Weibchen, das mit Drängen
Man überrascht.
Blieb an dem Fensterstocke hängen.
Und war erhascht.
Erst kurze vierzehn Tage hatte
Sie ihren Mann.
Doch einmal haschte sie der Gatte —
Sie mußte dran.
Man führt sie kühn bis zu der Stelle.
Hier bleibt sie stehn;
Und will um Himmel und um Hölle
Nicht weiter gehn.
Man mag es wie man will versuchen.
Sie geht nicht fort.
Der Ehmann schimpft, die Vettern fluchen —
Sie geht nicht fort.
Die Männer fangen an zu weinen.
Vor Wehmut stumm.
Kehrt jeder zu den lieben Seinen
Geduldig um.
Der arge Poltergeist bewachte
Sein Haus in Ruh.
Der Enkel hört' es und erdachte
Die blinde Kuh.
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