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Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 3.1921

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Sechstes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.29028#0133
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ein junger Bräutigam nur wünschen konnte,
und die Unruhe der Erwartung erhöhte den
Glanz ihrer Reize.
Die Tanten schwebten beständig um sie her-
um, denn jungfräuliche Tanten pflegen stets
den größten Anteil an dergleichen wichtigen
Begebenheiten zu nehmen.
Der Freiherr war nicht weniger geschäftig
in seinen Vorbereitungen. Er hatte zwar in
der Tat nicht eigentlich etwas zu tun, aber er
war von Natur ein unruhiges, geschäftiges
Männchen, das nicht untätig bleiben konnte
wenn die ganze Welt in Bewegung war.
Man hatte mittlerweile das gemästete Kalb
geschlachtet, in den Wäldern war das Jagd-
horn erklungen und in der Küche häufte sich
das Wildbret. Aus den Kellern ergossen sich
ganze Ozeane herrlichen Rheinweins, und
selbst das große Heidelberger Faß wurde in
Beschlag genommen. Alles war bereit, den
hohen Gast festlich im wahren Sinne deutscher
Gastfreundschaft zu empfangen — doch der
Gast ließ auf sich warten. Stunde auf Stunde
verging. Die Sonne, die ihre scheidenden
Strahlen auf die Wälder des Odenwaldes
ausgoß, umglänzte nur noch die Gipfel der
Berge. Der Freiherr erstieg den höchstenTurm
des Schlosses und strengte seine Augen an, in
der Hoffnung, den Grafen und sein Gefolge in
der Ferne zu erblicken. Einmal glaubte er sie
zu sehen, Hörnerklang kam schwimmend aus
dem Tal, vom Echo der Berge verstärkt. Ein
Häuflein Reiter zog weit unten langsam die
Straße daher. Doch als sie fast den Fuß des
Berges erreicht hatten, nahmen sie eine andere
W^endung. Der letzte Sonnenstrahl erlosch,
die Fledermäuse begannen schon die Däm-
merung zu durchflattern, die Straße wurde
dunkler und dunkler, doch es regte sich nichts
darauf, als ab und zu ein Landmann, der von

seinem Tagwerk heimkehrte. W7ährend man
im Schlosse zu Landschort in großer Unruhe
war, begab sich in einem andern Teil des
Odenwaldes ein merkwürdige^ Ereignis.
Der junge Graf von Altenhurg setzte seine
Reise in einem ruhigen und bedächtigen Trabe
fort, wie ein Mann zur Hochzeit reitet, wenn
seine Freunde ihm alle Beschwerden und Un-
gewißheiten der Bewerbung ahgenommen ha-
ben und eine Braut auf ihn wartet, so gewiß,
wie ein Mittagmahl am Ende seiner Reise.
Er hatte in W'urzburg einen jungen Waffen-
gefährten getroffen, Hermann von Starkfaust,
der eben vom Felde zurückkam, einen der rüstig-
sten und wackersten Ritter.
Im frohen Augenblick des V/iedersehens
erzählten sich die jungen Freunde all ihre Aben-
teuer und Schicksale. So berichtete der Graf
auch von seiner bevorstehenden Vermählung
mit einem Edelfräulein, das er nie gesehen, von
dessen Reizen er aber die hinreißendsten
Schilderungen erhalten habe.
Der Weg der beiden Freunde lag in der-
selben Richtung. Sie verabredeten, den Rest
der Reise gemeinsam zurückzulegen, und um
mehr Muße zu haben, brachen sie des andern
Tages früh auf und ließen das Gefolge des
Grafen in einigem Abstand hinter sich. Sie
verkürzten sich die Zeit durch Plaudern von
dem und jenem. Wenn aber der Graf auf seine
Braut zu sprechen kam, so schien es, als sähe
er etwas gelangweilt dem gepriesenen Glück
entgegen, das ihn erwartete.
So kamen sie allmählich in die Berge des
Odenwaldes und überschritten einen der ein-
samsten und dichtesten Waldpässe. Es ist ge-
nugsam bekannt, daß die deutschen ^Välder
ebenso von Räubern beunruhigt werden wie
die Schlösser von Gespenstern. Und in jener
Zeit waren die Räuber zahlreich, da Schwärme

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