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Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 3.1921

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Siebentes Heft (Märchen)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29028#0161
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Ursache davon. Es wäre mir daher lieb, wenn
Ihr Euch nach einer anderen Arbeit umschauen
wollet, Ihr seid ein Mann so brav als einer
im Lande und braucht um Arbeit nicht ver-
legen zu sein.“ Michael antwortete, er sei selbst
voll Kummer über die Unglücksfälle, er habe
sich auch schon Gedanken über das Kind ge-
macht, das doch einmal sein Kind sei, und für
das er also auch Sorge tragen müsse. Er ver-
sprach auch, sich alsbald nach einer anderen
Stelle umzusehen. — Demnach machte Michael
den nächsten Sonntag in der Kirche bekannt,
daß er andere Arbeit suche, und sogleich kam
ein Pächter, der in einer Entfernung von eini-
gen Meilen wohnte, zu Michael und bot ihm
Haus und Garten an und Arbeit für das ganze
Jahr. Michael schloß seinen Vertrag mit ihm,
und es ward verabredet, daß der Pächter
einen Karren senden sollte, sein bißchen Haus-
rat darauf zu laden, und dann wollte er künf-
tigen Donnerstag dort einziehen. An dem be-
stimmten Tag kam der versprochene Wagen,
Michael belud ihn mit dem Hausgerät und
stellte die Wiege, worin das Kind mit seinen
Pfeifen lag, zuletzt obenauf. Judy setzte sich
daneben, um achtzuhaben, daß es nicht her-
ausstürze. Die Kuh trieben sie vor sich her,
der Hund folgte nach, die Katze aber mußte
Zurückbleiben. Die drei anderen Kinder liefen
neben dem V/agen her. Sie mußten über
einen Fluß, der stark angeschwollen war.
Als sie die Brücke betraten, richtete sich der
Wechselbalg, der bisher ganz ruhig in seiner
Wiege gelegen hatte, bei dem Rauschen der
Wellen in die Höhe und schaute sich um.

Als er das Wasser sah und bemerkte, daß sie
im Begriff waren, darüberzugehen, so fing
er an aufzukreischen und zu ächzen. „Stille,
mein Söhnchen,“ sagte Judy, „du brauchst dich
nicht zu fürchten, wir gehen ja über eine
steinerne Brücke. — „Daßdu versauern möch-
test, altes Gerippe! rief er, „da habt ihr einen
säubern Streich gemacht, mich hierher zu
bringen. Dabei fuhr er fort zu heulen, und je
weiter sie auf der Brücke kamen, desto lauter
ward seine Stimme. Endlich gab ihm Michael,
der es nicht länger aushalten konnte, einen
tüchtigen Streich mit der Peitsche. — In dem
Augenblicke, wo der Junge den Peitschen-
riemen fühlte, erhob er sich in der Wiege,
nahm die Pfeifen in den Arm, grinste den Mi-
chael boshaft an und sprang behend über das
Geländer der Brücke in den Fluß hinab. „Oh,
mein Kind, mein Kind!“ schrie Judy, „es ist
verloren auf immer!“ Michael und die Kinder
liefen auf die andere Seite der Brücke und
sahen den Balg unter dem Brückenbogen her-
vorkommen, wie er mit kreuzweis geschla-
genen Beinen oben auf einer weißhauptigen
Welle saß und seine Pfeifen so lustig blies, als
wenn nichts vorgefallen wäre. Das Wasser
strömte heftig, er wurde gewaltsam fort-
gewirbelt, doch er spielte so schnell, ja noch
schneller, als der Strom»rann. Sie liefen zwar,
so geschwind sie konnten, neben dem Ufer mit,
aber bald verloren sie ihn aus dem Gesicht,
und keiner hat ihn je wieder mit Augen er-
blickt. — Jeder glaubte nicht anders, als daß
er zu den Seinigen, den Elfen, heimgegangen
sei, um ihnen Musik zu machen.

DER TEUFEL UND SEIN SCHÜLER
Ein wallachisches Märchen. (Mit zwei Illustrationen von Max Lei dl ein.)


in Bauer, und
zwar einer der
wenigen, denen
der Pflug etwas
Barschaft in die
Truhe gespielt
hat, verwandte
alles was er er-
warb dar auf, sei-
nen einzigenSohn
fern von sich in

einer berühmten Stadt studieren zu lassen.
Nach vollendeten Studienjahren kehrte der
Sohn heim; allein, wie es häufig geschieht,
zeigte sich bald, daß er nun wohl zu leben
verstehe, jedoch nicht ohne viel Geld. Da nun
die ganze Barschaft hinaus war, so wußte der
Vater keinen weiteren Rat, als daß der Sohn
jetzt auch den Beruf des Vaters betreiben und
mit ihm zu Acker fahren solle. Dies wollte
dem jungen Menschen aber durchaus nicht ein-
leuchten, und er tat deshalb seinem Vater den
 
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