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Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 3.1921

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Heft 11/12
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https://doi.org/10.11588/diglit.29028#0255
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zu suchen, als er plötzlich, sichtlich überrascht,
unter einem mächtigen violetten Hut mit drei
Straußfedern — Geschenke des besagten Gal-
lasch und seiner beiden Konkurrenten Leh-
mann und Ratz — in einer Sofaecke Frau Stutz-
heimer entdeckte, brillant aussehend wie ge-
wöhnlich, mit ihrer berückend üppigen Büste,
der raffiniert schmalen Habichtsnase und den
funkelndenPaillettenaugen — wahrenRevolver-
und Dynamitaugen.
Na, gnade ihm! dachte Zuschauer Gallasch!
Jetzt ist er geliefert! Und da saß er auch schon,
auf ihre Aufforderung neben ihr, ziemlich
unglücklich, mit der Weinkarte in der Hand
einem Kellner knipsend. Gleich darauf er-
schien ein Champagnerkühler, aus dem der
goldene Hals einer „Veuve Cliquot“ sich vor-
reckte.
Man speiste Suppe, Geißblattsalat, dann
Taubenpastete und Käseroulade. Anscheinend
schenkte Gallasch der Dame keine besondere
Aufmerksamkeit. Als der Kontor-Gallasch
aber unter den Tisch schielte, sah er den kleinen
hochhackigen Schuh der Dame auf dem Fuße
des speisenden Herrn stehen; und dieser zog
sich nicht zurück — nein, leider durchaus nicht.
Das Paar war nun mit der Mahlzeit fertig
und saß da und tuschelte und huschelte mit
dicht zueinandergesteckten Nasen. Aber plötz-
lich saß die Dame in ihre Sofaecke zurück-
gelehnt, mit einer mächtigen Beleidigung in
jeder Miene. Sie nahm sogar entschlossen ihre
Handschuhe vom Tische, während man das
Bein ihres Tischnachbars vergebens sich rek-
ken sah, tastend, angelnd nach den Füßchen
der Dame, die sich schnippisch unter das Sofa
verkrochen hatten. Da stand der Herr mit
einem düsteren Gesichtsausdruck auf und zog
entschlossen die Portiere des kleinen Abteils
zusammen.

Von diesem Augenblick an erhielt das Bild
etwas sonderbar Schwankendes. Besorgt sah
Gallasch seinen Doppelgänger Glas um Glas
leeren. Und plötzlich sah er ihn Versuche —
hm! ja recht ernsthafte Annäherungsversuche
mit Frau Stutzheimer anstellen. Na, schön!
Frau Stutzheimer war ja seit mehr als drei
Jahren von ihrem Manne geschieden und un-
leugbar eine schöne, nur ganz wenig angesto-
chene und für gutsituierte Gentlemen durchaus
nicht ungefährliche Dame.
Eben goß der Restaurant-Gallasch die letz-
ten Tropfen der Flasche in sein Glas. Und
mit einem Male verschleierte das Bild sich
gänzlich.
„Ich weiß nicht, was im Wege ist“, hörte
Gallasch Mahdis Stimme. „Vielleicht ist es
der Champagner, der leere Raum in Ihrem
Bewußtseinsleben, der kein Bild gibt außer
diesen haibdelirischen Halluzinationen. Ich
würde dringendst wünschen, daß das Bild
wieder klar würde!“
Und es wurde wieder klar: eine glänzend
beleuchtete Straße des großen Geschäftskorsos
hinab schritt Herr Gallasch mit Frau Stutz-
heimer am Arm. Er ging mit einer sehr ent-
schlossenen, geradezu herausfordernden Hal-
tung seines Wegs, nickte Bekannten zu, grüßte
mit einer offenen, willensfesten Miene. Und
nun — nun standen sie still. Vor einem Aus-
lagefenster standen sie und betrachteten die
ausgestellten Gegenstände — es handelte sich
wohl um ein Präsent; eine Brosche, ein Arm-
band. —
Aber die Dame ließ seinen Arm nicht los,
während sie eintraten — jetzt waren sie im
Juwelierladen —, und nun zog sie den Hand-
schuh von ihrer rechten Hand — und der
Herr tat mit einer resoluten Bewegung das-
selbe. —


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