leiste mir eine Partie Bridge mit ihm und seiner
dicken Ehehälfte. Das ist sehr einfach. Dabei
bleibt es, und somit — basta!
Er spazierte die Strafe hinab, sah rechts
wohl die Seitengasse aus dem Horoskopbilde
auf ihn lauern, ging aber ganz kaltblütig, mit
einem höhnischen Grinsen um die Lippen, an
jener vorgereckten Straßenmündung vorüber.
Um besagte Seitengasse recht gründlich zu
ignorieren, sah er im Gehen auf seine Stiefel-
spitzen hinab. So kam es, daß er erst im letzten
Moment, kaum zwanzig Ellen von sich, den
Versicherungsdirektor bemerkte, der, Strahlen
von Schnupfen- und Influenzabazillen in die
Welt hinausspeiend, des Weges humpelte, mit
dem wie ein Bootshaken gekrümmten Zeige-
finger nach dem nächsten unvorsichtigen Knopf-
loch zielend, das ihm in Sicht kam.
A. H. Gallasch hatte sogleich das sonderbar
schwindlige Blitzgefühl des genau Vorhererleb-
ten. Aber er dachte: Hier liegt offenbar eine Ver-
ahredung zugrunde. Herr Mahdi hat das sehr
geschickt arrangiert. Aber es soll nun doch
zur Lüge werden. Ich gehe direkt auf ihn zu
und nehme ihn heim Knopfloch. Unterdessen
aber liefen seine Beine mechanisch weiter,
während bei dem Gedanken, diesem!Plagegeist
für die nächsten Stunden in die Hände zu fallen,
ein eisiger Angstschweiß ihm ausbrach und
sein Herz den großen Generalmarsch des
Schreckens zu trommeln begann. Als er end-
lich innehielt, um zu verschnaufen, befand er
sich schon in Sicherheit hinter der Ecke und
schritt — ganz abweichend von seiner gewohn-
ten Route — den Boulevard dahin, denselben
Boulevard, den jene närrischen Films ihm an-
gewiesen hatten. Aber diese Bagatelle ließ
sich ja im Handumdrehen ändern. Verach-
tungsvoll drehte Gallasch sich auf dem Ab-
satz um und streifte hierbei mit dem Blick
eine mit einer Menükarte versehene Doppel-
glastüre.
Gallasch hielt mitten in der Drehung inne,
von einem Kälteschauer geschüttelt, den er sich
jedoch als Hunger deutete. Er erkannte, eigent-
lich nicht' gerade überrascht, das Restaurant
des Filmbildes, ein ganz neues Etablissement
mit mächtigen Spiegelglasscheiben und messing-
beschlagenen Flügeltüren, und trat schmerzlich
seufzend einen Schritt zurück. So sollte er
also nun, von seinem Willen gezwungen,
heroisch des Weges weiterwandern an diesem
— warum es leugnen? — so äußerst einladen-
den Etablissement vorbei? Oder sollte er hin-
eingehen? Er zählte seine Knöpfe, erhielt ein
Nein, und diese Negation hob den letzten Pro-
test in ihm auf, gab ihm ein besonderes Plus,
justament hier sein Mittagmahl zu nehmen und
dadurch der Bestimmung des Schicksals, näm-
lich der der Knöpfe, gewissermaßen erst recht
zuwiderzuhandeln.
Bedächtig trat er in die rotierende Glastüre,
schritt an einem gallonierten Portier vorbei
und—blieb, von einem heftigen Ruck erschüttert
und dennoch keineswegs überrascht, den Zy-
linder zu einem tiefen Gruße lüftend, vor einer
der ersten Separeabteile stehen, worauf er me-
chanisch, lächelnd, wie einer Hypnose ge-
horchend, dem Sofaplatz zuschritt, den Frau
Stutzheimers weißes, rundes Händchen ihm so
einladend wies.
Und von nun an war es ihm, als löse alles
sich gradweise vor ihm auf, als seien alle Zu-
fälle aus der Welt gewichen, alle Unterschiede
geschwunden. Grau wirbelten die schnurren-
den Filmbänder des Lebens an ihm vorüber.
Durch ein Netz voll Nebel und Phantomen
von sprühendem Champagnerschaum, kitzeln-
der Seide und wollüstig streifenden Händen
gelangte er nur zu einzelnen blitzartig auf-
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