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Kaulbach, Friedrich August von; Ostini, Fritz von
Fritz August von Kaulbach: Gesamtwerk — München: Franz Hanfstaengl, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.73733#0010
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Mit den bekannten, rein malerischen Mitteln erreicht das vielleicht alle paar
Menschenalter oder gar alle paar Jahrhunderte einmal ein Genie. Im allgemeinen
wird es ohne Kompromisse nicht gehen, und ohne sie kam ein van Dyck sowenig
aus wie die grossen Engländer vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts, ohne
sie haben auch die besten Maler der neueren Zeit wohl gute Bilder, aber nicht
immer gute Bildnisse schaffen können. Formkultur ist das Wesentliche in der
Erscheinung der Dame; sie stilisiert sich selbst sozusagen, und so wird auch
der Maler, der sie verherrlichen soll, weit eher durch stilistische Mittel seine
Aufgabe bewältigen können als durch konsequenten Realismus. Von einer
impressionistischen Darstellungsweise ganz abgesehen, die ja durch die Wünsche
der Auftraggeber meist schon ausgeschlossen ist. Hut ab vor dem, der diese
Wünsche unbeachtet lässt und nichts anderes malt als seinen allersubjek-
tivsten Eindruck! Er wird aber nicht oft dazukommen, sein künstlerisches
Wahrheitsgefühl an einem Auftrage zu betätigen. Er wird vielleicht ein Wege-
bahner sein wie Manet, ein Farbenkünstler, den man anbetet, aber kein Porträt-
maler, den man begehrt. Dass aber eine Porträtmalerei, die den zu Malenden
gibt, was sie wollen, die je nach Bedarf in künstlerischem Sinne repräsentativ,
weltmännisch und mit Bedeutung auch gefällig sei, dass eine solche Bildnis-
kunst immer Bedürfnis war und bleiben wird, lässt sich wohl kaum bestreiten.
Sie ist ein Ding für sich, mit ihrem eigenen Massstab zu messen. Und dass
sie keine leicht zu lösende Aufgabe stellt, dass sie ein hohes Mass an Können
und Geschmack braucht, das lehrt uns ein Blick auf die unglaublich kleine Zahl
derer, die solchen Aufgaben gewachsen sind, und auf den Erfolg derer, die sie
mit Geist und Grazie lösen.
Fritz August von Kaulbach brachte für seine Bildniskunst zwei angeborne
Vorzüge mit — den Sinn für alle vornehme Lebensform überhaupt und den
für den Adel der Linie insbesondere. Heute, wo der Nachwuchs den ganzen
Begriff Malerei einseitig nach der Farbe allein orientiert, wissen nicht allzu viele
mehr, mit welchem Jubel und welcher Bewunderung am Ende der siebziger
und Anfang der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Kaulbachsche
Zeichenkunst begrüsst wurde, jene nur wenig gefärbten Frauenköpfe in Pastell
zum Beispiel, deren leichte und feine Linienführung sich mit schärfster Reinheit
der Form einte. Als Schilderer der Frauenschönheit schuf der junge Kaulbach
Dinge, die wie Offenbarungen waren nach der glatten Konvention der über-
wundenen älteren Schule. In der Neuromantik von damals, der ja auch er
seinen Tribut zollte, war eine derartig delikate Wahrhaftigkeit nicht häufig und
selbst in seinen romantisch-anmutigen Kostümstücken steckt sehr viel mehr

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