Stadt an malerischen Motiven, an wundervollen Kirchenbauten der Gotik und
behaglichem Winkelwerk von Patrizierhäusern, alten Gässchen und Gärten hat
wohl nicht wenig dazu beigetragen, dass er zunächst selbst zum Romantiker wurde,
von einer Neigung gelockt, die ja mit ihm so viele andere gleichzeitig erfasst hatte.
Schliesslich war es nur eine natürliche Reaktion auf eine Periode des kalten aka-
demischen Pathos hin, dass die Maler wieder auf Wärme, Behaglichkeit und intime
Liebenswürdigkeit ausgingen. Da gleichzeitig wieder ein intimeres Verständnis für
die Kunst der grossen Alten lebendig geworden war — Kaulbach hat selbst nach
Beendigung seiner zweijährigen Nürnberger Lehrzeit in Dresden viel kopiert —,
entstand jene Neurenaissance ganz von selbst, deren Wiege München gewesen
ist. Friedrich August Kaulbach siedelte im Jahre 1872 endgültig wieder in
seine Geburtsstadt über, und bald gehörte der blutjunge, hochbegabte und
gewandte Maler zu den Vorkämpfern jener Bewegung, mit den Gedon, Wilhelm
Diez, Ernst Zimmermann, Löfftz, Lossow, Rudolf Seitz, mit Lenbacli und
Makart und so vielen anderen. Wir wissen heute wohl, dass die Bewegung
nach mancher Richtung hin ausgeartet ist, dass sie viele zu stilisierender Äusser-
lichkeit führte, mehr kunsthandwerkliche Neigungen in die Malerei brachte, als
heilsam war — zunächst aber bedeutete sie einen Fortschritt; denn man griff
auf gute Traditionen zurück, statt auf schlechte, gewann das gänzlich abhanden
gekommene Gefühl für Stil überhaupt wieder, und wenn wir heute ein Kunst-
handwerk mit glänzend entwickelten Techniken haben, so danken wir es in
erster Linie jener Künstlergruppe. Man braucht nur der Baukunst und der
Möbel, der kläglichen Armut aller Zierkunst überhaupt in den vorhergegangenen
Jahrzehnten zu gedenken, um das zu würdigen. Die jungen Künstler aller
Branchen, die sich damals zusammenscharten, waren »Sezession«, ganz wie
die Gruppe, die sich zwanzig Jahre später in München vom Block der übermässig
durch unproduktive Elemente angeschwollenen Künstlerschaft loslöste, und sie
wurde ganz so angefeindet wie diese. Der Sieg wurde ihnen freilich leichter;
denn was sie brachten, das empfanden auch breitere Schichten des Volkes als
Erfüllung: nach einer Zeit nüchterner Geschmacksarmut, einen stilistischen
Reichtum, der ja nicht aus erster Hand war und von Vorbildern abhing, aber
vom Alten das Gute mit Verständnis auswählte, im ganz allgemeinen eine
Kunstrichtung der heiteren Lebensfreude, die der Zeitströmung im sieghaften
aufblühenden Deutschland entsprach. Man hat oft und seit langem über die
merkwürdige Erscheinung gesprochen, dass der Zug nach Vertiefung, nach
reiner Malerkultur, der kurz vorher und schon vor dem Kriege in München
begonnen hatte, der schon ganz köstliche Früchte gezeitigt hatte, dann eigentlich
VIII
behaglichem Winkelwerk von Patrizierhäusern, alten Gässchen und Gärten hat
wohl nicht wenig dazu beigetragen, dass er zunächst selbst zum Romantiker wurde,
von einer Neigung gelockt, die ja mit ihm so viele andere gleichzeitig erfasst hatte.
Schliesslich war es nur eine natürliche Reaktion auf eine Periode des kalten aka-
demischen Pathos hin, dass die Maler wieder auf Wärme, Behaglichkeit und intime
Liebenswürdigkeit ausgingen. Da gleichzeitig wieder ein intimeres Verständnis für
die Kunst der grossen Alten lebendig geworden war — Kaulbach hat selbst nach
Beendigung seiner zweijährigen Nürnberger Lehrzeit in Dresden viel kopiert —,
entstand jene Neurenaissance ganz von selbst, deren Wiege München gewesen
ist. Friedrich August Kaulbach siedelte im Jahre 1872 endgültig wieder in
seine Geburtsstadt über, und bald gehörte der blutjunge, hochbegabte und
gewandte Maler zu den Vorkämpfern jener Bewegung, mit den Gedon, Wilhelm
Diez, Ernst Zimmermann, Löfftz, Lossow, Rudolf Seitz, mit Lenbacli und
Makart und so vielen anderen. Wir wissen heute wohl, dass die Bewegung
nach mancher Richtung hin ausgeartet ist, dass sie viele zu stilisierender Äusser-
lichkeit führte, mehr kunsthandwerkliche Neigungen in die Malerei brachte, als
heilsam war — zunächst aber bedeutete sie einen Fortschritt; denn man griff
auf gute Traditionen zurück, statt auf schlechte, gewann das gänzlich abhanden
gekommene Gefühl für Stil überhaupt wieder, und wenn wir heute ein Kunst-
handwerk mit glänzend entwickelten Techniken haben, so danken wir es in
erster Linie jener Künstlergruppe. Man braucht nur der Baukunst und der
Möbel, der kläglichen Armut aller Zierkunst überhaupt in den vorhergegangenen
Jahrzehnten zu gedenken, um das zu würdigen. Die jungen Künstler aller
Branchen, die sich damals zusammenscharten, waren »Sezession«, ganz wie
die Gruppe, die sich zwanzig Jahre später in München vom Block der übermässig
durch unproduktive Elemente angeschwollenen Künstlerschaft loslöste, und sie
wurde ganz so angefeindet wie diese. Der Sieg wurde ihnen freilich leichter;
denn was sie brachten, das empfanden auch breitere Schichten des Volkes als
Erfüllung: nach einer Zeit nüchterner Geschmacksarmut, einen stilistischen
Reichtum, der ja nicht aus erster Hand war und von Vorbildern abhing, aber
vom Alten das Gute mit Verständnis auswählte, im ganz allgemeinen eine
Kunstrichtung der heiteren Lebensfreude, die der Zeitströmung im sieghaften
aufblühenden Deutschland entsprach. Man hat oft und seit langem über die
merkwürdige Erscheinung gesprochen, dass der Zug nach Vertiefung, nach
reiner Malerkultur, der kurz vorher und schon vor dem Kriege in München
begonnen hatte, der schon ganz köstliche Früchte gezeitigt hatte, dann eigentlich
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