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Karner.
weisbar; eben so wenig die von Herzog Leopold dem Glorwürdigen
(t 1230) nach seiner Rückkehr aus dem heiligen Lande zu Klosterneuburg
nach dem Muster des heil. Grabes errichtete »capella speciosa;«. —- Den cen-
tralen Typus der Grabkirchen zeigen die zwölfeckige Kapelle zu Drüggelte
bei Soest aus dem XII. Jahrhundert, die etwa gleichzeitige Kapelle St. Mar-
tin zu Bonn (1812 abgetragen), und die achteckige heil. Grabkapelle zu
Weilburg a. d. Lahn von 1505. Die nicht sowohl mit dem heil. Grabe, als
vielmehr mit ihrer Ansiedelung neben dem Justinian-Omarischen Felsendome
auf Moriali zusammenhängende Vorliebe der Tempelherren für Rundbauten,
die sich in Frankreich und England kundgiebt, lässt sich, die achteckige
Templerkirche in Metz etwa ausgenommen, auf deutschem Boden nicht nach-
weisen.1 Als Regel darf aber gelten, dass überhaupt alle mit dem Grab- und
Reliquienkultus zusammenhängende Kapellen das ganze Mittelalter hindurch
typisch die turmartige Rund- oder Polygonform befolgen.2 Dahin gehört die
in den österreichischen Kronländern zahlreich vertretene Klasse kleiner Rund-
kapellen3 auf den Kirchhöfen, in geringer Entfernung, meist südlich neben
den Kirchen. Diese Karner (carnaria) bestehen aus einer 5,50—9,50 im
Durchmesser haltenden Rotunde mit dem Ausbau einer meist mehr als halbrun-
den, häufig erkerartig ausgekragten Altarnische auf der Ostseite, haben einen
kellerartigen, gewölbten, gewöhnlich von einer Mittelsäule gestützten Unter-
raum zur Ansammlung der Totengebeine, sindkuppelartig überwölbt und kegel-
förmig abgedeckt. Der Eingang liegt gewöhnlich nicht der Apsis gegenüber,
sondern an der Seite. Zuweilen, wie zu St. Veit, Marein, Pols in Steiermark
und Lorch in Oberösterreich, liegt der untere Raum (vielleicht aus Rück-
sicht auf den Baugrund) völlig über der Erde, und die obere Kapelle ist
durch eine äusserlich angebrachte Treppe zugänglich, so dass die Erschei-
nung dieser kleinen Bauwerke an den Typus des Grabmals erinnert, welches
sich der Ostgoten-König Theodorich, in offenbarer Nachahmung der heid-
nisch-römischen Mausoleen, unweit Ravenna, errichten liess.4 In Böhmen,
wo diese Rundbauten sehr häufig sind (in Prag allein sind drei nachge-
1 Der templerischo Ursprung der polygonen Kapellen auf der Oberen Burg zu Ko-
bern a. d. Mosel und zu Vianden im Luxemburgischen ist nicht sicher. Vergl. von
Ledebur, Leop., Allgem. Archiv. XVI, 107 u. 108.
- Ausnahmen von dieser Regel in einfach oblonger Form mit und ohne Apsis sind
freilich zahlreich, z. B. unter den österreichischen Karnern: Anzbach, Dürrenstein,
S. Michael i. d. Wachau, Gr. Pechlarn, Randegg, Winzendorf, Schladming, Eisenerz,
Mariagail und Schwaz, sonst in Deutschland Michaels-Grabkapellen zu Kaysersberg
und Zabern im Elsass, Dietkirchen, Kiedrich mit Erkerapsis, Limburg a/Lahn und
Rauenthal im ßegb. Wiesbaden, Moosburg, Ochsenfurt und Volkach in Bayern etc.
3 Vergl. Heider, Gust., über die Bestimmung der roman. Rundbauten, in den
Mitt. C.-K. I. 53. — Sacken, Ed. v., die Rundkapelle zu Mödling, ebd. III, 263. —
Ders., Rundkapellen in Steiermark, ebd. IV. 47; vergl. V, 337. — K. Lind, über
Rundbauten m. besond. Berücksichtigung der Dreikönigskap. in Tulln, ebd. XII. 146 ff.
mit 45 Holzsehn. — J. G(raus), kirchl. Centralbauten aus d. M.-A., im Kirchen-
schmuck Sekkau. I, No. 6—8 mit 2 Taf. — Atz, die alten Rundkapellen in Tirol,
Mitt. C.-K. N. F. IV, 75 f.
4 Dieses Mausoleum (jetzt S. Maria dolla Rotonda genannt) ist ein zweigeschossiger
Kuppelbau von zehneckiger Grundform: der rmtere, innerlich als gleichschenkeliges
Kreuz gestaltete Raum war olme Zweifel zur Aufnahme des Sarkophags bestimmt; zu
Karner.
weisbar; eben so wenig die von Herzog Leopold dem Glorwürdigen
(t 1230) nach seiner Rückkehr aus dem heiligen Lande zu Klosterneuburg
nach dem Muster des heil. Grabes errichtete »capella speciosa;«. —- Den cen-
tralen Typus der Grabkirchen zeigen die zwölfeckige Kapelle zu Drüggelte
bei Soest aus dem XII. Jahrhundert, die etwa gleichzeitige Kapelle St. Mar-
tin zu Bonn (1812 abgetragen), und die achteckige heil. Grabkapelle zu
Weilburg a. d. Lahn von 1505. Die nicht sowohl mit dem heil. Grabe, als
vielmehr mit ihrer Ansiedelung neben dem Justinian-Omarischen Felsendome
auf Moriali zusammenhängende Vorliebe der Tempelherren für Rundbauten,
die sich in Frankreich und England kundgiebt, lässt sich, die achteckige
Templerkirche in Metz etwa ausgenommen, auf deutschem Boden nicht nach-
weisen.1 Als Regel darf aber gelten, dass überhaupt alle mit dem Grab- und
Reliquienkultus zusammenhängende Kapellen das ganze Mittelalter hindurch
typisch die turmartige Rund- oder Polygonform befolgen.2 Dahin gehört die
in den österreichischen Kronländern zahlreich vertretene Klasse kleiner Rund-
kapellen3 auf den Kirchhöfen, in geringer Entfernung, meist südlich neben
den Kirchen. Diese Karner (carnaria) bestehen aus einer 5,50—9,50 im
Durchmesser haltenden Rotunde mit dem Ausbau einer meist mehr als halbrun-
den, häufig erkerartig ausgekragten Altarnische auf der Ostseite, haben einen
kellerartigen, gewölbten, gewöhnlich von einer Mittelsäule gestützten Unter-
raum zur Ansammlung der Totengebeine, sindkuppelartig überwölbt und kegel-
förmig abgedeckt. Der Eingang liegt gewöhnlich nicht der Apsis gegenüber,
sondern an der Seite. Zuweilen, wie zu St. Veit, Marein, Pols in Steiermark
und Lorch in Oberösterreich, liegt der untere Raum (vielleicht aus Rück-
sicht auf den Baugrund) völlig über der Erde, und die obere Kapelle ist
durch eine äusserlich angebrachte Treppe zugänglich, so dass die Erschei-
nung dieser kleinen Bauwerke an den Typus des Grabmals erinnert, welches
sich der Ostgoten-König Theodorich, in offenbarer Nachahmung der heid-
nisch-römischen Mausoleen, unweit Ravenna, errichten liess.4 In Böhmen,
wo diese Rundbauten sehr häufig sind (in Prag allein sind drei nachge-
1 Der templerischo Ursprung der polygonen Kapellen auf der Oberen Burg zu Ko-
bern a. d. Mosel und zu Vianden im Luxemburgischen ist nicht sicher. Vergl. von
Ledebur, Leop., Allgem. Archiv. XVI, 107 u. 108.
- Ausnahmen von dieser Regel in einfach oblonger Form mit und ohne Apsis sind
freilich zahlreich, z. B. unter den österreichischen Karnern: Anzbach, Dürrenstein,
S. Michael i. d. Wachau, Gr. Pechlarn, Randegg, Winzendorf, Schladming, Eisenerz,
Mariagail und Schwaz, sonst in Deutschland Michaels-Grabkapellen zu Kaysersberg
und Zabern im Elsass, Dietkirchen, Kiedrich mit Erkerapsis, Limburg a/Lahn und
Rauenthal im ßegb. Wiesbaden, Moosburg, Ochsenfurt und Volkach in Bayern etc.
3 Vergl. Heider, Gust., über die Bestimmung der roman. Rundbauten, in den
Mitt. C.-K. I. 53. — Sacken, Ed. v., die Rundkapelle zu Mödling, ebd. III, 263. —
Ders., Rundkapellen in Steiermark, ebd. IV. 47; vergl. V, 337. — K. Lind, über
Rundbauten m. besond. Berücksichtigung der Dreikönigskap. in Tulln, ebd. XII. 146 ff.
mit 45 Holzsehn. — J. G(raus), kirchl. Centralbauten aus d. M.-A., im Kirchen-
schmuck Sekkau. I, No. 6—8 mit 2 Taf. — Atz, die alten Rundkapellen in Tirol,
Mitt. C.-K. N. F. IV, 75 f.
4 Dieses Mausoleum (jetzt S. Maria dolla Rotonda genannt) ist ein zweigeschossiger
Kuppelbau von zehneckiger Grundform: der rmtere, innerlich als gleichschenkeliges
Kreuz gestaltete Raum war olme Zweifel zur Aufnahme des Sarkophags bestimmt; zu