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Gotische Kirchen in Thüringen und Sachsen.
dralen1 bietet unter allen sächsischen Kirchen allein Magdeburg den
Versuch einer Übertragung des französischen Kapellenkranzes dar,
während Halberstadt von der französischen Weise nur den Umgang
der Seitenschiffe um den Chorschlufs, sowie im Aufbau die in Magde-
burg ganz fehlenden Strebebögen angenommen hat, und Meifsen, dessen
Langhaus, wenn auch erst nach Verlassen des ursprünglich basilikalen
Planes, die deutsche Hallenform befolgt, sich mit dem einfachen Poly-
gonschlusse des ungewöhnlich langen Altarhauses begnügt: in der har-
monischen Erscheinung der Gesamtverhältnisse behauptet der Dom zu
Halberstadt unzweifelhaft den Vorrang, Magdeburg mit seinen ernsten
Formen imponiert vornehmlich durch die Masse, und Meifsen reizt
durch die malerische Lage auf hoch ansteigendem Hügel am Elbufer.
Die Pfeilerbildung ist in Magdeburg (Fig. 399 S. 271) viereckig und
noch romanisierend gegliedert, zeigt in Meifsen ebenfalls einen vier-
eckigen (schmal rechteckigen), sich aber in der oberen Hälfte leise
verjüngenden und an beiden Frontseiten reich mit Säulen und Ein-
kehlungen besetzten Kern und beruht allein in Halberstadt (Fig. 410
S. 274) auf den Regeln der französischen Gotik: Rundschafte mit
Säulendiensten, die zum Teil an den Kern nur anlehnen. Bei allen
drei Domen dehnte sich der Bau bis ins XV., selbst XVI. Jahrh. aus,
jedoch im Innern ohne Störung des einheitlichen Charakters. — Eine
schöne Nachbildung von St. Elisabeth zu Marburg erscheint in dem
nach 1280 begonnenen Hallenbau des Langhauses der Benediktiner-
kirche zu Nienburg a. d. S. mit seinen von Säulen umgebenen Rund-
pfeilern (Fig. 397 S. 270); als andere früh- und edelgotische Hallen-
bauten sind zu nennen die 1278 begonnene Aegidienkirclie zu Braun-
schweig, die Marienkirche zu Heiligenstadt, die Bauten desDeutschen
Ordens zu Mühlhausen, unter ihnen besonders die grofsartig fünf-
schiffige. Marienkirche. — Eine ganze Gruppe von Kirchen (Marien-
kirche zu Zwickau etc.), in denen die an sich nüchternen und flachen
Formen der spätesten Gotik namentlich im Innern der Gebäude zu
einer glücklichen harmonischen Wirkung benutzt sind, bietet das säch-
sische Erzgebirge dar. -— In Artern baute man die Marienkirche
1008 — 20 und in Merseburg an der Sixtikirche selbst noch 1092—94
gotisch, während am Dom zu Halle a. S. schon 1520 Renaissance-
elemente Vorkommen. In Wolfenbüttel ist die 1604—-57 erbaute
1 Eine geistvoll durehgeführte Verileichung der Dome zu Magdeburg und Halber-
stadt bat von Quast in der Zeitsclir. f. ehr. A. u. K. I, 216 f. gegeben.
Gotische Kirchen in Thüringen und Sachsen.
dralen1 bietet unter allen sächsischen Kirchen allein Magdeburg den
Versuch einer Übertragung des französischen Kapellenkranzes dar,
während Halberstadt von der französischen Weise nur den Umgang
der Seitenschiffe um den Chorschlufs, sowie im Aufbau die in Magde-
burg ganz fehlenden Strebebögen angenommen hat, und Meifsen, dessen
Langhaus, wenn auch erst nach Verlassen des ursprünglich basilikalen
Planes, die deutsche Hallenform befolgt, sich mit dem einfachen Poly-
gonschlusse des ungewöhnlich langen Altarhauses begnügt: in der har-
monischen Erscheinung der Gesamtverhältnisse behauptet der Dom zu
Halberstadt unzweifelhaft den Vorrang, Magdeburg mit seinen ernsten
Formen imponiert vornehmlich durch die Masse, und Meifsen reizt
durch die malerische Lage auf hoch ansteigendem Hügel am Elbufer.
Die Pfeilerbildung ist in Magdeburg (Fig. 399 S. 271) viereckig und
noch romanisierend gegliedert, zeigt in Meifsen ebenfalls einen vier-
eckigen (schmal rechteckigen), sich aber in der oberen Hälfte leise
verjüngenden und an beiden Frontseiten reich mit Säulen und Ein-
kehlungen besetzten Kern und beruht allein in Halberstadt (Fig. 410
S. 274) auf den Regeln der französischen Gotik: Rundschafte mit
Säulendiensten, die zum Teil an den Kern nur anlehnen. Bei allen
drei Domen dehnte sich der Bau bis ins XV., selbst XVI. Jahrh. aus,
jedoch im Innern ohne Störung des einheitlichen Charakters. — Eine
schöne Nachbildung von St. Elisabeth zu Marburg erscheint in dem
nach 1280 begonnenen Hallenbau des Langhauses der Benediktiner-
kirche zu Nienburg a. d. S. mit seinen von Säulen umgebenen Rund-
pfeilern (Fig. 397 S. 270); als andere früh- und edelgotische Hallen-
bauten sind zu nennen die 1278 begonnene Aegidienkirclie zu Braun-
schweig, die Marienkirche zu Heiligenstadt, die Bauten desDeutschen
Ordens zu Mühlhausen, unter ihnen besonders die grofsartig fünf-
schiffige. Marienkirche. — Eine ganze Gruppe von Kirchen (Marien-
kirche zu Zwickau etc.), in denen die an sich nüchternen und flachen
Formen der spätesten Gotik namentlich im Innern der Gebäude zu
einer glücklichen harmonischen Wirkung benutzt sind, bietet das säch-
sische Erzgebirge dar. -— In Artern baute man die Marienkirche
1008 — 20 und in Merseburg an der Sixtikirche selbst noch 1092—94
gotisch, während am Dom zu Halle a. S. schon 1520 Renaissance-
elemente Vorkommen. In Wolfenbüttel ist die 1604—-57 erbaute
1 Eine geistvoll durehgeführte Verileichung der Dome zu Magdeburg und Halber-
stadt bat von Quast in der Zeitsclir. f. ehr. A. u. K. I, 216 f. gegeben.