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ADOLF MENZEL

KEIN halbes Jahr ist vergangen seit der Menzelfeier, die
den achtzigjährigen Meister von einem Jubel umrauscht
zeigte, wie er kaum je einem lebenden Künstler zu Teil ge-
worden ist. Von seinem Landesherrn bis herab zum jüngsten
Akademieschüler hat sich Alles, was äusserlich oder innerlich
mit Kunst zusammenhing, vereint zu Huldigungen der zar-
testen und feinsinnigsten wie der geräuschvollsten und auf-
dringlichsten Art. Auf ein Riesenpostament von Adressen,
Ansprachen und Ehrungen wurde der kleine Mann gestellt,
zur Bewunderung für Stadt und Land. Ausstellungen seiner
Bilder, Studien und Zeichnungen, wie seiner gedruckten
Blätter boten allen denjenigen, die selber sehen wollen, Ein-
blick in das Werk eines arbeitsamen Lebens sondergleichen.
Und für das Bedürfnis jener Vielen, die es vorziehen über
Kunst zu lesen, sorgten zahllose Artikel in Tagesblättern und
Zeitschriften, sowie Broschüren und Bücher, in denen das
"Wunder gedeutet wurde. Dennoch war der Fall Menzel kein
eigentlich dankbares Thema für die jetzt mehr als je in
Schwang stehende Kunstschreiberei, die für jedes Talentchen
einen Panegyriker bereit hält. Hier gab es kein Genie mehr
zu entdecken, noch weniger zu erfinden. Menzel gehört schon
lange nicht mehr zu den Extremen, vor denen man sich zu

bekreuzen oder die man als neue Offenbarung zu beräuchern
hätte. Vor Allem hat seine Kunst so gar nichts Geheimnisvoll-
Suggestives oder Poetisch-Dämmerhaftes, das einen empfin-
dungsreichen Wortschwall auslöste oder Gelegenheit böte,
sich mit von Nietzsche erborgten Wendungen übermenschlich
zu geberden. Man wurde nüchtern bei der Erzählung dieses
Lebens, dem jeder Hauch von Künstlerromantik fehlte, und
sachlich bei der Schilderung dieser so überaus sachlichen
Kunst. Im Grunde sagten alle, die über ihn schrieben, das-
selbe, „nur mit ein bischen andern Worten." Zunächst wird
sein geistiger Stammbaum aufgerichtet, der über Chodowiecki
und Schlüter bis auf Holbein hinabreicht. Dann schildert
man, wie der Künstler schon in frühester Jugend eigenwillig
seine besonderen Wege ging, die an der Akademie vorüber-
führten, zu deren bester Zier er zählt, obwohl er ihr -weder
lernend — ein halbes Jahr Gipsklasse ausgenommen — noch
lehrend je angehörte. An seinen Erstlingswerken, der Para-
phrase eines Goethe'schen Gedichtes und den Darstellungen
aus der brandenburgischen Geschichte, wird bewundernd
hervorgehoben, dass schon der Zwanzigjährige der Coulissen-
reisserei der damaligen Malkunst gegenüber einen offenen
Blick für die Realität des Lebens hatte. Es folgen die Jahr-

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