DIE BERLINER AKADEMIE
GEDANKEN BEI DER FEIER IHRES 200JAEHRIGEN BESTEHENS
N DEN ersten kühlen,
wenig freun dlichenTagen
des Maimonats hat sich
das Fest der Berliner Aka-
demie nichts desto weni-
ger mit grosser Pracht und
in einer Fülle von Fest-
akten vollzogen. Nicht
in dem Rausch dieser Fest-
tage oder gar in der phy-
sischen Uebellaune, die
sie hinterlassen, sondern
in ruhiger Beobachtung bringt hier ein unfreiwillig Fern-
gebliebener, der dank seines Amtes der höchsten Körperschaft
der ehrwürdigen Akademie angehört, einige Gedanken über
die Entwicklung derselben, über ihre Organisation und die
Aussichten für die Zukunft, die gerade an dieser Stelle am
Platze zu sein scheinen.
Eine goldene Hochzeit, die fünfzigjährige Thätigkeit
eines mit rüstigem Alter begnadeten Mannes feiert wohl Jeder
gern mit, ohne sich viel Sorgen darüber zu machen, ob er je-
den Schritt, den der Gefeierte in der langen Zeit gethan, jede
seiner Handlungen billigen würde. So werden auch in diesen
Tagen gar Manche das Bestehen einer der ältesten Akademien
Europas jubelnd mitgefeiert haben, die sonst manche Zweifel
an ihrer Bedeutung, an ihrer vorteilhaften Einwirkung auf
die Kunst haben; ja auch mancher entschiedene Gegner jeder
Akademie wird die Feier fröhlich mitgemacht haben. Die
letzteren, fast ausnahmslos junge Künstler, sind in dieser
Gegnerschaft wohl meist nicht zu ernsthaft zu nehmen; denn
naht die Zeit, wo sie, soweit sie tüchtig sind, in die alte
Institution aufgenommen werden müssten, so bemächtigt sich
ihrer eine gewisse Unbehaglichkeit, das Gefühl ungenügender
Anerkennung; und erfolgt dann durch langsames Absterben
der Alten die Aufnahme dieser radikalen „Jungen", so er-
wachsen aus ihnen in der Regel ebenso eifrige Freunde und
Verteidiger der von ihnen als längst überlebt verschrieenen
Akademie, die sogar von Reformen nichts mehr wissen wollen.
Diesen persönlichen Aspiranzen, diesem Hass und dieser Liebe
stehe ich fern. Die folgenden Zeilen sind ausschliesslich aus
dem Wunsche entstanden, Gedanken, die sich mir in jahr-
zehntelangem Zusammenleben mit Künstlern der verschie-
densten Länder und aus der Bekanntschaft mit der Kunst und
ihren Institutionen bei der Feier unserer Akademie aufdrängen,
hier einen knappen Ausdruck zu verleihen.
Vor wenigen Tagen wurde in der Festsitzung in der
Rotunde des Alten Museums die vom Sekretär der Akademie
Hans Müller verfasste Geschichte der Berliner Akademie seit
ihrer Begründung durch den Senat Seiner Majestät dem
Könige überreicht. Das Buch wird zweifellos viel Neues
aus dem reichen Urkundenmaterial der Akademie bringen;
im Grossen und Ganzen wird es aber die bekannten That-
sachen in Bezug auf die Frage: was hat die Akademie geleistet?
nicht in wesentlich anderer Beleuchtung erscheinen lassen
können. Auch ruht der Accent dieser Frage nicht darauf,
ob die Akademie unter ihren Mitgliedern eine Reihe tüch-
C 45 B
GEDANKEN BEI DER FEIER IHRES 200JAEHRIGEN BESTEHENS
N DEN ersten kühlen,
wenig freun dlichenTagen
des Maimonats hat sich
das Fest der Berliner Aka-
demie nichts desto weni-
ger mit grosser Pracht und
in einer Fülle von Fest-
akten vollzogen. Nicht
in dem Rausch dieser Fest-
tage oder gar in der phy-
sischen Uebellaune, die
sie hinterlassen, sondern
in ruhiger Beobachtung bringt hier ein unfreiwillig Fern-
gebliebener, der dank seines Amtes der höchsten Körperschaft
der ehrwürdigen Akademie angehört, einige Gedanken über
die Entwicklung derselben, über ihre Organisation und die
Aussichten für die Zukunft, die gerade an dieser Stelle am
Platze zu sein scheinen.
Eine goldene Hochzeit, die fünfzigjährige Thätigkeit
eines mit rüstigem Alter begnadeten Mannes feiert wohl Jeder
gern mit, ohne sich viel Sorgen darüber zu machen, ob er je-
den Schritt, den der Gefeierte in der langen Zeit gethan, jede
seiner Handlungen billigen würde. So werden auch in diesen
Tagen gar Manche das Bestehen einer der ältesten Akademien
Europas jubelnd mitgefeiert haben, die sonst manche Zweifel
an ihrer Bedeutung, an ihrer vorteilhaften Einwirkung auf
die Kunst haben; ja auch mancher entschiedene Gegner jeder
Akademie wird die Feier fröhlich mitgemacht haben. Die
letzteren, fast ausnahmslos junge Künstler, sind in dieser
Gegnerschaft wohl meist nicht zu ernsthaft zu nehmen; denn
naht die Zeit, wo sie, soweit sie tüchtig sind, in die alte
Institution aufgenommen werden müssten, so bemächtigt sich
ihrer eine gewisse Unbehaglichkeit, das Gefühl ungenügender
Anerkennung; und erfolgt dann durch langsames Absterben
der Alten die Aufnahme dieser radikalen „Jungen", so er-
wachsen aus ihnen in der Regel ebenso eifrige Freunde und
Verteidiger der von ihnen als längst überlebt verschrieenen
Akademie, die sogar von Reformen nichts mehr wissen wollen.
Diesen persönlichen Aspiranzen, diesem Hass und dieser Liebe
stehe ich fern. Die folgenden Zeilen sind ausschliesslich aus
dem Wunsche entstanden, Gedanken, die sich mir in jahr-
zehntelangem Zusammenleben mit Künstlern der verschie-
densten Länder und aus der Bekanntschaft mit der Kunst und
ihren Institutionen bei der Feier unserer Akademie aufdrängen,
hier einen knappen Ausdruck zu verleihen.
Vor wenigen Tagen wurde in der Festsitzung in der
Rotunde des Alten Museums die vom Sekretär der Akademie
Hans Müller verfasste Geschichte der Berliner Akademie seit
ihrer Begründung durch den Senat Seiner Majestät dem
Könige überreicht. Das Buch wird zweifellos viel Neues
aus dem reichen Urkundenmaterial der Akademie bringen;
im Grossen und Ganzen wird es aber die bekannten That-
sachen in Bezug auf die Frage: was hat die Akademie geleistet?
nicht in wesentlich anderer Beleuchtung erscheinen lassen
können. Auch ruht der Accent dieser Frage nicht darauf,
ob die Akademie unter ihren Mitgliedern eine Reihe tüch-
C 45 B