DIE XI
BWOHL nur der Zufall die
Künstlergruppe der XI zusammen-
geführt, sind nun doch schon
fünf Jahre ins Land gegangen seit
ihrem ersten gemeinsamen Auf-
treten. Als sie beschlossen, eine
Ausstellung ihrer Arbeiten bei
Schulte zu veranstalten, hatten sie
kein Programm und keine tenden-
ziöse Absicht. Was sie dazu ver-
anlasste, war die Erkenntnis, dass
nur in kleinem Verein, in intimer
j Behaglichkeit Kunst wirklich
genossen, wirklich verstanden werden könne. Sie alle hatten
unter dem Jammer der jährlichen Bildermärkte gelitten, die
mit aufdringlicher Massenhaftigkeit alle Stimmung vernichten
und alle künstlerischen "Werte aufheben. Sie wollten unter
sich allein sein. Jeder von ihnen stellte sich mit einer kleinen
Auswahl Werke ein, die sie mit künstlerischem Geschmack
gruppierten, diskret wie in einem privaten Hause.
Als sie dann zum ersten Male auftraten, stiessen sie auf
heftigen Widerstand. Max Liebermann hatte jenes Ziegenbild
ausgestellt, das erst unlängst wieder in der Deutschen Rund-
schau mit allen Zeichen der Entrüstung gebrandmarkt -wurde,
das aber in der Münchner Pinakothek, die es erworben hat,
seinen Platz wohl behaupten wird. Man fand die Frau mit den
Ziegen und was Liebermann sonst dargeboten hatte, abscheu-
lich. Dann war ein Neuling, Ludwig von Hofmann, mit
stimmungsvollen, phantastisch angehauchten Landschaften da,
und sein eigenwilliges Wesen, die seltsame Zartheit seines
Farbensinnes, die Naivetät seines Formgefühls und die unbe-
kümmerte Freiheit seiner Formengebung, das alles genügte,
um die Menge zu ärgern. Was die übrigen der XI, Hugo
Vogel und Franz Skarbina, Walter Leistikow und Müller-
Kurzwelly, Alberts und Mosson, Schnars-Alquist, Hans Herr-
mann und Friedrich Stahl beitrugen zur ersten Ausstellung
der XI, konnte das allgemeine Urteil ebensowenig anders
stimmen. Man fand sie prätentiös, man schalt den rück-
sichtslosen Naturalismus der Einen und verwarf die phan-
tastische Ueberhebung der Andern, kurz man einigte sich
dahin: in der Kunstausstellung der XI etwas wie eine modische
Narretei zu erblicken, über die man witzeln konnte nach
Herzenslust.
Diese spezifisch Berliner Neigung, sich auf Kosten Anderer
zu belustigen, brachte zunächst den Vorteil, dass man sich
zu ihnen drängte. Bis dahin war der Schulte'sche Salon
C 49 ö
BWOHL nur der Zufall die
Künstlergruppe der XI zusammen-
geführt, sind nun doch schon
fünf Jahre ins Land gegangen seit
ihrem ersten gemeinsamen Auf-
treten. Als sie beschlossen, eine
Ausstellung ihrer Arbeiten bei
Schulte zu veranstalten, hatten sie
kein Programm und keine tenden-
ziöse Absicht. Was sie dazu ver-
anlasste, war die Erkenntnis, dass
nur in kleinem Verein, in intimer
j Behaglichkeit Kunst wirklich
genossen, wirklich verstanden werden könne. Sie alle hatten
unter dem Jammer der jährlichen Bildermärkte gelitten, die
mit aufdringlicher Massenhaftigkeit alle Stimmung vernichten
und alle künstlerischen "Werte aufheben. Sie wollten unter
sich allein sein. Jeder von ihnen stellte sich mit einer kleinen
Auswahl Werke ein, die sie mit künstlerischem Geschmack
gruppierten, diskret wie in einem privaten Hause.
Als sie dann zum ersten Male auftraten, stiessen sie auf
heftigen Widerstand. Max Liebermann hatte jenes Ziegenbild
ausgestellt, das erst unlängst wieder in der Deutschen Rund-
schau mit allen Zeichen der Entrüstung gebrandmarkt -wurde,
das aber in der Münchner Pinakothek, die es erworben hat,
seinen Platz wohl behaupten wird. Man fand die Frau mit den
Ziegen und was Liebermann sonst dargeboten hatte, abscheu-
lich. Dann war ein Neuling, Ludwig von Hofmann, mit
stimmungsvollen, phantastisch angehauchten Landschaften da,
und sein eigenwilliges Wesen, die seltsame Zartheit seines
Farbensinnes, die Naivetät seines Formgefühls und die unbe-
kümmerte Freiheit seiner Formengebung, das alles genügte,
um die Menge zu ärgern. Was die übrigen der XI, Hugo
Vogel und Franz Skarbina, Walter Leistikow und Müller-
Kurzwelly, Alberts und Mosson, Schnars-Alquist, Hans Herr-
mann und Friedrich Stahl beitrugen zur ersten Ausstellung
der XI, konnte das allgemeine Urteil ebensowenig anders
stimmen. Man fand sie prätentiös, man schalt den rück-
sichtslosen Naturalismus der Einen und verwarf die phan-
tastische Ueberhebung der Andern, kurz man einigte sich
dahin: in der Kunstausstellung der XI etwas wie eine modische
Narretei zu erblicken, über die man witzeln konnte nach
Herzenslust.
Diese spezifisch Berliner Neigung, sich auf Kosten Anderer
zu belustigen, brachte zunächst den Vorteil, dass man sich
zu ihnen drängte. Bis dahin war der Schulte'sche Salon
C 49 ö