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CORNELIA PACZKA

Cornelia Paczka gehört zu jenen tiefangelegten, ernsten
Künstlernaturen, die abgeschlossen und einsam ihren Weg
dahinwandeln, unbekümmert um Partei und Richtung der
jeweiligen Mode, dem Ziele zustrebend, das sie sich gesetzt,
und die man weder in Schulbegriffe einschachteln kann,
noch, wie es die Kunstgeschichte so gern thut, in ein Ab-
hängigkeitsverhältnis zu diesem oder jenem Planeten am
Sternenhimmel der Künste zu bringen vermag. Sie ist eben
— sie selbst, und es wäre ein ernster, einsamer Mann aus
ihr geworden, wenn sie nicht zufällig als Mädchen das Licht
der Welt erblickt hätte.

Nach ihrer eigenen Aussage wuchs sie in gänzlich un-
künstlerischer Umgebung auf, wenn sie auch von ihrem
Vater, dem bekannten Nationalökonomen Prof. Adolf
"Wagner, das leicht erregbare Gehirn erbte. Die Mutter,
selbst eine tüchtige Zeichnerin, starb schon in der frühesten
Kindheit der Künstlerin. Cornelia Wagner wuchs in Berlin
auf und wurde, da sich ihr Schaffenstrieb nicht unterdrücken
Hess, in einem der üblichen Damen-Ateliers — damals war
das Stauffer'sche in Mode — untergebracht. In der Stauffer-
schen Portraitklasse des Künstlerinnen-Vereins ward jeder
in freier, natürlicher, persönlicher Anschauung geleitet und
auf die eigenen Augen angewiesen, als auf den einzigen
Weg sich selbst weiterzuhelfen, dafern er überhaupt mit
Augen und Hand begnadet war. Der starke, instinktive
Drang Cornelias nach dem eigenen Wege fand dadurch will-
kommene Unterstützung, und schon mit 23 Jahren befreite
sich die junge Künstlerin vom Zwang der heimischen Ver-
hältnisse und ging nach Rom, wo sie sich sofort ohne tech-
nische Anleitung, nur nach dem Lalanne'schen „Traite de
la gravure ä l'eau-forte" daran machte, eine Platte von
riesigen Dimensionen zu radieren. Es soll nicht verschwiegen
werden, dass sie in ihrer Hilflosigkeit bei diesem Unterfangen
scheiterte und dass, was sie erstrebte, besser in den grossen
Studienblättern zum Ausdruck gelangte, welche jetzt das
Dresdener Kupferstichkabinett bewahrt, als in der Radierung
selbst. Aber schon der Mut, vor eine so schwere Aufgabe
zu treten, verdient Bewunderung und Anerkennung.

Die Platte war als letztes Blatt eines Cyklus aus dem
Frauenleben gedacht, dem realen und dem Seelenleben, und

stellte Maria als Trösterin und Zuflucht der Frauen dar, in
Anschluss an die Worte vom Ende des zweiten Faust-Theiles:

„Dir, der Unberührbaren,
Ist es nicht benommen,
Dass die leicht Verführbaren
Traulich zu Dir kommen."

Soweit ich unterrichtet bin, sollten es sieben visionäre
oder geträumte Stimmungsphantasien oder Bilder werden
darstellend eine Weibesseele, die glaubt sehen und erkennen
zu müssen, um eine klar bewusst, reif und organisch schaffende
Seele werden zu können. Es versteht sich von selbst, dass die
Künstlerin in diese Komposition viel selbst Erlebtes und Em-
pfundenes zu legen gewillt war, wie denn die Sehnsucht
nach einem früh verlorenen Mutterherzen und die Klage
über eine unverstandene Jugendentwickelung wie ein roter
Faden durch all ihr Denken und Schaffen geht. Aber da sie
selbst auf's Lebhafteste gegen jede sentimentale Auffassung
ihres Werkes protestiert, soll dies nur angedeutet werden.
Ausser dem Schlussblatt des Cyklus ist bis jetzt nur eine un-
vollendete Platte zum Abdruck gelangt: die Phantasie, welche
ein einsam in der Oede gehendes Mädchen auf weichere,
blumige Pfade lockt. Die übrigen Kompositionen liegen
meist nur in Studien vor, aber gerade in diesen hat die
Künstlerin die ganze Strenge und Herbigkeit ihres Wollens
und Könnens niedergelegt. Jede ihrer Zeichnungen ist von
einer geradezu stupenden Gewissenhaftigkeit in der Durch-
bildung der Form. Sie kann sich nicht genug thun der Natur
bis in die geheimsten Falten undFältchen des warm pulsieren-
den Lebens zu folgen. Alles Gefällige, Süssliche, im ge-
wöhnlichen Sinne „Weibliche" ist ihr ein Greuel, und ich
glaube nicht, dass es eine zweite Künstlerin giebt, oder vor
ihr gegeben hat, die sich so weit von den Fesseln ihres Ge-
schlechts zu befreien verstanden hätte. Sagt sie doch selbst
gelegentlich über ihren Frauen-Cyklus: „Wie fern gerückt
ist mir jetzt die Sentimentalität der Anschauung, von der mir
vielleicht im Stadium geistiger Unreife noch etwas anhaftete.
— Reif sein ist Alles!" —

Die vorwiegend graphische Veranlagung der Künstlerin,
die sich inzwischen mit dem ungarischen Maler Franz Paczka

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