AUFSCHWUNG
VON
GEORG FREIHERRN VON OMPTEDA
Immer wenn mich das ganze kleinliche Leid der Erde packt, raffe ich mich auf und
fliehe aus dem Staub des Alltags, dem Dunst der Städte, hinaus in die ewigen Berge. Und
mählich, schreitend in die stille Natur, fällt es von mir ab, wie dichte Blindheitsbinde. Klar und
offen liegt wieder vor mir, was dunkel gewesen, was mich bedrängt und mir den Blick getrübt,
was das Herz hat zusammenkrampfen machen dort unten, tief unten im Getriebe des Tages.
O diese Stunden der Enge! Wenn ich meinte, den Pfad ganz verloren zu haben!
Der Zweifel, die Not, die Einsamkeit! Einsamkeit unter Menschen! Denn viel einsamer kann
die Seele sein unter Menschen, als in ödester Natur. Wenn die Einsamkeit des Gedankens
uns überschattet und leise auf uns niedersinkt, dafs wir den Menschen an unserer Seite nicht
mehr als Bruder empfinden, sondern als gleichgültige Maschine, als fernes Wesen, uns selbst
nicht einmal mehr ähnlich.
Wenn dann der Zweifel jäh mich überrang ... an mir, am Nächsten, an Allem ... wenn
ich gar nicht mehr wufste, wie aus und ein, und eine tiefe matte Angst die Brust mir
zusammenschnürte, dann dachte ich an keinen Ausweg mehr und sah mich gefangen, wie der
Vogel, der die geöffnete Thür der Gitterstäbe nicht mehr ahnt, weil die Gewohnheit ihm
gelehrt, dafs sie geschlossen.
Und dann plötzlich wehte es mich an wie die Luft der Höhen. Plötzlich schaute ich den
Aufstieg vor mir und die Fantasie spielte mir das Gebraus der Winde vor, ich sah die Sonne
leuchten, glänzen den ewigen Schnee. Ragende Felsen türmten sich vor mir auf, wo die Luft
reiner ist und Idarer, wohin kein Laut dringt vom schweren Keuchen der Maschinen, wo der
Jammer schweigt, wo die Seele sich entladen darf von Allem, was ihr dort unten den Atem
benommen.
Dann hielt ich es nicht mehr aus, dann kam mir die Erkenntnis, dann raffte ich mich
auf und floh hinaus in die ewigen Berge. Und mit jedem Schritt nach oben wird mir freier
und leichter.
C 89 3
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VON
GEORG FREIHERRN VON OMPTEDA
Immer wenn mich das ganze kleinliche Leid der Erde packt, raffe ich mich auf und
fliehe aus dem Staub des Alltags, dem Dunst der Städte, hinaus in die ewigen Berge. Und
mählich, schreitend in die stille Natur, fällt es von mir ab, wie dichte Blindheitsbinde. Klar und
offen liegt wieder vor mir, was dunkel gewesen, was mich bedrängt und mir den Blick getrübt,
was das Herz hat zusammenkrampfen machen dort unten, tief unten im Getriebe des Tages.
O diese Stunden der Enge! Wenn ich meinte, den Pfad ganz verloren zu haben!
Der Zweifel, die Not, die Einsamkeit! Einsamkeit unter Menschen! Denn viel einsamer kann
die Seele sein unter Menschen, als in ödester Natur. Wenn die Einsamkeit des Gedankens
uns überschattet und leise auf uns niedersinkt, dafs wir den Menschen an unserer Seite nicht
mehr als Bruder empfinden, sondern als gleichgültige Maschine, als fernes Wesen, uns selbst
nicht einmal mehr ähnlich.
Wenn dann der Zweifel jäh mich überrang ... an mir, am Nächsten, an Allem ... wenn
ich gar nicht mehr wufste, wie aus und ein, und eine tiefe matte Angst die Brust mir
zusammenschnürte, dann dachte ich an keinen Ausweg mehr und sah mich gefangen, wie der
Vogel, der die geöffnete Thür der Gitterstäbe nicht mehr ahnt, weil die Gewohnheit ihm
gelehrt, dafs sie geschlossen.
Und dann plötzlich wehte es mich an wie die Luft der Höhen. Plötzlich schaute ich den
Aufstieg vor mir und die Fantasie spielte mir das Gebraus der Winde vor, ich sah die Sonne
leuchten, glänzen den ewigen Schnee. Ragende Felsen türmten sich vor mir auf, wo die Luft
reiner ist und Idarer, wohin kein Laut dringt vom schweren Keuchen der Maschinen, wo der
Jammer schweigt, wo die Seele sich entladen darf von Allem, was ihr dort unten den Atem
benommen.
Dann hielt ich es nicht mehr aus, dann kam mir die Erkenntnis, dann raffte ich mich
auf und floh hinaus in die ewigen Berge. Und mit jedem Schritt nach oben wird mir freier
und leichter.
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