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Christlieb Leberecht Fürchtegott Kumack blieb
an der Thür stehen und drehte die Mütze in der
Hand. Der Pastor nötigte ihn in's Zimmer und auf
einen Stuhl, dann fragte er, was ihm die Ehre ver-
schaffe.

Der Alte brauchte einige Zeit, zum Räuspern
und Schnäuzen, dann brach er los:

„Ich kam zu Sie, Herr Paster, und ich wollt'
ack — mir han doch heite an achten März wieder,
und da dacht'ch nur so, weil doch de Kirche keene
neien Glucken nuch ne hat, da dacht'ch, ob'ch am
Ende die Glucken schenkte, dacht'ch. — Was wür-
den Sie denn daderzu meenen, Herr Paster?"

Dem Geistlichen schien etwas in die Kehle ge-
kommen zu sein, er schluckte und würgte. Dann
trat er vor den Alten hin — der jetzt ganz schloh-
weifses Haar hatte — legte ihm die Hände auf die
Schultern und sah ihm in die Augen.

„'s is nämlich heite der achte März, Herr Paster!
Damals war's a Sunntch, als das passierte — nu Se
wissen ja! — Fünf Jahre sein's heite, Herr Paster!"

„Richtig, richtig, Kumack! Es war am Sonntag
Oculi vor fünf Jahren."

„Ees wollt'ch Sie noch befragn, Herr Paster;
wenn'ch nu die Glucken schenken thue, alle dreie,
kennt'ch hernach den Glucken Namen gähn, welche
ich wollte, oder gieht das ne?"

„Namen! Natürlich! Warum denn nicht? Das heifst,
wenn es gute christliche Namen sind, Kumack!"

„Nu, ich dacht' ock, weil's duch gerade drei
Glucken sen, und ich ha' doch drei Namen, da
dacht'ch: se kennten am Ende de Grufse „Christ-
lieb", de mittlere „Leberecht" und de dritte, was
de kleene is, „Fürchtegott" tofen. So sein nämlich
meine Namen, Herr Paster."

„Das wird sicherlich keineSchwierigkeitenmachen,
lieber Kumack! Das sind ja alles Dreies wunderschöne
Namen; die werden den Glocken nur zur Zierde
gereichen. — In Gottes Namen also! Jetzt sind
wir auf dem rechten Wege." —

So wurden denn die neuen Glocken angeschafft,
und Krummseifenbach bekam ein Glockenspiel, wie
weit und breit in der Gegend keine Gemeinde eines
besafs. Der alte Kumack erlebte die Glockentaufe
selbst nicht mehr; er starb sehr plötzlich an einem
Schlaganfall. Und so wurde sein Wort wahr, das er
ausgesprochen hatte, als er noch Alleinherrscher
war in Krummseifenbach, dafs zu seinen Lebzeiten
die alten Glocken es noch versorgen müfsten.

Der Pastor aber kam mit den Gemeindevätern
dahin überein, dafs jedes Jahr am Sonntag Oculi,
nach der Predigt, mit allen drei Glocken ein
Ehrengeläute zum Gedächtnis des Stifters statt-
finden solle.

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