AUFGABEN DER KUNSTGEWERBEMUSEEN
WIE die erste "Weltausstellung in London den Eng-
ländern die grofse Ueberlegenheit des französischen
Kunsthandwerks zu beschämender Ueberzeugung brachte,
wie diese Erkenntnis bei der englischen Regierung den Ent-
schlufs zu gründlicher und rascher Abhilfe zeitigte und zur
Begründung des South Kensington Museums führte, das
haben wir zum Teil noch miterlebt; es bleibt in dem Bewufst-
sein aller, die Kunst lieben und üben. Bei der Gleichgiltigkeit
der alten Kulturvölker gegen ihre Schätze an Erzeugnissen
des Kunstgewerbes führte dieser energische seitens der eng-
lischen Regierung unter Bereitstellung grofser Mittel gemachte
Anlauf in kaum mehr als zehn Jahren zur Anhäufung von
Schätzen im Kensington Museum, wie sie an keiner Stelle
vereinigt worden und nirgends wieder zusammenzubringen
sind. "Wie dann dieser Erfolg und der erwachende künst-
lerische Sinn, der ihn rasch förderte in den Schulen, die das
Kensington Museum neben den Sammlungen in London und
über ganz England errichtete, die Anfänge eines frischen,
tüchtigen nationalen Kunsthandwerks zeitigte: dies wurde
in Deutschland bald in einzelnen künstlerischen Kreisen
erkannt; nach und nach ist aber das Bedürfnis nach Schulen zur
Ausbildung des Kunsthandwerks und nach Museen in Ver-
bindung mit denselben bei uns geradezu Glaubenssatz der
Gebildeten geworden. Mit dem uns eigentümlichen Bedürfnis,
Alles zunächst theoretisch in Angriff zu nehmen und womög-
lich ein Dogma daraus zu machen, haben sich auch unsere
Kunstgewerbemuseen, sowie die Pflege des Kunsthandwerks in
eignen Schulen schematisch entwickelt und über Deutschland,
Deutsch-Oesterreich mit eingerechnet, eine ausserordentlich
weite einförmige Ausbreitungerhalten. "Wir sind ja nun einmal
die „Nation der Schulmeister". Kommt noch die Bureau-
kratie, sei es die der Regierung oder die der Kirche hinzu, so
wird jede frische, eigenartige Bewegung in der Schablone
erstickt. Die Aufzwängung des gothischen Kirchenbaues und
der gothischen Kircheneinrichtung in den katholischen
Kirchen, namentlich bei uns in Preufsen, hat sich eben noch
vor unseren Augen abgespielt, und wir sehen schon, wie da-
durch die künstlerische Fortbildung nach dieser Richtung in
Fesseln geschlagen wird.
Wir dürfen uns rühmen, die Engländer in der Zahl der
Schulen und Sammlungen für das Kunstgewerbe überflügelt
zu haben, während die anderen Nationen gar nicht
gegen uns aufkommen können: das wird stolz bei der
Verhandlung jedes Budgets von den Regierungs- und
Magistratstischen ausgesprochen und von den Landes- und
Städtevertretungen dankbar anerkannt. Da noch jährlich neue
C 121 D
16
WIE die erste "Weltausstellung in London den Eng-
ländern die grofse Ueberlegenheit des französischen
Kunsthandwerks zu beschämender Ueberzeugung brachte,
wie diese Erkenntnis bei der englischen Regierung den Ent-
schlufs zu gründlicher und rascher Abhilfe zeitigte und zur
Begründung des South Kensington Museums führte, das
haben wir zum Teil noch miterlebt; es bleibt in dem Bewufst-
sein aller, die Kunst lieben und üben. Bei der Gleichgiltigkeit
der alten Kulturvölker gegen ihre Schätze an Erzeugnissen
des Kunstgewerbes führte dieser energische seitens der eng-
lischen Regierung unter Bereitstellung grofser Mittel gemachte
Anlauf in kaum mehr als zehn Jahren zur Anhäufung von
Schätzen im Kensington Museum, wie sie an keiner Stelle
vereinigt worden und nirgends wieder zusammenzubringen
sind. "Wie dann dieser Erfolg und der erwachende künst-
lerische Sinn, der ihn rasch förderte in den Schulen, die das
Kensington Museum neben den Sammlungen in London und
über ganz England errichtete, die Anfänge eines frischen,
tüchtigen nationalen Kunsthandwerks zeitigte: dies wurde
in Deutschland bald in einzelnen künstlerischen Kreisen
erkannt; nach und nach ist aber das Bedürfnis nach Schulen zur
Ausbildung des Kunsthandwerks und nach Museen in Ver-
bindung mit denselben bei uns geradezu Glaubenssatz der
Gebildeten geworden. Mit dem uns eigentümlichen Bedürfnis,
Alles zunächst theoretisch in Angriff zu nehmen und womög-
lich ein Dogma daraus zu machen, haben sich auch unsere
Kunstgewerbemuseen, sowie die Pflege des Kunsthandwerks in
eignen Schulen schematisch entwickelt und über Deutschland,
Deutsch-Oesterreich mit eingerechnet, eine ausserordentlich
weite einförmige Ausbreitungerhalten. "Wir sind ja nun einmal
die „Nation der Schulmeister". Kommt noch die Bureau-
kratie, sei es die der Regierung oder die der Kirche hinzu, so
wird jede frische, eigenartige Bewegung in der Schablone
erstickt. Die Aufzwängung des gothischen Kirchenbaues und
der gothischen Kircheneinrichtung in den katholischen
Kirchen, namentlich bei uns in Preufsen, hat sich eben noch
vor unseren Augen abgespielt, und wir sehen schon, wie da-
durch die künstlerische Fortbildung nach dieser Richtung in
Fesseln geschlagen wird.
Wir dürfen uns rühmen, die Engländer in der Zahl der
Schulen und Sammlungen für das Kunstgewerbe überflügelt
zu haben, während die anderen Nationen gar nicht
gegen uns aufkommen können: das wird stolz bei der
Verhandlung jedes Budgets von den Regierungs- und
Magistratstischen ausgesprochen und von den Landes- und
Städtevertretungen dankbar anerkannt. Da noch jährlich neue
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