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jetzt und für die nächste Zeit zu steuern sucht. Auch für
die Mitarbeit der bildenden Künstler am Kunstgewerbe,
welche einen frischen grofsen Zug in dasselbe bringt und
einen eigenen Duft über einzelne Zweige desselben breitet,
würden solche grüfseren Aufgaben, wie die Ausführung ganzer
Zimmer für das eine oder andere Museum, vor Auswüchsen
hüten, zu denen die letzten Ausstellungen in Paris schon starke
Ansätze zeigten; sie würden jene kostbaren, aber kapriziösen,
für Gebrauch und Ornamentik unnützen Arbeiten verhindern,
die aus der unglücklichen Sucht unserer Zeit, immer etwas
„Neues" zu bringen, hervorgehen. Amerika bietet uns in einigen
Architekten und Dekorateuren schon die richtige Art des Zu-
sammenarbeitens und ein so eigenartiges aus den Lebensbe-
dürfnissen entstandenes Vorbild, dafs diese talentvollen Ansätze
auf deutschem Boden von den Kunstgewerbemuseen besonders
beachtet werden sollten. Denn gerade in der Vorführung des
Modernsten, in dem die Vorstände das Geniale von der
Nachahmung, aus dem rasch Vergehendem den Keim zu ge-
deihlicher Entwicklung unterscheiden müssen, liegt eine
Hauptaufgabe der Museen, und nach der Richtung haben
sich die Direktoren vor Allem zu bewähren. Dafs ein Raum,
wie ich ihn oben kurz entworfen habe, teuer sein würde,
wäre keine Entschuldigung; einzelne ganz hervorragende
Stücke des alten Kunsthandwerks kosten gelegentlich so viel

und mehr, wie eine ganze Einrichtung der Art. Auch kann
eine solche Einrichtung für mehrere Museen zusammen ge-
arbeitet und dann wechselnd von dem einen an das andere ab-
gegeben werden. Je weiter sie zugänglich gemacht werden, je
mehr sie wechseln, um so besser für ihre Wirkung. Denn jetzt
stehen jene vereinzelten Erzeugnisse fremdartig in unserer Um-
gebung, fremdartig selbst in den Museen; an ihre reiche, har-
monische Farbenwirkung, an ihre stilvolle Verwendung des
Stoffes, an einedadurch notwendige teilweisellmgestaltung un-
serer Umgebung, die uns auch mit ihren Geschmacklosigkeiten,
Mängeln und Unbequemlichkeiten lieb geworden ist, müssen
wir uns allmählich erst gewöhnen. Der Sinn mufs geweckt,
die neuen Bedürfnisse müssen von den Künstlern richtig
erfafst und, so weit wie möglich, auf nationaler Grundlage
in künstlerische Form gebracht und mit der ganzen Umgebung
zusammengestimmt werden. Dabei können unsere Kunst-
gewerbemuseen in erster Linie mitwirken, darin haben sie
eine neue, eine wirklich lebensfähige Aufgabe, die bei gutem
Willen und tüchtigen Kräften, verbunden mit einer gründ-
lichen Umgestaltung in der Aufstellung und Benutzung der
alten Schätze, wie sie oben angedeutet worden ist, nach
einigen Jahrzehnten die Kunstgewerbemuseen nicht mehr „in
den Kinderjahren" finden lassen würde.

Wilhelm Bode

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