Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
EINE HEIMSTAETTE FÜER KUNST

DAS neue Unternehmen des Herrn Bing in Paris, das im vorigen Herbst
die Pariser Presse wochenlang in Alarm versetzte, hat nun auch in
Deutschland eine abfällige Kritik erfahren. Warum neue Kunst? Wo
fängt diese an? Mit Miller, mit Monet, mit Besnard, mit KhnopfF? Das ist
der eine Vorwurf. Und der andere: die Einfachheit der Möbel sei übertrieben
und gesucht, ein neuer Kitzel für die durch Ueberfülle an Genüssen ge-
schwächten Nerven — eine neue Mode — keine neue Kunst.*)

Ein Name bedeutet gewifs nicht gar zu viel. Ob der Pan „Pan"
hiefs oder „grüne Nachtigall", das war, abgesehn von der Geschmacksfrage
gleichgiltig, und Herr Bing würde zweifellos in Verlegenheit geraten, sollte
er sagen, an welcher Stelle, bei welchem Namen die neue Kunst für ihn
beginne. Und doch liegt in dem Namen eine symptomatische Bedeutung.
Herr Bing, der grofse Meister-Kenner und Sammler japanischer Kunst, wendet
sich plötzlich ab von seiner sammelnden und registrierenden Thätigkeit, er
stellt sich mitten in den Strom der heutigen Bewegung und giebt seinen
Geschmack und seine Kenntnisse in den Dienst der heute schaffenden Kräfte.

Das giebt zu denken.

Die Zeit des Sammeins und Schachteins hat aufgehört. Die Kästen
sind voll, die Register geordnet; jedes Schränkchen, jeder Stuhl, jeder Fetzen
Tuch befindet sich fein säuberlich an seinem Platz und erzählt von dem
Können und Empfinden seiner Zeit. Japan bildet das Schlufsstück zu dieser
Sammlung. Nun ist Alles zusammengetragen, was frühere Zeiten und Kulturen
hervorgebracht haben an Kunst und Kunstgewerbe. Wo nun hin, wenn
man sich nicht genügen lassen will an dem Bewufstsein, wie herrlich weit
es Andere ihrerzeit gebracht?

Hier mufste der Umschwung einsetzen.

Man besann sich, dafs es wichtigere Aufgaben gäbe, als in den Schränken
der Vorfahren zu kramen; man lernte von Neuem, dafs jeder Generation ihre
eigenen und neuen Aufgaben gestellt werden, und dafs grofs nur die Zeiten
waren, die ihren eigensten Empfindungen eigenen Ausdruck zu verleihen im
Stande waren.

Das war keine Modesache, keine Laune, am wenigsten Müdigkeit.

Müde nur war man geworden einer dekorativen Kunst, die tausend-
mal Gesagtes nachplapperte, weil sie selbst nichts Neues zu sagen hatte. Und

*) Vgl. Kunstchronik VIII. Jahrgang No. 23. Verlag von E. A. Seemann in
Leipzig; „Bing's Part nouveau" von O. Feld, Paris.

C 128 ])
 
Annotationen