Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ich fürchte, wir werden damit anfangen, die einzelnen
Möbel und Gerätschaften zu kopieren. Die grofse Berliner
Gewerbeausstellung hat gezeigt, welche grauenhaften Ver-
wüstungen der unverstanden kopierte englische Geschmack
angerichtet hat. Darin liegt bei uns das Uebel, dafs wir dem
Tapezierer, dem Tischler die Sorge für die „stilvolle" Ein-
richtung unserer Häuser überlassen. Hier gilt es Wandel zu
schaffen, und darum sollten wir hier einmal ernsthaft nach-
ahmen; nicht die Ausführung, sondern die Idee als solche;
wir sollten suchen, eine ähnliche Heimstätte für die Ziele
unserer Künstler in Deutschland zu schaffen. Zur Ehren-
rettung Deutschlands mufs gesagt werden, dafs der Gedanke
einer solchen Einrichtung sowohl in Hamburg, als in Berlin
aufgetaucht ist und ernstlich beraten wurde, lange bevor er
iii Paris zur Ausführung kam. Aber es ist ein weiter "Weg
vom Gedanken zur That, und uns fehlte der Bing, der in
einer Person den Grofskapitalisten, den Geschäftsmann und
den feinen Kunstkenner vereinigte. Und doch brauchen gerade
wir eine solche Einrichtung so dringend. Dafs wir in Deutsch-
land noch am wenigsten berührt worden sind von dieser
neuen Bewegung, liegt nicht an dem Mangel an geeigneten
Künstlern — jeder Kenner neuerer deutscher Kunst weifs,
welche Fülle grofser ornamentaler Begabungen brach liegen —
es liegt an dem Mangel geeigneter Aufträge; an dem Mangel
einer Stätte, die jeder Schaffende frei wüfste für die freie
Entfaltung seiner Gedanken. Gewifs stellen die jährlichen
Kunstausstellungen ihre Räume auch diesem Zweck gern zur
Verfügung, nachdem das Champ de Mars seit 18 9 i mit gutem
Beispiel vorangegangen ist; aber die kleinen Gegenstände ver-
krümeln sich in den grofsen Sälen, sie werden nicht genügend

beachtet; sie wandern zurück in ihre Ateliers und haben ihren
Zweck verfehlt. Eine so junge, keimende Bewegung bedarf
einer starken, zusammenfassenden Hand, die Alles an einer
Stelle vereinigt: da wird dann dem schaffenden Künstler die
Gewifsheit werden, dafs seinen Sachen die gebührende Be-
achtung geschenkt wird und eine Fülle von Beziehungen
zwischen den Gebenden und den Nehmenden wird sich
entwickeln. Berlin sollte sich auf diesem Gebiete die Führer-
rolle nicht entgehen lassen. In Hamburg arbeitet der einmal
gefafste Gedanke weiter und auch in Dresden ist ein so
reger, belebter Sinn für das Werdende in der Kunst einge-
zogen, dafs Berlin zusehen mag, dafs es nicht nachhinkt.
Vom praktischen Gesichtspunkt aus ist solcher Salon wohl
auf die Dauer nur haltbar in Berlin, wo das kaufkräftigste
Publikum vorhanden ist. Sollte nicht' ein Freund unserer
nationalen Entwicklung sich bereit finden lassen, ein solches
Unternehmen zu beginnen ? Ein kunstverständiger Leiter wäre
schnell gefunden; der die Aufgabe sich stellen müfste, nicht
blind zu importieren aus England, aus Holland, aus Frank-
reich, — sondern unsern deutschen Künstlern Aufträge zu
erteilen, und ihnen die Zuversicht zu geben, dafs alles
ernsthafte neue Wollen auch einer ernsthaften Würdigung
gewifs wäre.

Und sollte jemand meinen, dafs in unsern Künstlern die
Kraft dazu nicht vorhanden sei, so wollen 'wir ihn daran
erinnern, dafs es ein deutscher Künstler war, Prof. Koepping-
Berlin mit seinen in Form und Farbe neuen Gläsern, der
bei der Eröffnung von L'art nouveau in Paris den unbe-
strittenen Meisterschaftserfolg hatte.

E. Frhr. v. Bodenhausen

C 130 D
 
Annotationen