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IE Zustände in Dresden bieten ein
sehr klares und in mehr als einer
Beziehung eigenartiges Bild des Zu-
sammenwirkens der mannigfachen
Faktoren, die das künstlerische
Leben in unsrer Epoche beeinflussen.
Im vergangenen Jahrhundert
kamen neben dem Künstler als Pro-
duzenten und dem Fürsten und

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keine anderen Mächte in Betracht aufser der Kirche und bis
zu einem gewissen Grade der Stadtverwaltung. Nach der Re-
volution trat die Kirche als lebendige Kraft zurück, und wie
der Palast des Fürsten, der einen Mikrokosmos alles künst-
lerischen und kulturellen Lebens gebildet hatte, in seine Be-
standteile Theater, Oper, Konzerthaus, Gemäldegalerie, Sculp-
turensammlung, ,Gewerbemuseum, Kulturmuseum, "Waffen-
sammlung, Naturhistorisches Museum, Völkermuseum u. s. w.
aufgelöst wurde (womit der Anstofs zur Bildung einer grofsen
Zahl neuer, dem vergangenen Jahrhundert unbekannter Bau-
organismen gegeben war) so teilte sich auch die ästhetische,
kritische und volkswirtschaftliche Funktion des Hofes und
wurde vielen verschiedenen Schultern aufgeladen, dem Staat,
seinen Anstalten und seinen Beamten, den Kunstvereinen, den
Sammlern, der Presse, sogar dem Kunsthandel.

Langsam haben sich diese neuen Mächte entwickelt. Die
meisten sind auch heute noch nicht soweit, dafs sie sich nach
der Qualität ihrer Leistungen ebenbürtig neben den Fürsten
und seinen Hof stellen dürften. So hat z. B. der moderne

Staat mit seinen Bauten, Monumenten und Anlagen noch bei
weitem nicht soviel Glück gehabt, wie der Fürst der ab-
solutistischen Epoche, und die Ursache ist nicht weit zu
suchen: er ist noch kein Bauherr, der seine Sache versteht.

Wie sich die künstlerischen Dinge seit den Befreiungs-
kriegen in Dresden entwickelt haben, ist in den äufsern Um-
rissen bekannt genug. Um 1880 war die Epoche, in der
Dresden eine bestimmende Macht des künstlerischen Lebens
in Deutschland bedeutete, im Grofsen und Ganzen vorüber.
Die Führer waren gestorben oder sie waren, bis auf einen
oder zwei, mit ihrer Kraft und ihrem Leben am Ende.

Die ersten Boten des neuen Lebens, das unterdes in andern
deutschen Kunststädten erwacht war, pochten um diese Zeit
an Dresdens Thore. Dafs die Vertreter der Dresdener Kunst,
ihre Schüler und die in ihren Traditionen erwachsene
Dresdner Gesellschaft sie nicht mit Jubel empfangen konnten,
liegt auf der Hand. Auch in Dresden wiederholte sich dann
das Mifsverständnis, dafs nun mit einem Male Alles, was bis
dahin gegolten hatte, abgethan, dafs nun nichts mehr als
gerade das Neueste zu Gemüt gehen sollte, und der Kampf
war da, wie überall.

In der kurzen Zeit, die seither verflossen, hat sich die
Situation gewaltig verschoben. Grollende Alte sind immer
noch da, aber neben ihnen ist ein junges Geschlecht heran-
gewachsen, das für seine neuen Ideale wirkt und wirbt.

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