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FRIEDRICH NIETZSCHES MUSIK

IE Musik war für Nietzsche die Kunst seiner
Jugend. Auf früheste kindliche Kompositions-
Versuche folgten in den Gymnasialjahren
ernste autodidaktische Studien nach Albrechts-
berger'sLehrbuch;kirchlicheMusikimstrengen
Stil: Motetten, eine Messe, ein "Weihnachtsoratorium (beide
orchestriert) waren deren Frucht. Allerlei Klavierstücke
zeigen die wechselnden Einflüsse seiner musikalischen Ent-
wicklung ; die Eindrücke der Lisztschen Orchesterwerke rufen
eine Programm-Rhapsodie „Ermanarich" hervor; die Klavier-
lieder sind dem Volksliede und Robert Franz verwandt. Als
Nietzsche die Universität bezieht, hat er in früher Selbst-
erkenntnis dem Gedanken an eine musikalische Laufbahn
entsagt, fährt aber fort, die besten Stunden edlen Mufse
seiner Lieblingskunst zu weihen. In Bonn entstehen seine
eigensten, reifsten Lieder: Ende 1864 ein Cyklus nach Ge-
dichten Chamisso's und Petöfy's, und Anfang Juli 1865 sein
letztes Klavierlied, die „Fischerin", dessen Text er als Sekun-
daner im Sommer 1862 gedichtet hatte. Auf seine Jugend-
kompositionen zurückblickend schreibt er 1874: „Es bleibt

mir ewig sonderbar, wie in der Musik die Unveränderlichkeit
des Charakters sich offenbart; was ein Knabe in ihr ausspricht,
ist so deutlich die Sprache des Grundwesens seiner ganzen
Natur, dafs auch der Mann daran nichts geändert wünscht

— natürlich die Unvollkommenheit der Technik abgerechnet."

— Auch in den ersten Baseler Jahren gehören die Oster- und
"Weihnachtsferien meistens der Musik. Es entstanden Ent-
würfe zu Orchesterwerken, die aber nur in zwei- und vier-
händigem Klaviersatz ausgeführt wurden: „Nachklänge einer
Sylvesternacht", die „Manfred-Meditation", die „Monodie"
und seine heroischeste Musik, der „Hymnus an die Freund-
schaft" (1874), ein von Chorgesang dreimal unterbrochener
Instrumentalsatz. Im Sommer 1875 schrieb er in den „seltensten
Stunden" einen „Hymnus an die Einsamkeit" nieder: er „will
sie in ihrer ganzen schauerlichen Schönheit fassen". Dann
läfst ihn sein Leiden verstummen. Es ist nur ein Nachklang
früheren Schaffens, wenn er 1 8 8 2, im Sommer der „Fröhlichen
Wissenschaft", die Melodie des Freundschafts-Hymnus zum
vierstimmigen Chorsatze des „Hymnus an das Leben" umformt.

Fr. Koegel

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