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seine ärgste Manier noch hat vor andern Manieren das voraus,
dafs sie nicht als mifsverständliche Nachahmung fremder
Kunst gedeutet werden kann.
Cranach copierte Niemanden,
wenn nicht sich selbst. Aber
Copie bleibt Copie.

Der weltgewandte Holbein
fand von Augsburg und Basel
aus leicht den Weg zum Allge-
meinen, zum Westlichen, zumal
da er bereitwillig von seiner
Stammesart, selbst von seiner
Nationalität opferte. Dürer
blieb wohl Franke und Nürn-
berger, nicht aber, ohne die
Heimat zu erhöhen und geistig
zu vergrössern in weiten
und tapfern Eroberungszügen.
Cranach hat sich begnügt und
beschieden in der ummauerten
Enge der neuen Heimat, ja seine
Kunst ist immer provinzieller,
immer sächsischer, immer be-
engter geworden mit den Jahr-
zehnten.

Wissend ward der Maler
in Sachsen, er afs vom Baume
der Erkenntnis und wurde aus
seinem Waldparadiese ver-
trieben. Nun wollte er etwas
Bestimmtes, nicht nur als
Bürger und Christ, sondern
auch als Künstler. Mit seiner
Kunst wollte er den Refor-
matoren gefallen, den gelehrten
Wbrtdeutern und dem Hofe.
Der Freund Luthers, der treue
Diener der sächsischen Dynastie,
der Wittenberger Bürgermeister
scheint seine Innerlichkeit,
seine Sittlichkeit dem gemeinen
Besten und dem reinen Glauben
so ganz und gar hingegeben zu
haben, dafs für die Kunst
nicht viel mehr übrig blieb, als
rasche Routine und handwerks-
mäfsige Solidität. Cranach
wurde freundlich, städtisch
und höfisch, er gewöhnte sich
liebenswürdige Geberden an
und klaren Vortrag. Manch-
mal wird er beleidigend ver-
ständlich. Seinem Publikum
hat er damit genug gethan und
reichen Dank und Ruhm ge-
erntet. Heute vermag er damit
weniger zu bieten. Der Arg-
wohn stellt sich ein, er habe
jene Eigenschaften nur mit
dem Verlust der künstlerischen

Wahrhaftigkeit annehmen können. Statt Grazie sehen wir
Geziertheit und Tanzmeistereleganz. Seinen rotwangigen

Dirnchen steht weder der reiche Putz noch das ceremonielle Gebahren. Auch in der
wirrsten Vorstellung der Frühzeit war Stil, in dem kahlen und klaren Nebeneinander
jetzt ist Manier. Die gährende Jugendlichkeit hat sich nicht zu ernster Männlichkeit er-
klärt} eine fatale Mischung von Kinderart und Greisentum blickt uns pedantisch an.

Bildnisse der Reformatoren und der sächsischen Fürstlichkeiten gehen aus Cranachs
fleifsiger Werkstatt hervor. In übergrofser Zahl sind sie erhalten, verschieden an Wert.

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