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ANADYOMENE

Eine Welt verging des Traumes,
— Alles wieder, wie es war —
Wenn ich mir die Perlen Schaumes
Kämme aus dem goldnen Haar.

In der Tiefe trübem Scheine
Ich den Bruder früh verlor,
Aber neu und göttlich reine
Steig ich an die Welt empor.

Nein, ich habe keinen Schatten
Für das dämmernde Phantom
Deiner Seele dir zu gatten
In dem ewig neuen Strom.

Bin das Leben, bin die Liebe,
Die ich ewig war zuvor —
Siegend aus der bleichen Trübe
Steig ich an die Welt empor.

VERWESUNG UND FLAMME

Hüllt die Toten in das Kleid der Erde,
Dafs vom Boden sie ein neues Werde
An das Licht der Auferstehung rufe,
Höher steigend auf der goldnen Stufe.

„Wollt ihr des Gesetzes Früchte kosten,
Eure Toten richtet ihr nach Osten,
Dass sie mögen auf den ewigen Auen
Grosser Tage Sonnenaufgang schauen.

Wird die Erde von dem Schutt gereinet,
Milder Sonne Lebenstag erscheinet,
Und ich werde gütig den Verwegnen
Noch mit tausend Herrlichkeiten segnen.

Rufe euch zu Zeugen eures Wertes
Mit dem Feuerzauber meines Herdes,
Dafs die Flamme rohem Stoff entsiegelt
Aufwärts atme feuergoldbeflügelt.

Meine Lampen sollt ihr füllend speisen,
Mich die Nacht der Nächte selig preisen
Und im Abglanz ihrer Feuerbronnen
Sehn das Gleichnis meiner Himmelswonnen.

In der Flamme goldnem Auge leset:
„Nacht ist Alles; was da ist, verweset,
Dafs es immer wieder sich aufs neue
Nachtentrungner Tagesklarheit freue."

Ludwig B. Derleth

(I 217 ])

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