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GLUECK

Ich war krank: durch Wochen lag ich im Fieber. Das ist nun vorbei.
Nur ein Gefühl tiefer süfser Mattigkeit ist mir davon geblieben.

Heute früh hat man mir Blumen geschickt: bunte leuchtende, eine ganze
Menge. Von zu Haus.

Jetzt ist's kühler Abend und die Dämmerung sehr still und friedlich.
Aus meinen Kissen heraus schau ich in die duftenden Blüten.

Und es ist als trügen sie mich fort auf ihrem leisen sehnsüchtigen Atem.

Fort, weit fort, wo sie gestanden sind, die blauen Genzianen, im goldenen
Sonnenschein. Kurzes keimendes Gras wächst daneben und helle Hundsveilchen.
Und dann — ein ganz roter Fleck, mitten drin in der Wiese! Wenn man
näher kommt, sind es zahllose kleine tiefrosige Sterne auf schlanken Stengeln:
weiche Mehlprimeln, die würzig riechen nach Alpenerde und Alpenwasser.

Steil steigt der grasige Hang auf. Und blau, tief blau, wolkenlos und
wundersam hoch in seiner blauen Unendlichkeit wölbt sich der Himmel darüber.

Wie wir rasch atmen vom scharfen Steigen!

Dem blauen Himmel zu: immer näher! Und: — wer der Erste oben
ist? Du lachst mir schon zu und breitest die Arme aus, und jetzt komm'ich
dir nach, Hände und Hut und Gürtel voll Blumen.

Wie deine Augen glänzen, und die Sonnenstrahlen in den Thauperlen!
Und wie reich und frei und grofs wir da oben stehn, — wir zwei, unter'm
wundersam hohen, wolkenlos blauen Himmel.

Im andern Glase stehn meine Wasserpflanzen: zarte Sumpfgräser und
rosa Baldrian und runde, goldgelbe Butterblumen.

Und wie's immer dämm'riger wird im Zimmer, wachsen die feinen
Gräser, werden lange schlanke Schilfhalme, und wachsen in den matten

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