DIOGENES
EIN KOMOEDIEN-FRAGMENT
FESTGEMACH DER ASPASIA
Aspasia und Lais; Alkibiades, mit Rosen bekränzt, Nikias, Alkamenes und Euripides, alle mit Blumenkränzen geschmückt, liegen an
der Tafel. Musizierende Tänzerinnen und Sklaven.
PROTEUS
tritt von rechts ein und meldet der Aspasia:
Der Tag, o Herrin, steht vor deiner Thür.
ASPASIA
Ich mag ihn nicht empfangen — schick ihn fort! —
Und schliefs die Läden, schliefse Thür und Fenster I
Ich bin für solche Leute nicht zu Hause,
für Sonnen nicht und für Verräter nicht —
Aspasia will die Nacht und nur die Nacht.
Weckt alle Lichter, schüret jede Flamme,
unheilig ist des Tages roher Schein . .
Wir wollen diese Nacht an jene knüpfen,
an jene letzte, die uns schmeichelnd lockt.
PROTEUS
Auf deiner Schwelle, Herrin, sitzt die Not,
ein Bettler, der vor Hunger sterben will.
LAIS
Was sagst du? Kann man denn vor Hunger sterben?
ASPASIA
Man stirbt ja nur an Uebersättigung,
an langer Weile — keine andre Not
kennen wir Glücklichen — wir Allerärmsten.
Beneidenswert ist dieses arme Volk,
das so voll Wunsch und Gier den Tag durchlebt.
Proteus auf einen Wink ab.
Doch ihr — umdrängt von jeglichem Genuss —
von Allem, was am Leben reizt, umworben —
ihr seid nicht hungrig mehr — ihr seid gesättigt.
Sie springt auf.
Auf] Spielt und singt und füllt aufs neu die Schalen,
kurz ist das Leben nur —seis denn voll Lust!
Die Harfen erklingen, die Sklaven rühren sich.
Ha! Ha! Bleich sitzt ihr da und stumm und müde.,
beim Zeus, ich fürchte mich vor eurem Gähnen,
ihr schreckt mich — starrend wie des Lebens Larve,
was ist euch denn —• was habt ihr — seid ihr tot?
ALKIBIADES
Wenn ich von mir für Andre reden darf,
so hast du selbst den Bann auf uns gelegt,
den Bann des Schweigens und des müden Mutes.
Auch diese Nacht verrann im Festesrausche,
im Haus der Schönheit — aber unberührt,
hältst du dich fern von uns — kein warmer Blick
Hess Hoffnung aus erregter Brust erstehn;
wir sehnen uns umsonst nach jener Gunst,
mit der vordem du Perikles beglücktest.
C 223 3
EIN KOMOEDIEN-FRAGMENT
FESTGEMACH DER ASPASIA
Aspasia und Lais; Alkibiades, mit Rosen bekränzt, Nikias, Alkamenes und Euripides, alle mit Blumenkränzen geschmückt, liegen an
der Tafel. Musizierende Tänzerinnen und Sklaven.
PROTEUS
tritt von rechts ein und meldet der Aspasia:
Der Tag, o Herrin, steht vor deiner Thür.
ASPASIA
Ich mag ihn nicht empfangen — schick ihn fort! —
Und schliefs die Läden, schliefse Thür und Fenster I
Ich bin für solche Leute nicht zu Hause,
für Sonnen nicht und für Verräter nicht —
Aspasia will die Nacht und nur die Nacht.
Weckt alle Lichter, schüret jede Flamme,
unheilig ist des Tages roher Schein . .
Wir wollen diese Nacht an jene knüpfen,
an jene letzte, die uns schmeichelnd lockt.
PROTEUS
Auf deiner Schwelle, Herrin, sitzt die Not,
ein Bettler, der vor Hunger sterben will.
LAIS
Was sagst du? Kann man denn vor Hunger sterben?
ASPASIA
Man stirbt ja nur an Uebersättigung,
an langer Weile — keine andre Not
kennen wir Glücklichen — wir Allerärmsten.
Beneidenswert ist dieses arme Volk,
das so voll Wunsch und Gier den Tag durchlebt.
Proteus auf einen Wink ab.
Doch ihr — umdrängt von jeglichem Genuss —
von Allem, was am Leben reizt, umworben —
ihr seid nicht hungrig mehr — ihr seid gesättigt.
Sie springt auf.
Auf] Spielt und singt und füllt aufs neu die Schalen,
kurz ist das Leben nur —seis denn voll Lust!
Die Harfen erklingen, die Sklaven rühren sich.
Ha! Ha! Bleich sitzt ihr da und stumm und müde.,
beim Zeus, ich fürchte mich vor eurem Gähnen,
ihr schreckt mich — starrend wie des Lebens Larve,
was ist euch denn —• was habt ihr — seid ihr tot?
ALKIBIADES
Wenn ich von mir für Andre reden darf,
so hast du selbst den Bann auf uns gelegt,
den Bann des Schweigens und des müden Mutes.
Auch diese Nacht verrann im Festesrausche,
im Haus der Schönheit — aber unberührt,
hältst du dich fern von uns — kein warmer Blick
Hess Hoffnung aus erregter Brust erstehn;
wir sehnen uns umsonst nach jener Gunst,
mit der vordem du Perikles beglücktest.
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