hohen Friedenfürsten. Er vermählet uns mit Gott-
Christus, und durch ihn gehen wir ein in die lachen-
den, von det Sonne ewiger Glückseligkeitbeschienenen
Gefilde. Was kann es Herrlicheres geben, als ab-
berufen zu werden in eine bessere — in die himm-
lische Welt?"
„Aha!" dachte ich. Und als der letzte Kirchen-
stuhl geklappt hatte, als der Küster den Schlüssel
zur Klingelbeutellade abgedreht, und der Geistliche
nun auch aus der Sakristei trat und über den
Kirchhofweg die Schritte nach Hause lenkte —
Sonne war ringsum, Leben und Auferstehung in
der Welt — packte ich ihn hinterrücks an, schüttelte
ihn in Fieber und bereitete so vor, was er selbst
als höchstes Glück gepriesen hatte.
Aber da flogen seine Hände zusammen, und
während er voll Not und Eile und Angst dem
Pfarrgebäude zustrebte, flüsterte er:
„O, ewiger, einziger Gott, hilf mir! Nimm
von mir das fürchterliche Uebelbefinden. Was
hast Du mit Deinem sündigen Knecht vor? Willst
Du den Ernährer seiner Familie entreifsen, sie in
Kümmernis und Verderben stürzen? Lafs mich
leben! So grofse Aufgaben liegen mir noch ob!
Ich kniee vor Dir im Staube!"
„Geh!" dachte ich und entwich. „Aber lerne
daraus, wie sträflich es ist, mit dem Allerheiligsten
zu spielen." —
„Und noch ein letzter Fall von den tausenden
und abertausenden!" schlofs der Tod und schenkte
dem bei seinen Berichten nachdenklich gewordenen
Schlaf den Rest aus der Flasche ein:
„Ich hörte eine Stunde später, als ich wiederum an
dem Bette eines jungen Kranken stand, der so sehn-
suchtsvoll nach mir gerufen, dafs der Arzt sagte:
„Ja, mein lieber Freund! Ich fühle mit Dir!
Ich weifs, welche furchtbare Qual Du leidest! Aber
was Du verlangst, darf ich nicht gewähren. Ich
kann Dir kein Pulver und keine Pille reichen, die
Dich erlöst." —
„Ich bitte, ich flehe Dich dennoch an!" hauchte
der Kranke. „Du thust ja das gröfste Gotteswerk,
einen so furchtbar leidenden Menschen, wie mich,
zu befreien! Kann's ein Vergehen sein, da Du selbst
sagst, dafs ich unrettbar dem Tode verfallen sei!?"
Aber der Arzt schüttelte den Kopf.
„Ich kann nur eines, mein teurer Freund! Hier
ist ein Schlafmittel. Nimm davon drei Pillen, so
wirst Du wenigstens vorübergehend der Schmerzen
enthoben! Aber nicht mehr! Beachte wohl! Nimmst
Du gar die dreifache Anzahl, so —"
Und er ging, und ich stellte mich an's Fufsende
des Bettes und wartete, wie viele Pillen er nehmen
werde.
Und er griff auch nach der Schachtel und liefs
neun Pillen in seine zitternde Hand gleiten; auch
rückte er ein Glas mit Wasser näher, das er trinken
wollte zum leichteren Verschlucken der Arznei.
„So! Endlich einer, der mich liebt!" flüsterte ich.
Doch —
Nach bebendem Besinnen schluckte er drei
Kügelchen hinunter — das dritte gar schon zögernd,
bedenklich — lehnte sich zurück in die Kissen und
wartete statt — meiner — Deiner, mein Bruder
Schlaf."
„Und ich kam! Ja! Ich erinnere mich," fiel
der Schlaf bestätigend ein.
„Und jener Mann, ich weifs es, lebt heute noch
unter tausend Qualen und —"
„Und fürchtet nichts mehr, als mich! Ja, ja!"
schlofs der Tod, den Satz beendend, und ein stilles
Lächeln flog über sein Angesicht.
LEO PROCHOWN1K
35*
Christus, und durch ihn gehen wir ein in die lachen-
den, von det Sonne ewiger Glückseligkeitbeschienenen
Gefilde. Was kann es Herrlicheres geben, als ab-
berufen zu werden in eine bessere — in die himm-
lische Welt?"
„Aha!" dachte ich. Und als der letzte Kirchen-
stuhl geklappt hatte, als der Küster den Schlüssel
zur Klingelbeutellade abgedreht, und der Geistliche
nun auch aus der Sakristei trat und über den
Kirchhofweg die Schritte nach Hause lenkte —
Sonne war ringsum, Leben und Auferstehung in
der Welt — packte ich ihn hinterrücks an, schüttelte
ihn in Fieber und bereitete so vor, was er selbst
als höchstes Glück gepriesen hatte.
Aber da flogen seine Hände zusammen, und
während er voll Not und Eile und Angst dem
Pfarrgebäude zustrebte, flüsterte er:
„O, ewiger, einziger Gott, hilf mir! Nimm
von mir das fürchterliche Uebelbefinden. Was
hast Du mit Deinem sündigen Knecht vor? Willst
Du den Ernährer seiner Familie entreifsen, sie in
Kümmernis und Verderben stürzen? Lafs mich
leben! So grofse Aufgaben liegen mir noch ob!
Ich kniee vor Dir im Staube!"
„Geh!" dachte ich und entwich. „Aber lerne
daraus, wie sträflich es ist, mit dem Allerheiligsten
zu spielen." —
„Und noch ein letzter Fall von den tausenden
und abertausenden!" schlofs der Tod und schenkte
dem bei seinen Berichten nachdenklich gewordenen
Schlaf den Rest aus der Flasche ein:
„Ich hörte eine Stunde später, als ich wiederum an
dem Bette eines jungen Kranken stand, der so sehn-
suchtsvoll nach mir gerufen, dafs der Arzt sagte:
„Ja, mein lieber Freund! Ich fühle mit Dir!
Ich weifs, welche furchtbare Qual Du leidest! Aber
was Du verlangst, darf ich nicht gewähren. Ich
kann Dir kein Pulver und keine Pille reichen, die
Dich erlöst." —
„Ich bitte, ich flehe Dich dennoch an!" hauchte
der Kranke. „Du thust ja das gröfste Gotteswerk,
einen so furchtbar leidenden Menschen, wie mich,
zu befreien! Kann's ein Vergehen sein, da Du selbst
sagst, dafs ich unrettbar dem Tode verfallen sei!?"
Aber der Arzt schüttelte den Kopf.
„Ich kann nur eines, mein teurer Freund! Hier
ist ein Schlafmittel. Nimm davon drei Pillen, so
wirst Du wenigstens vorübergehend der Schmerzen
enthoben! Aber nicht mehr! Beachte wohl! Nimmst
Du gar die dreifache Anzahl, so —"
Und er ging, und ich stellte mich an's Fufsende
des Bettes und wartete, wie viele Pillen er nehmen
werde.
Und er griff auch nach der Schachtel und liefs
neun Pillen in seine zitternde Hand gleiten; auch
rückte er ein Glas mit Wasser näher, das er trinken
wollte zum leichteren Verschlucken der Arznei.
„So! Endlich einer, der mich liebt!" flüsterte ich.
Doch —
Nach bebendem Besinnen schluckte er drei
Kügelchen hinunter — das dritte gar schon zögernd,
bedenklich — lehnte sich zurück in die Kissen und
wartete statt — meiner — Deiner, mein Bruder
Schlaf."
„Und ich kam! Ja! Ich erinnere mich," fiel
der Schlaf bestätigend ein.
„Und jener Mann, ich weifs es, lebt heute noch
unter tausend Qualen und —"
„Und fürchtet nichts mehr, als mich! Ja, ja!"
schlofs der Tod, den Satz beendend, und ein stilles
Lächeln flog über sein Angesicht.
LEO PROCHOWN1K
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