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VALENTIN RUTHS, THAUWETTER

IM GARTEN

VON

OTTO ERNST

Ja, ich weifs, dafs hier um Aug' und Wangen
Eine Flut von Duft und Schimmer drängt,
Weifs, dafs eine Traube schwerer Knospen
Fast herab bis auf die Stirn mir hängt —

Als mich heut' nun diese Sonne weckte,
Sprang mein Herz, ach Freunde, sprang mein Herz!
Rifs mit einem Schrei sich aus der Tiefe,
Schluchzen hört' ich's wie vor Lust und Schmerz.

Aber lafst mich doch die Sinne schliefsen
Vor dem Drang, mit dem der Frühling naht,
Und mich nur die Offenbarung fühlen:
Dafs mein Herz noch Kraft zur Freude hat.

Das ist Glück für heut' und viele Tage!
Alt und schal war mir die grofse Welt —
Und nun hat ein Flimmer sich, ein Stäubchen
Neu und hell vor meinen Blick gestellt.

Denn ich ging durch einen langen Winter,
Stand vor einer tief zerstörten Welt;
Spöttisch hatf ich zwischen Furcht und Hoffen
Meine Lebenswage festgestellt.

Lafst mich, lafst mich nur die Sinne schliefsen;
Dieser Fülle weifs ich sonst nicht Rat.
Einen Tag lang will ich's klingen hören:
Dafs mein Herz noch Kraft zur Freude hat.

C *7t 3
 
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