KARL FRIEDRICH VON RUMOHR
1775 — 1865
EUTSCHLAND verdankt seinem Nor-
den wie den Begründer der antiken so
auch den der modernen Kunstge-
schichte : Winckelmann und Rumohr.
Obwohl in Obersachsen geboren,
gehört Rumohr seiner Abstammung
wie seiner ganzen Eigenart durchaus
dem Nordwesten, durchaus Hol-
stein an.
Er entsprang einer autochthonen
Adelsfamilie dieses Landes und bei aller Eigenart hat er seinen
reichlichen Anteil von dem Charakter des holsteinischen
Menschenschlages und besonders auch von den in den ritter-
schaftlichen Familien ausgebildeten traditionellen Eigen-
schaften.
Auch war Holstein oder eigentlich Lübeck und ein in
der Nähe gelegenes Familiengut Rumohrs eigentliches Heim,
in dem er den gröfsten Teil seines Lebens verbrachte.
Die Zeit seiner gröfsten Produktivität fällt in die 20 er
und 30 er Jahre dieses Jahrhunderts und inmitten der im
wesentlichen auf süd- und mitteldeutscher Volksart ruhenden
Kultur dieser Zeit tritt die Gestalt dieses echten Holsteiners
sehr markant hervor. Ein besonnener, ruhiger, vorwiegend
kritisch beanlagter Kopf, ist nichts süddeutsch Schwärmendes,
Enthusiastisches, nichts schwäbisch Grübelndes, Träumendes
an ihm. Seine ganze Weise hat, verglichen mit der übrigen
litterarischen Welt der Zeit, etwas Kühles, Verstandesmäfsiges;
sein Urteil ist langsam und vorsichtig, aber sicher und be-
stimmt. Er verläfst nie den festen Boden seiner scharfen und
klaren Gedankenfolge, auch nicht in seinen philosophisch-
aesthetischen Untersuchungen, während damals gerade auf
diesem Gebiet die verflogensten Spekulationen nisteten und
„die Begriffsromantik" ihre exotischsten Blüten trieb. Sein
Stil ist bedächtig, stets in gleichem Tempo, zuweilen etwas
schwerflüssig, entbehrt aber nicht der Würze gelegentlicher
scharfpointirter, glücklich gefundener Wendungen.
Wie Rumohr so durch den Volksschlag, dem er angehörte,
bestimmt war, verdankte er dem Stande, aus dem er hervorging,
dafs er ein Weltmann vielseitiger Bildung wurde, dafs er
nichts professorenhaft Zünftiges hatte und stets lebendige
Anschauung seine Forschungen begleitete. Sein weitreichender,
die verschiedenartigsten Gebiete umfassender Blick schützte
ihn vor Pedanterie und Kleinigkeitskrämerei und bei aller
Gründlichkeit findet sich bei ihm doch nichts von jenem
Geiste des Spezialistentums, der jetzt immer mehr aus den
Naturwissenschaften in die Kunstforschung eindringt. Seine
Ansichten und Anschauungen über Kunst sind ganz der
Niederschlag eines reichen und angeregten Lebens, das ihm
einen unerschöpflichen Beobachtungsstoff darbot, und haben
nichts mit den grauen am Schreibtisch ersonnenen Theorien
der damaligen Aesthetiker gemein.
Bei dem aufserordentlich grofsen Interessenkreis Rumohrs
ist auch seine schriftstellerische Thätigkeit sehr vielseitig. Er
hat für seine Zeit sehr Hervorragendes als Agrarpolitiker
geleistet, hat über praktischen Landbau geschrieben, war
Dichter und Philosoph und verfasste ein Buch über Höf-
lichkeit und den Umgang mit Menschen. Durch seinen
„Geist der Kochkunst" ist er ein deutscher Brillat-Savarin
geworden. Nicht zu vergessen sind endlich seine kultur-
historischen Studien. Trotz dieser Vielseitigkeit ist Rumohr
nirgends Dilettant, alle seine wissenschaftlichen Arbeiten
zeigen die gleiche Gründlichkeit und dasselbe ernste Studium,
C 292 3
1775 — 1865
EUTSCHLAND verdankt seinem Nor-
den wie den Begründer der antiken so
auch den der modernen Kunstge-
schichte : Winckelmann und Rumohr.
Obwohl in Obersachsen geboren,
gehört Rumohr seiner Abstammung
wie seiner ganzen Eigenart durchaus
dem Nordwesten, durchaus Hol-
stein an.
Er entsprang einer autochthonen
Adelsfamilie dieses Landes und bei aller Eigenart hat er seinen
reichlichen Anteil von dem Charakter des holsteinischen
Menschenschlages und besonders auch von den in den ritter-
schaftlichen Familien ausgebildeten traditionellen Eigen-
schaften.
Auch war Holstein oder eigentlich Lübeck und ein in
der Nähe gelegenes Familiengut Rumohrs eigentliches Heim,
in dem er den gröfsten Teil seines Lebens verbrachte.
Die Zeit seiner gröfsten Produktivität fällt in die 20 er
und 30 er Jahre dieses Jahrhunderts und inmitten der im
wesentlichen auf süd- und mitteldeutscher Volksart ruhenden
Kultur dieser Zeit tritt die Gestalt dieses echten Holsteiners
sehr markant hervor. Ein besonnener, ruhiger, vorwiegend
kritisch beanlagter Kopf, ist nichts süddeutsch Schwärmendes,
Enthusiastisches, nichts schwäbisch Grübelndes, Träumendes
an ihm. Seine ganze Weise hat, verglichen mit der übrigen
litterarischen Welt der Zeit, etwas Kühles, Verstandesmäfsiges;
sein Urteil ist langsam und vorsichtig, aber sicher und be-
stimmt. Er verläfst nie den festen Boden seiner scharfen und
klaren Gedankenfolge, auch nicht in seinen philosophisch-
aesthetischen Untersuchungen, während damals gerade auf
diesem Gebiet die verflogensten Spekulationen nisteten und
„die Begriffsromantik" ihre exotischsten Blüten trieb. Sein
Stil ist bedächtig, stets in gleichem Tempo, zuweilen etwas
schwerflüssig, entbehrt aber nicht der Würze gelegentlicher
scharfpointirter, glücklich gefundener Wendungen.
Wie Rumohr so durch den Volksschlag, dem er angehörte,
bestimmt war, verdankte er dem Stande, aus dem er hervorging,
dafs er ein Weltmann vielseitiger Bildung wurde, dafs er
nichts professorenhaft Zünftiges hatte und stets lebendige
Anschauung seine Forschungen begleitete. Sein weitreichender,
die verschiedenartigsten Gebiete umfassender Blick schützte
ihn vor Pedanterie und Kleinigkeitskrämerei und bei aller
Gründlichkeit findet sich bei ihm doch nichts von jenem
Geiste des Spezialistentums, der jetzt immer mehr aus den
Naturwissenschaften in die Kunstforschung eindringt. Seine
Ansichten und Anschauungen über Kunst sind ganz der
Niederschlag eines reichen und angeregten Lebens, das ihm
einen unerschöpflichen Beobachtungsstoff darbot, und haben
nichts mit den grauen am Schreibtisch ersonnenen Theorien
der damaligen Aesthetiker gemein.
Bei dem aufserordentlich grofsen Interessenkreis Rumohrs
ist auch seine schriftstellerische Thätigkeit sehr vielseitig. Er
hat für seine Zeit sehr Hervorragendes als Agrarpolitiker
geleistet, hat über praktischen Landbau geschrieben, war
Dichter und Philosoph und verfasste ein Buch über Höf-
lichkeit und den Umgang mit Menschen. Durch seinen
„Geist der Kochkunst" ist er ein deutscher Brillat-Savarin
geworden. Nicht zu vergessen sind endlich seine kultur-
historischen Studien. Trotz dieser Vielseitigkeit ist Rumohr
nirgends Dilettant, alle seine wissenschaftlichen Arbeiten
zeigen die gleiche Gründlichkeit und dasselbe ernste Studium,
C 292 3