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Stellung in Deutschland 1896 in Berlin abzuhalten. Die
Photographische Rundschau erwählte den Vorsitzenden der
Hamburger Gesellschaft zum Redakteur für den künst-
lerischen Teil.

Ein Hauptaugenmerk wurde auf die künstlerische Ver-
tiefung der Bildnisphotographie, auch der des Berufsphoto-
graphen gerichtet. Denn so lange Publikum und Photograph
im Bildnis durch Retouche und gar durch den Photokorrektor
das Charakteristische umgehen oder unterdrücken, wird auch
in der Bildnismalerei niemand die Wahrheit vertragen können.
Bei der Kinderphotographie hat der Amateur bereits Wandel
geschaffen. Das Kind wird von seiner Umgebung schärfer
und besser, weil mit dem Herzen beobachtet, als der Er-
wachsene. Der Amateur ist in der Lage, viele Versuche
machen zu können, um den Moment voller Unbefangenheit
zu packen, und ist es ihm gelungen, so wird sein Erfolg bei
den Angehörigen um so gröfser, je charakteristischer das
Bildnis ausgefallen, und Niemand denkt daran, Retouche
von ihm zu verlangen. Der Berufsphotograph befindet sich
dem Kinde gegenüber in einer sehr viel schwierigeren Stellung.
Es fühlt sich fremd in den sonderbaren, ungewohnten Räumen
des Ateliers, verliert seine lieblichste Eigenschaft, die Hingabe,
und ein erfreuliches Ergebnis ist ein Glücksfall. Wenn die
Retouche dann auch ein Engelsgesicht herstellt, das Herz der
Eltern ist doch nicht ganz zufrieden. Die Berufsphotographen,
deren Kundschaft den höheren Ständen angehört, klagen
bereits ganz ernsthaft, dafs das Kinderbildnis aus ihren Auf-
gaben zu verschwinden beginnt.

Dass sich durch die Thätigkeit des Amateurs ein Um-
schwung auch im Bildnis des Erwachsenen anbahnt, läfst
sich ebenfalls beobachten. Es ist natürlich nicht daran zu
denken, dafs er etwa, wie beim Kinderbildnis, diesen Zweig
an sich reifsen könnte. Aber in Hamburg haben die Aus-
stellungen, die gerade von den hervorragendsten Berufs-
photographen eifrig besucht werden, allerlei neue Gedanken
bereits angeregt. In Zukunft dürfte der Berufsphotograph
zwei Kategorien machen, eine künstlerische, die auf die
Herausarbeitung des Charakteristischen ausgeht und auf ver-
schönernde und verallgemeinernde Retouche verzichtet, und
die herkömmliche, die damit in eine niedrigere Stellung ge-
drückt wird. Schon für das kommende Jahr hat die Gesell-
schaft zur Förderung der Amateurphotographie eine Aus-
stellung künstlerischer Bildnisaufnahmen von Berufsphoto-
graphen in Aussicht genommen.

Somit sind in der kurzen Zeit ihrer Thätigkeit wichtige
Ziele erreicht. Die Hamburger Ausstellungen und die Aus-
stellung in Berlin haben in der deutschen Amateurphoto-
graphie dem künstlerischen Prinzip zum Durchbruch ver-
holfen, sowol was die Anschauung anbetrifft wie in der
technischen Behandlung. Vor 1804 herrschte in Deutschland
fast unumschränkt das Albuminverfahren, seither sind die
Mittel der Platinotypie und seit kurzer Zeit die künstlerisch
noch unendlich ergiebigeren Pigmentdrucke allgemein auf-
genommen, die an Vornehmheit des Tons mit der Radierung
wetteifern.

Berufsphotographen haben formell anerkannt, dafs die
Zukunft auch in der Bildnisphotographie den künstlerischen
Grundsätzen gehört, und die photographische Literatur hat
auch in Deutschland seither sich bewußter als vor 1893 der
Pflege künstlerischer Anschauung zugewandt.

Allgemein wird zugestanden, dafs die ganz unberechen-
baren Summen an Zeit und Geld, die in der Beschäftigung
mit der Amateurphotographie aufgewandt werden, einen
ernsten wirtschaftlichen Verlust für unser Volk bedeuten,
wenn sie nicht in den Dienst der künstlerischen Erziehung
gestellt werden.

Wie für die Arbeit des Einzelnen oder der Vereine neue
Aufgaben gefunden sind, soll mit einem Hinweis auf die
historische Wichtigkeit der Aufnahme alter Baudenkmäler
der Hamburger Gesellschaft und des Braunschweiger Vereins
und auf das mit eigenen Aufnahmen illustrierte Werk von
Dr. Linde über den Sachsenwald nur angedeutet werden.

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V



FRÄULEIN MARY HERTZ,

PLAKAT DER DILETTANTENAUSSTELLUNG

Umfassender noch waren die Absichten der Gesellschaft
Hamburgischer Kunstfreunde. Während die Amateur-
photographen sich auf den Standpunkt der Internationalität
stellten und es sich angelegen sein liefsen, die Deutschen mit
der hohen Entwicklung der Amateurphotographie in den
übrigen Kulturländern vertraut zu machen, beschränkten sich
die Kunstfreunde mit voller Absicht im Princip auf Hamburg.
Zu ihren Ausstellungen werden nur Einheimische zugelassen,
und alle ihre Bestrebungen gelten dem künstlerischen Leben
der nächsten Heimat.

Auch hier bildete die Veranstaltung von kleinen ge-
wählten Jahresausstellungen das nächste Augenmerk. Diese
Ausstellungen umfassen alles, was der Liebhaber Artistisches
hervorbringt auf dem Gebiet der Zeichnung, Malerei, Bild-
hauerei und der dekorativen Künste. Ebenso, was er nach

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