über die Möglichkeit der Unterhaltung aus Privatmitteln
hinaus entwickelten Institute überantwortet und ihm schliefs-
lich sogar die Initiative zur Weiterführung und Neugründung
zur Pflicht gemacht hat.
Vor fünfzig Jahren pflegte der Staat nur eine höhere
Schule, das Johanneum. Die Wohlhabenden waren auf das
Privatschulwesen angewiesen, die niedrigeren Schichten auf
einige Stifts- und Volksschulen. Heute hat das Schulwesen
ein Uebergangsstadium beinahe überwunden. Das gesamte
Volksschulwesen wurde in wenigen Jahrzehnten reorgani-
siert, eine gröfsere Anzahl
höherer Staatsschulen hat das
Privatschulwesen zurückge-
drängt, das nur noch in
den höheren Mädchenschulen
seine alte Stellung behauptet.
Zur selben Zeit hat der
Staat die von ihm übernom-
menen wissenschaftlichen In-
stitute umgestaltet, erweitert
und durch Neugründungen
vervollständigt, so dafs ihr
System heute dem Apparat
einer mittleren Universität
gleichkommt, nur dafs es in
dem musealen Teil und mit
der Ausdehnung und Einrich-
tung der Krankenhäuser weit
darüber hinausgreift.
Seit einigen Jahren hat
die Oberschulbehörde ein
öffentliches Vorlesungswesen
eingerichtet, dem das Publi-
kum aller Stände das leb-
hafteste Interesse entgegen-
bringt. Das Verzeichnis der
Vorlesungen umfafst bereits
alle Gebiete der Wissenschaft.
Dozenten sind die Direktoren
der wissenschaftlichen In-
stitute, Geistliche, Lehrer der
höheren Schulen und für
einzelne Fächer Professoren
deutscher Hochschulen. Die
Teilnahme, mit der gerade die
gebildeten Klassen diese Ein-
richtung verfolgen, liefert den
Beweis, dafs ein Bedürfnis, Anregung zu empfangen, lebhaft
gefühlt wird.
Wie weit sich dies Institut entwickeln wird, steht noch
dahin. Es hat bereits eine lebhafte Bewegung in Szene gesetzt,
und die schon in früheren Zeiten wiederholt diskutierte Idee
einer Hamburgischen Universität beschäftigt viele Köpfe.
Wenn darüber debattiert wird, pflegen die kulturellen und
politischen Gesichtspunkte, die dafür sprechen, in den Vorder-
grund gestellt zu werden, und man erinnert sich daran, dafs
Hamburg in dem jetzt in eine Reihe wissenschaftlicher Insti-
tute aufgelösten Akademischen Gymnasium eine Anstalt be-
sessen hat, die im 17. Jahrhundert Rang und Funktionen einer
Universität besafs.
FRAU MARIE ZACHAR[AS
ALTE HAMBURGER DIELE
Alles deutet daraufhin, dafs die Thätigkeit des Staates
auf allen diesen Gebieten in Zukunft noch weitere Aus-
dehnung erfahren wird.
Neubildungen fallen allerdings den Organen des Staates,
die nicht experimentieren dürfen, in Hamburg so schwer wie
anderswo, aber es steht zu hoffen, dafs hier die alte Gewohn-
heit der selbständigen Schöpferthätigkeit des Bürgers durch
den prinzipiellen Umschwung in der Beteiligung des Staates
nicht leiden wird,
Wie überall und jederzeit
stehen auch in Hamburg zwei
Generationen einander mit
auseinandergehenden An-
schauungen und Wünschen
gegenüber.
Die ältere, die den Wohl-
stand der Stadt heraufgeführt
hat, sieht nicht ohne Be-
denken, dafs die jüngere diese
materielle Grundlage zum
Ausgangspunkt der Entwick-
lung einer eigenartigen natio-
nalen Kultur Hamburgischer
Färbung wählen will. Man
hatte sich, nachdem die
internationale Konkurrenz die
Anspannung aller Kräfte in
Anspruch genommen hatte,
an die Auffassung gewöhnt,
Hamburg ausschließlich als
ein Handelsorgan des Reiches
aufzufassen und zu übersehen,
was frühere Epochen in Ham-
burg für die deutsche Kultur
geleistet haben.
Die jüngere Generation
will sich damit nicht be-
gnügen. Sie sieht in einer
selbständigen Blüte der ein-
heimischen Kunst undWissen-
schaft nicht nur ein Moment
vermehrten Wohlbehagens,
das sich auch zur Not ent-
behren liefse, sondern eine
politische Angelegenheit, von
der das Ansehen des Staates und die Sympathie, die ihm von
den andern Gliedern des Reiches entgegengebracht wird,
wesentlich mit abhängt. Und in den Imponderabilien der
Wertschätzung und Sympathie im Reich hat sie hervorragende
politische Faktoren erkannt, auf deren Einflufs sie nicht zu
verzichten gewillt ist.
Hamburg wird im Verzeichnis der deutschen Staaten an
allerletzter Stelle aufgeführt, als wirtschaftliche Macht hat es
seinen Platz gleich nach den Königreichen. Dafs es auch als
Pflegerin deutscher Bildung, Kunst und Wissenschaft den-
selben Rang erlangen möge, den es in der Oekonomie der
Nation innehält, das ist der Wunsch und das Streben der
„Jungen" in Hamburg. Alfred Lichtwark
c
D
n\*
hinaus entwickelten Institute überantwortet und ihm schliefs-
lich sogar die Initiative zur Weiterführung und Neugründung
zur Pflicht gemacht hat.
Vor fünfzig Jahren pflegte der Staat nur eine höhere
Schule, das Johanneum. Die Wohlhabenden waren auf das
Privatschulwesen angewiesen, die niedrigeren Schichten auf
einige Stifts- und Volksschulen. Heute hat das Schulwesen
ein Uebergangsstadium beinahe überwunden. Das gesamte
Volksschulwesen wurde in wenigen Jahrzehnten reorgani-
siert, eine gröfsere Anzahl
höherer Staatsschulen hat das
Privatschulwesen zurückge-
drängt, das nur noch in
den höheren Mädchenschulen
seine alte Stellung behauptet.
Zur selben Zeit hat der
Staat die von ihm übernom-
menen wissenschaftlichen In-
stitute umgestaltet, erweitert
und durch Neugründungen
vervollständigt, so dafs ihr
System heute dem Apparat
einer mittleren Universität
gleichkommt, nur dafs es in
dem musealen Teil und mit
der Ausdehnung und Einrich-
tung der Krankenhäuser weit
darüber hinausgreift.
Seit einigen Jahren hat
die Oberschulbehörde ein
öffentliches Vorlesungswesen
eingerichtet, dem das Publi-
kum aller Stände das leb-
hafteste Interesse entgegen-
bringt. Das Verzeichnis der
Vorlesungen umfafst bereits
alle Gebiete der Wissenschaft.
Dozenten sind die Direktoren
der wissenschaftlichen In-
stitute, Geistliche, Lehrer der
höheren Schulen und für
einzelne Fächer Professoren
deutscher Hochschulen. Die
Teilnahme, mit der gerade die
gebildeten Klassen diese Ein-
richtung verfolgen, liefert den
Beweis, dafs ein Bedürfnis, Anregung zu empfangen, lebhaft
gefühlt wird.
Wie weit sich dies Institut entwickeln wird, steht noch
dahin. Es hat bereits eine lebhafte Bewegung in Szene gesetzt,
und die schon in früheren Zeiten wiederholt diskutierte Idee
einer Hamburgischen Universität beschäftigt viele Köpfe.
Wenn darüber debattiert wird, pflegen die kulturellen und
politischen Gesichtspunkte, die dafür sprechen, in den Vorder-
grund gestellt zu werden, und man erinnert sich daran, dafs
Hamburg in dem jetzt in eine Reihe wissenschaftlicher Insti-
tute aufgelösten Akademischen Gymnasium eine Anstalt be-
sessen hat, die im 17. Jahrhundert Rang und Funktionen einer
Universität besafs.
FRAU MARIE ZACHAR[AS
ALTE HAMBURGER DIELE
Alles deutet daraufhin, dafs die Thätigkeit des Staates
auf allen diesen Gebieten in Zukunft noch weitere Aus-
dehnung erfahren wird.
Neubildungen fallen allerdings den Organen des Staates,
die nicht experimentieren dürfen, in Hamburg so schwer wie
anderswo, aber es steht zu hoffen, dafs hier die alte Gewohn-
heit der selbständigen Schöpferthätigkeit des Bürgers durch
den prinzipiellen Umschwung in der Beteiligung des Staates
nicht leiden wird,
Wie überall und jederzeit
stehen auch in Hamburg zwei
Generationen einander mit
auseinandergehenden An-
schauungen und Wünschen
gegenüber.
Die ältere, die den Wohl-
stand der Stadt heraufgeführt
hat, sieht nicht ohne Be-
denken, dafs die jüngere diese
materielle Grundlage zum
Ausgangspunkt der Entwick-
lung einer eigenartigen natio-
nalen Kultur Hamburgischer
Färbung wählen will. Man
hatte sich, nachdem die
internationale Konkurrenz die
Anspannung aller Kräfte in
Anspruch genommen hatte,
an die Auffassung gewöhnt,
Hamburg ausschließlich als
ein Handelsorgan des Reiches
aufzufassen und zu übersehen,
was frühere Epochen in Ham-
burg für die deutsche Kultur
geleistet haben.
Die jüngere Generation
will sich damit nicht be-
gnügen. Sie sieht in einer
selbständigen Blüte der ein-
heimischen Kunst undWissen-
schaft nicht nur ein Moment
vermehrten Wohlbehagens,
das sich auch zur Not ent-
behren liefse, sondern eine
politische Angelegenheit, von
der das Ansehen des Staates und die Sympathie, die ihm von
den andern Gliedern des Reiches entgegengebracht wird,
wesentlich mit abhängt. Und in den Imponderabilien der
Wertschätzung und Sympathie im Reich hat sie hervorragende
politische Faktoren erkannt, auf deren Einflufs sie nicht zu
verzichten gewillt ist.
Hamburg wird im Verzeichnis der deutschen Staaten an
allerletzter Stelle aufgeführt, als wirtschaftliche Macht hat es
seinen Platz gleich nach den Königreichen. Dafs es auch als
Pflegerin deutscher Bildung, Kunst und Wissenschaft den-
selben Rang erlangen möge, den es in der Oekonomie der
Nation innehält, das ist der Wunsch und das Streben der
„Jungen" in Hamburg. Alfred Lichtwark
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