Das Burgthor in Lübeck, der wundervolle Abschlufs
einer Strafse, deren sanfte Kurve nicht vom Zufall, sondern
von der Hand eines grofsen Künstlers geführt erscheint, das
Burgthor in Lübeck, schwebte in Gefahr, dem Restaurator in
die Hände zu fallen. Lübeck hat bei allem Reichtum kein
schöneres Architekturbild als diese Strafse, die zu diesem
Bau führt. Und dies Bild soll nun zerstört werden, weil der
gotische Bau des Thorturms eine Haube trägt, die ein spä-
teres Jahrhundert an die Stelle der ältesten Bekrönung gesetzt
hat. Alte Abbildungen lassen zwar keinen Zweifel darüber,
wie der Turm ungefähr aussah, als er noch dem ersten Zweck
diente. Der Entwurf für die Restauration nimmt auch ge-
bührend Rücksicht darauf. Aber er ist weit davon entfernt,
den ursprünglichen Zustand herzustellen. Einmal langen für
ein solches Unternehmen die Abbildungen nicht, und dann
überträgt der Entwurf die alte Holzkonstruktion in Stein,
wobei ihr Volumen erheblich verringert werden musste.
Man wird an einen Dorfkirchturm hannoverscher Observanz
erinnert. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie das wirken
wird. Gesetzt, es beleidige nicht: gegen die vornehme, grofs-
artige Silhouette der Haube kommt es sicherlich nicht auf.
Und ist sie im Grunde nicht auch gotisch? Denn diese Form
ist nicht mit dem Renaissanceornament aus Italien gekommen,
sondern eine Weiterentwicklung heimischer Baugedanken.
Aus der Silhouette Lübecks würde mit ihr ein eigenartiger
Accent verschwinden. Dafs sie nicht der im engeren Sinne
gotischen Epoche angehört, schadet ihr doch nur in den Augen
der fanatischen Puristen, die schon genug Unheil in unsern
alten Städten angerichtet haben. Der künstlerischen Empfin-
dung erscheint das Burgthor mit der Haube als ein Werk aus
einem Gufs, in sich abgewogen und meisterhaft für den Platz
berechnet. Wir wissen, wie der heutige Zustand wirkt:
die Wirkung der beabsichtigten Restauration ist noch Problem.
Möge ein guter Stern das edle Bauwerk schützen.
A. L.
iiiiii
EXiTner.
E. EITNER
DAS BÜRGTHOR IN LÜBECK
C 324 3
einer Strafse, deren sanfte Kurve nicht vom Zufall, sondern
von der Hand eines grofsen Künstlers geführt erscheint, das
Burgthor in Lübeck, schwebte in Gefahr, dem Restaurator in
die Hände zu fallen. Lübeck hat bei allem Reichtum kein
schöneres Architekturbild als diese Strafse, die zu diesem
Bau führt. Und dies Bild soll nun zerstört werden, weil der
gotische Bau des Thorturms eine Haube trägt, die ein spä-
teres Jahrhundert an die Stelle der ältesten Bekrönung gesetzt
hat. Alte Abbildungen lassen zwar keinen Zweifel darüber,
wie der Turm ungefähr aussah, als er noch dem ersten Zweck
diente. Der Entwurf für die Restauration nimmt auch ge-
bührend Rücksicht darauf. Aber er ist weit davon entfernt,
den ursprünglichen Zustand herzustellen. Einmal langen für
ein solches Unternehmen die Abbildungen nicht, und dann
überträgt der Entwurf die alte Holzkonstruktion in Stein,
wobei ihr Volumen erheblich verringert werden musste.
Man wird an einen Dorfkirchturm hannoverscher Observanz
erinnert. Es ist schwer, sich vorzustellen, wie das wirken
wird. Gesetzt, es beleidige nicht: gegen die vornehme, grofs-
artige Silhouette der Haube kommt es sicherlich nicht auf.
Und ist sie im Grunde nicht auch gotisch? Denn diese Form
ist nicht mit dem Renaissanceornament aus Italien gekommen,
sondern eine Weiterentwicklung heimischer Baugedanken.
Aus der Silhouette Lübecks würde mit ihr ein eigenartiger
Accent verschwinden. Dafs sie nicht der im engeren Sinne
gotischen Epoche angehört, schadet ihr doch nur in den Augen
der fanatischen Puristen, die schon genug Unheil in unsern
alten Städten angerichtet haben. Der künstlerischen Empfin-
dung erscheint das Burgthor mit der Haube als ein Werk aus
einem Gufs, in sich abgewogen und meisterhaft für den Platz
berechnet. Wir wissen, wie der heutige Zustand wirkt:
die Wirkung der beabsichtigten Restauration ist noch Problem.
Möge ein guter Stern das edle Bauwerk schützen.
A. L.
iiiiii
EXiTner.
E. EITNER
DAS BÜRGTHOR IN LÜBECK
C 324 3