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TH. SCHMUTZ-BAUDISS, GEFASSE (MÜNCHEN)

KUENSTLER IM KUNSTHANDWERK

ist nur wenige Jahre her, dafs auf einer
Berliner Kunstausstellung inmitten der
Gemälde, Bildwerke, Arbeiten der gra-
phischen Kunst und architektonischen
Entwürfe auch Erzeugnisse des Kunst-
handwerks in Glasschränken vereinigt
Schau gestellt wurden. "Weshalb

zur

Schmelzarbeiten, Bucheinbände,Porzellane,
Lederarbeiten und andere Erzeugnisse der in Berlin geschätz-
testen Kunsthandwerker, die von gröfseren oder kleineren
kunstgewerblichen Ausstellungen her hinreichend bekannt
waren, unter den Werken der grofsen Kunst Platz gefunden
hatten, darauf konnten sich wohl nur vereinzelte, mit den
Pariser Salons vertraute Besucher einen Vers machen: die Aus-
stellungskommission hatte mit einer seit einer Reihe von
Jahren in den beiden Pariser Salons, in den Champs Elyse'es wie
im Champ de Mars, eingebürgerten Mafsnahme auch bei uns
einen Versuch machen wollen. Die Absicht war gewifs eine
löbliche, doch war die Ausführung mifslungen; denn während
in Paris gezeigt wird, was Künstler im Kunsthandwerk Be-
sonderes zu leisten im stände sind, wurde hier nur gezeigt,
was unsere Kunsthandwerker Alltägliches leisten. Dieser
Versuch ist in Berlin nicht vereinzelt geblieben: in Gruppen-
ausstellungen verschiedener Künstlervereinigungen, in den
Ausstellungen der Kunsthandlungen und des Kunstgewerbe-
museums sind vor- und nachher von verschiedenen bildenden
Künstlern Arbeiten in Glas, in Fayence, in Kunststickerei dem
Publikum bekannt gemacht, in denen die Bestrebungen, wie
sie die Pariser Salons in grüfserem Umfange zeigen, vereinzelt
zur Geltung kamen. Aehnliches ist in den letzten Jahren auch
in München der Fall gewesen; und hier wie in Dresden

stellen die Programme der diesjährigen internationalen Aus-
stellungen eine besondere Berücksichtigung der Kleinkunst
in Aussicht.

Was hat es mit diesen Versuchen der Künstler auf sich,
mit den Handwerkern in der künstlerischen Gestaltung von
Gegenständen, die zum Gebrauch und zum Schmuck unserer
Umgebung bestimmt sind, zu wetteifern? Sind sie Launen von
einzelnen Künstlern? Entspringen sie einer der ephemeren
Strömungen des fin de siecle? Oder gehen sie vielmehr aus
einem inneren Bedürfnis hervor, und tragen sie vielleicht
gar den Keim zur Erweckung eines eigenen Kunsthandwerks
in sich, zu dem unser Jahrhundert trotz aller Bemühungen
nicht gelangt ist?

Das Eingreifen der Künstler in das Kunsthandwerk ist —
wie vorangeschickt werden mufs — keineswegs neu oder
gar erst in dieser ganz modernen Strömung zur Geltung ge-
kommen. Von den Epochen der Blüte der Kunst ganz ab-
gesehen, in denen Kunst und Handwerk mehr oder weniger
zusammen gingen, bald unter Vorherrschaft der einen bald
des anderen, hat gerade unser Jahrhundert von vornherein ein
Einwirken der Künstler auf das Handwerk angestrebt. Die
Erkenntnis, dafs im Handwerk fast jede Tradition abhanden
gekommen und damit das Verständnis für Technik und für die
daraus sich ergebenden Bedingungen der Kunstformen in den
einzelnen Handwerken verloren gegangen war, hatte zunächst
die Architekten zu einer mafsgebenden Einwirkung auf das
Handwerk bestimmt, zumal soweit dasselbe in Beziehung

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