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DENKMAELER

IS zum Ende des vergangenen Jahr-
hunderts gab es, von Heiligenbildern
und Brunnen abgesehen, in den Städten
Europas nur sehr wenige Denkmäler
auf Strafsen und Plätzen, eigentlich
keine anderen als die Reiterstandbilder
von Fürsten, und auch diese waren
J selten und stammten meist aus dem sieb-
m^^u^^m^^^^ zehnten und achtzehnten Jahrhundert.
Das ist ein tiefer Gegensatz zu den Städten des Altertums
und unserer Epoche. Allein an dem steinernen und erzenen
Volk, dafs unsere Strafsen und Plätze bewohnt, liefse sich er-
weisen, dafs mit dem Anfang unseres Jahrhunderts eine neue
Ordnung der Dinge eingetreten ist.

In dem langen Zeitraum zwischen dem Untergange Roms
und der französischen Revolution hatte die Sitte, Denkmäler
zu errichten, freilich nicht aufgehört, aber man mufs sie nicht
unter freiem Himmel sondern im Innenraum, höchstens auf
dem Friedhof suchen. Das Denkmal war Grabmal oder
Kenotaphium geworden. Von Rom bis Upsala sind alle
Kirchen, Kreuzgänge, Rathäuser voll davon. Die meisten sind
als Wand- oder Pfeilerdekorationen behandelt. Nur für die
höchsten geistlichen und weltlichen Fürsten wurde das frei-
stehende Grabmal mit reichem Baldachinaufbau angewandt.
Unser Jahrhundert hat diese Formen so gut wie gänzlich
aufgegeben. Fast nur die Fürsten haben an dem Grabmal in
ihren Familiengrüften festgehalten.

Es ist jammerschade, dafs das Denkmal den Innenraum

verlassen hat, wo es sich einem gegebenen Ganzen einzuordnen
hatte, wo es auf eine gleichmäfsige Beleuchtung und auf einen
menschlichen Standpunkt berechnet werden mufste, wo es
auch nicht ins Ungemessene wachsen konnte, weil der Raum
ihm bestimmte Grenzen setzte, und wo der Beschauer schliefs-
lich Ruhe und Sammlung vorfand und nicht erst mühselig
in sich zu erzeugen brauchte.

Man denke sich die Denkmäler der Kirchen Lübecks oder
Venedigs über die Strafsen und Plätze verteilt, es müfste den
Bewohnern den Aufenthalt verleiden. Venedig verdankt das
Reiterdenkmal des Colleoni einem Zufall, und man hat sich
gehütet, es auf den Markusplatz zu stellen. Aber gerade der-
artige Aufstellungen, die man früher vermieden hat, sind
typisch für den unmonumentalen Sinn unseres Jahrhunderts.
"Wir pflegen die Städte, die nur wenige öffentliche Denkmäler
haben, zu bemitleiden. Beneiden sollten wir sie.

Camillo Sitte hat uns in seinem köstlichen Buch an die
Gesetze erinnert, nach denen die wenigen öffentlichen Denk-
mäler älterer Zeit aufgestellt waren. Bisher haben seine Er-
mahnungen noch nicht viel genützt. Ist es zu stark aufgetragen,
wenn man behauptet, dafs fünfundsiebzig Prozent aller unserer
Denkmäler, von ihrer durchgehenden inneren Belanglosigkeit
abgesehen, schlecht aufgestellt oder für ihren Platz zu grofs
sind? Das Unverständlichste dürfte die Aufstellung des für
Berlin geplanten Bismarckdenkmals sein, das allen Ernstes für
die Mittelpartie der grofsen Freitreppe des Reichstags be-
stimmt scheint.

C 105 D

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