OSKAR ZWINTSCHER» MEISSBN
AUS LEIPZIG
IT der sächsisch-thüringischen
Industrie- und Gewerbe-Aus-
stellung hat die Stadt Leipzig
eine Kraftprobe technischer
und industrieller Tüchtigkeit
bestanden. Die Anlage ist in
grofsem Style entworfen,
nichts ist unterlassen, das ge-
eignet ist, grofse Besucher-
scharen anzulocken: eine
mächtige Industriehalle, ein
Altleipzig, ein Thüringer Dorf
und was sonst die internationale Ausstellungskonkurrenz der
letzten Jahre zur Erholung und zum Vergnügen der Besucher
aufzubieten weifs.
Auch der Kunst ist auf dem weiten Plane ein Tempel
erbaut worden, ein vielgliedriger kuppelbedeckter Raum. In
ihm sind ausgestellt die "Werke von Künstlern, die im Be-
reich des Ausstellungsgebietes, in Sachsen und Thüringen und
in den angrenzenden Provinzen geboren sind oder sich da
niedergelassen haben. Diese Auswahl nach der zufälligen Orts-
zuständigkeit hat ihre Bedenklichkeiten. Denn wie manche
tüchtigen Künstler die in Frage kommenden Landschaften
auch hervorgebracht haben, ihr Zusammenhang mit der all-
gemein in Deutschland regen Kunstbewegung ist gröfser als
ihre selbständige landschaftliche Bedeutung. Innerhalb des
Ausstellungsgebietes haben es freilich zuerst Weimar und
neuerdings wieder Dresden zu lokal bedingten Gruppen ge-
bracht. Und gewifs bietet der Einblick in die Wirksam-
keit derartiger Künstlergruppen ein besonderes Interesse in
einer Zeit gerade, in der die Einkehr der Kunst in das Volks-
tum entgegen wirken sollte jenem weitgegangenen Inter-
nationalismus, der im Anschlufs an modische Bewegungen
die Kunst der Verflachung preisgiebt. Allein das wirre Durch-
einander nach Richtung und Qualität sehr verschieden ge-
arteter und viel zu vieler Werke läfst den Gedanken an eine
Zusammengehörigkeit nicht aufkommen und die gute Ab-
sicht des ganzen Unternehmens nicht mehr erkennen.
Abgesehen aber von prinzipiellen Bedenken schien der
Erfolg der Leipziger Kunstausstellung sehr in Frage ge-
stellt, in einem Jahre, das auf sieben oder acht grofsen Aus-
stellungen in Deutschland und im Auslande die Konkurrenz-
fähigkeit der Künstler geradezu erschöpft hat. Und in der
That wäre der Erfolg mehr als problematisch geworden, wenn
nicht Max Kling er auf dem Plane erschienen wäre. Er allein
giebt der Ausstellung eine mehr als lokale Bedeutung, hebt
sie durch die Kraft seiner Phantasie und den Ernst seines
Wollens hoch empor. Zwei Hauptwerke hat er da, die
Kreuzigung Christi, die alle kennen, und das Monumental-
bild, von dem nur Eingeweihte wufsten: Christus, begleitet
von den christlichen Tugenden, im Olymp.
Wie immer das Urteil über die Malerei des Leipziger
Meisters ausfallen mag, der ideale Schwung seiner grüble-
rischen Phantasie, die mit dem Gewaltigsten ringt, dieSelbst-
ständigkeit in der Stellung des Problems, die geistreiche Art,
wie eine monumentale Verkörperung der Idee durch die Ver-
bindung von Malerei und Plastik versucht wird — das alles
sichert Klinger eine Ausnahmestellung unter den vornehmsten
Genien deutscher Kunst. In rückhaltloser Anerkennung
eines so seltenen und hohen künstlerischen Strebens, wie es
Klingers Wirken darstellt, hat denn auch die Stadt Leipzig
den zahlreichen Gegnern zum Trotz den Künstler durch
einen Auftrag geehrt, der Klinger volle künstlerische Frei-
heit läfst. Das grofse Treppenhaus des Leipziger städti-
schen Museums soll von Klinger in allen Teilen in monu-
mentaler Weise dekoriert werden. Farbige Skizzen dazuliegen
C 108 ])
AUS LEIPZIG
IT der sächsisch-thüringischen
Industrie- und Gewerbe-Aus-
stellung hat die Stadt Leipzig
eine Kraftprobe technischer
und industrieller Tüchtigkeit
bestanden. Die Anlage ist in
grofsem Style entworfen,
nichts ist unterlassen, das ge-
eignet ist, grofse Besucher-
scharen anzulocken: eine
mächtige Industriehalle, ein
Altleipzig, ein Thüringer Dorf
und was sonst die internationale Ausstellungskonkurrenz der
letzten Jahre zur Erholung und zum Vergnügen der Besucher
aufzubieten weifs.
Auch der Kunst ist auf dem weiten Plane ein Tempel
erbaut worden, ein vielgliedriger kuppelbedeckter Raum. In
ihm sind ausgestellt die "Werke von Künstlern, die im Be-
reich des Ausstellungsgebietes, in Sachsen und Thüringen und
in den angrenzenden Provinzen geboren sind oder sich da
niedergelassen haben. Diese Auswahl nach der zufälligen Orts-
zuständigkeit hat ihre Bedenklichkeiten. Denn wie manche
tüchtigen Künstler die in Frage kommenden Landschaften
auch hervorgebracht haben, ihr Zusammenhang mit der all-
gemein in Deutschland regen Kunstbewegung ist gröfser als
ihre selbständige landschaftliche Bedeutung. Innerhalb des
Ausstellungsgebietes haben es freilich zuerst Weimar und
neuerdings wieder Dresden zu lokal bedingten Gruppen ge-
bracht. Und gewifs bietet der Einblick in die Wirksam-
keit derartiger Künstlergruppen ein besonderes Interesse in
einer Zeit gerade, in der die Einkehr der Kunst in das Volks-
tum entgegen wirken sollte jenem weitgegangenen Inter-
nationalismus, der im Anschlufs an modische Bewegungen
die Kunst der Verflachung preisgiebt. Allein das wirre Durch-
einander nach Richtung und Qualität sehr verschieden ge-
arteter und viel zu vieler Werke läfst den Gedanken an eine
Zusammengehörigkeit nicht aufkommen und die gute Ab-
sicht des ganzen Unternehmens nicht mehr erkennen.
Abgesehen aber von prinzipiellen Bedenken schien der
Erfolg der Leipziger Kunstausstellung sehr in Frage ge-
stellt, in einem Jahre, das auf sieben oder acht grofsen Aus-
stellungen in Deutschland und im Auslande die Konkurrenz-
fähigkeit der Künstler geradezu erschöpft hat. Und in der
That wäre der Erfolg mehr als problematisch geworden, wenn
nicht Max Kling er auf dem Plane erschienen wäre. Er allein
giebt der Ausstellung eine mehr als lokale Bedeutung, hebt
sie durch die Kraft seiner Phantasie und den Ernst seines
Wollens hoch empor. Zwei Hauptwerke hat er da, die
Kreuzigung Christi, die alle kennen, und das Monumental-
bild, von dem nur Eingeweihte wufsten: Christus, begleitet
von den christlichen Tugenden, im Olymp.
Wie immer das Urteil über die Malerei des Leipziger
Meisters ausfallen mag, der ideale Schwung seiner grüble-
rischen Phantasie, die mit dem Gewaltigsten ringt, dieSelbst-
ständigkeit in der Stellung des Problems, die geistreiche Art,
wie eine monumentale Verkörperung der Idee durch die Ver-
bindung von Malerei und Plastik versucht wird — das alles
sichert Klinger eine Ausnahmestellung unter den vornehmsten
Genien deutscher Kunst. In rückhaltloser Anerkennung
eines so seltenen und hohen künstlerischen Strebens, wie es
Klingers Wirken darstellt, hat denn auch die Stadt Leipzig
den zahlreichen Gegnern zum Trotz den Künstler durch
einen Auftrag geehrt, der Klinger volle künstlerische Frei-
heit läfst. Das grofse Treppenhaus des Leipziger städti-
schen Museums soll von Klinger in allen Teilen in monu-
mentaler Weise dekoriert werden. Farbige Skizzen dazuliegen
C 108 ])