Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
vor und schon ist der Künstler mit der Schöpfung einer plas-
tischen Figur beschäftigt, die sich der Wanddekoration ein-
fügen soll. Auch die Universität, deren Umbau von Arwed
Rossbach kürzlich vollendet wurde, scheint hinter den
städtischen Kollegien nicht zurückbleiben zu wollen und will
den Künstler mit einem grofsen Wandbild für die Aula be-
trauen.

Aber diese künstlerische Stimmung der Leipziger Bürger-
schaft hat nicht nur für Klinger gesorgt, sie hat ihre
teilnahmsvolle Aufmunterung auch einem anderen Künstler
zugewandt, der über Leipzig hinaus noch wenig bekannt ge-
worden ist. Wir meinen den Bildhauer Carl Seffner, der auf
der Ausstellung mit der Mehrzahl seiner Werke, männlichen
Büsten, vertreten ist. Seffners Anfänge waren schwierig, aber
gleich seine ersten selbständigen Arbeiten, einige natura-
listische Naturstudien nackter Knaben und die Büste Anton
Springers, verrieten den aufrichtigen Beobachter und einen
ungemein eingehenden Durchfeiler der gestellten Aufgabe.
Seitdem ist die männliche Büste sein Arbeitsfeld, die Koryphäen
wissenschaftlicher Forschung zumal sind seine Specialität.
Die Abbildungen der Büste des Königs Albert von Sachsen und
Carl Ludwigs verraten die eindringliche Schärfe seiner Beob-
achtung, die grofse Sachlichkeit und Treue der Auffassung.
Etwa ein Dutzend Werke der Art, zum Teil im Auftrag der
Universität entstanden, hat Seffner bis jetzt geschaffen, und
es steht zu hoffen, dafs ihm auch die Mufse zu grüfseren
plastischen Arbeiten anderer Art werden wird.

Ein dritter Leipziger Künstler, dessen Namen einen guten
Klang hat, Otto Grein er, kommt auf der Leipziger Aus-
stellung nicht in gleichem Mafse zur Geltung. Er gehört zu
den Wiederbelebern der künst-
lerischen Lithographie, noch
schwankt er nach ungewissen
Zielen, weilt bald in Italien
bald in München, aber der
Ernst, mit dem er arbeitet:
ruhelos entwerfend und die
Natur im Einzelnen mit fast

naturwissenschaftlichem
Auge studierend, läfst uns
Werke von immer gröfserer
formaler Abklärung erwar-
ten. Am besten lernt man den
Künstler in den Kupferstich-
kabineten zu Leipzig und
Dresden kennen.

Mit diesen drei sehr ver-
schieden gearteten Künstlern
arbeitet Leipzig mit an dem
künstlerischen Fortschritt der
modernen Kunst. Sie sind
die Anerkannten, die Meister,
derenkünstlerische Gesinnung
und Tendenz ernstlichem
Widerspruch nicht mehr aus-
gesetzt sind. Und doch hat
die moderne Kunst in Leipzig
den Sieg noch zu erkämpfen!
Hamburg, München, Dresden
und neuerdings endlich auch

CARL SEFFNER, BÜSTE VON PROFESSOR CARL LUDWIG ex^K?CX?(»<?(KM<?M<WC«C(?M<yWO<WW>Ö3

Berlin sind, wie ein Gang durch die öffentlichen Samm-
lungen lehren kann, voraus in der Schätzung der guten ein-
heimischen und fremden Kunst unserer Tage. Es ist nur
recht und billig, die den Modernen zugeneigte Haltung der
Leipziger Museumsverwaltung hier zu erwähnen, die hervor-
ragende Werke Uhdes, Klingers und Liebermanns und aus-
ländischer Meister bei Zeiten zu erwerben suchte und hoffent-
lich in dieser Richtung weiter wirken wird. Allein die Früh-
jahrsausstellung von Oelgemälden moderner Meister aus
Leipziger Privatbesitz, zeigte, dafs in den Häusern kunst-
liebender Leipziger Bürger die grosse moderne Bewegung der
letzten fünfzehn Jahre vorübergegangen ist, ohne eine merk-
liche Spur zurückgelassen zu haben. Die Werke bekanntester
Meisterdersechziger und siebziger Jahre gaben dieser Ausstellung
die Signatur. Manche Perle war darunter und imponierend
war die Zahl der im Kunsthändler-Kurse zu höchst stehenden
Bilder. Die paar wirklich guten Bilder neuer Richtung konnten
bei so viel taxiertem Werte älterer Künstlerschaft kein Interesse
wecken.

Gewifs würden ähnliche Veranstaltungen in Berlin, in
Frankfurt oder in Wien dieselbe Freude an der vom Vater über-
nommenen Kunst darthun und dieselbe Unlust am Neuen zu
erkennen geben. Aber diese Entschuldigung wollen wir nicht
gelten lassen. Wir meinen, dafs die wirkliche Kunstpflege
und Kunstliebe sich vor allem in der Schätzung und Unter-
stützung der lebenden und nach Neuem strebenden Kunst
zu bewähren hat. An den Künstlern fehlt es nicht, nur fehlt
es zu sehr an den Bestellern, an den Aufmunterern, die ver-
trauensvoll die künstlerische Schöpfung erleichtern helfen.
Den Künstler gewähren lassen, sei die Losung der Mäcene

unserer Zeit. Der moderne
bildende Künstler trägt in
sich selbst des Widerspruchs-
vollen, Zwiespältigen mehr als
ihre meist am Hergebrachten
hangenden Berater glauben.
Die Programme, das Wonach-
zu-richten der Kommissionen
rauben dem, der mit der Ge-
staltung des innerlich Ge-
schauten und Empfundenen
ringt, mehr, als was ihm die
gescheidten Paragraphen und
Beschlüsse an Anregung geben
können. Indem man Klinger
alle Freiheit geben möchte,
zu schaffen und zu gestalten
nach seinem Willen, bewies
man dem Künstler die höchste
Ehrung.

Der zu gemeinnützigen
Stiftungen allezeit geneigte
Leipziger Bürgersinn ist -weit
berühmt. Auch der Kunst-
pflege ist diese hochherzige
Gesinnung Leipziger Kunst-
freunde zu gute gekommen.
Was Leipzig an Kunstan-
stalten birgt, verdankt es
der Opferfreudigkeit seiner

C 109 D
 
Annotationen