Bürger. Leipziger Bürger schufen das Städtische Museum,
die Sammlungen und das Haus. Das Städtische Museum
hat sich dank der reichen Zuwendungen privater Sammler
stattlich entwickelt und übt in den sonntäglichen Vorträgen
einen nicht geringen Einflufs auf die Mitglieder des Kunst-
vereins aus. Es werden Bilder gekauft und Bildnisse bestellt
in reichlicher Menge, wenn auch die Zahl der wirklichen
Kunstsammler gröfseren Stils im letzten Jahrzehnt nur wenig
gröfser geworden ist.
Auch der mächtige Bau des Grassi- Museums mit den
Sammlungen des Kunstgewerbe Museums und des Museums
für Völkerkunde ist aus den Mitteln eines gröfseren Vermächt-
nisses geschaffen worden. Es ist ein stolzer Bau des städtischen
Baurats Licht, zu zwei Dritteln, bis in das Dach fast, ange-
füllt mit den schnell wachsenden Sammlungen des Museums
für Völkerkunde.
Daneben befinden sich die Sammlungen des Kunstgewerbe-
Museums, nicht eben reich, wenn man absieht von den Leih-
gaben privater Sammler und dem kostbaren Ratsschatz. Die
Veranstaltung einer Ausstellung von Werken alten Kunst-
gewerbes aus Sächsich-Thüringischem Privatbesitz hat diesem
Kunstgewerbe-Museum für die Spanne eines halben Jahres
nicht gewöhnlichen Glanz verliehen. Aus dem Besitz des
Königs von Sachsen, thüringischer Fürsten, der Kirchen und
Behörden und vieler Privater ist es gelungen, für eine Weile
die Fiction einer gut ausgestatteten, an Kunstwerken ersten
Ranges reichen Sammlung zu erwecken. Herrliche goldene
und silberne Geräte, prächtiger Schmuck, Elfenbeinwerke von
höchster Seltenheit, dazu die Sammlungen Zschille, Felix,
Thieme, Demiani, Zöllner und eine Anzahl vorzügliche
Bilder der deutschen und niederländischen Schule — das
alles giebt der Ausstellung einen besonderen Wert und einen
künstlerischen Reiz, der viele fremde Kunstfreunde angelockt
hat. Auffallend spröde im Besuchen der Ausstellung zeigte
sich dagegen die Leipziger Bevölkerung. Fast 'will es scheinen,
als ob der Sinn für die Kunst im alten Gewerbe eben so
schlummere wie die stolze Freude an der Abwehr der Ge-
schmacklosigkeiten, die der industrielle Betrieb des modernen
Kunstgewerbes mit sich bringt. Offenbar absorbiert der
durch Neigung und traditionelle Schulung so stark ent-
wickelte musikalische Sinn der Leipziger alle anderen künst-
lerischen Interessen. Aber dieser Einseitigkeit mufs gesteuert
werden und in einer nach künstlerischer Prägung ringenden
Zeit, wie der unsrigen, ist es nicht denkbar, dafs die dahin
zielenden Bemühungen einer kleinen Gruppe begeisterter und
opferwilliger Kunstfreunde nicht zu gutem Ende führen
sollten. Im Oktober wird der Glanz der kunstgewerblichen
Ausstellung schwinden und die halbgeleerten Räume des
Museums werden daran mahnen, dafs auch hier eine Stätte
ist, an der die von aller Welt gerühmte Opferfreudigkeit
Leipziger Bürger sich bethätigen kann und an der nur die
lebendige Teilnahme Aller ein den modernen Ansprüchen ge-
nügendes und der Bedeutung Leipzigs würdiges Kunstmuseum
entstehen lassen kann.
Richard Graul
CARL SüFFNER, FLIEGENFÄNGER
C ho 3
die Sammlungen und das Haus. Das Städtische Museum
hat sich dank der reichen Zuwendungen privater Sammler
stattlich entwickelt und übt in den sonntäglichen Vorträgen
einen nicht geringen Einflufs auf die Mitglieder des Kunst-
vereins aus. Es werden Bilder gekauft und Bildnisse bestellt
in reichlicher Menge, wenn auch die Zahl der wirklichen
Kunstsammler gröfseren Stils im letzten Jahrzehnt nur wenig
gröfser geworden ist.
Auch der mächtige Bau des Grassi- Museums mit den
Sammlungen des Kunstgewerbe Museums und des Museums
für Völkerkunde ist aus den Mitteln eines gröfseren Vermächt-
nisses geschaffen worden. Es ist ein stolzer Bau des städtischen
Baurats Licht, zu zwei Dritteln, bis in das Dach fast, ange-
füllt mit den schnell wachsenden Sammlungen des Museums
für Völkerkunde.
Daneben befinden sich die Sammlungen des Kunstgewerbe-
Museums, nicht eben reich, wenn man absieht von den Leih-
gaben privater Sammler und dem kostbaren Ratsschatz. Die
Veranstaltung einer Ausstellung von Werken alten Kunst-
gewerbes aus Sächsich-Thüringischem Privatbesitz hat diesem
Kunstgewerbe-Museum für die Spanne eines halben Jahres
nicht gewöhnlichen Glanz verliehen. Aus dem Besitz des
Königs von Sachsen, thüringischer Fürsten, der Kirchen und
Behörden und vieler Privater ist es gelungen, für eine Weile
die Fiction einer gut ausgestatteten, an Kunstwerken ersten
Ranges reichen Sammlung zu erwecken. Herrliche goldene
und silberne Geräte, prächtiger Schmuck, Elfenbeinwerke von
höchster Seltenheit, dazu die Sammlungen Zschille, Felix,
Thieme, Demiani, Zöllner und eine Anzahl vorzügliche
Bilder der deutschen und niederländischen Schule — das
alles giebt der Ausstellung einen besonderen Wert und einen
künstlerischen Reiz, der viele fremde Kunstfreunde angelockt
hat. Auffallend spröde im Besuchen der Ausstellung zeigte
sich dagegen die Leipziger Bevölkerung. Fast 'will es scheinen,
als ob der Sinn für die Kunst im alten Gewerbe eben so
schlummere wie die stolze Freude an der Abwehr der Ge-
schmacklosigkeiten, die der industrielle Betrieb des modernen
Kunstgewerbes mit sich bringt. Offenbar absorbiert der
durch Neigung und traditionelle Schulung so stark ent-
wickelte musikalische Sinn der Leipziger alle anderen künst-
lerischen Interessen. Aber dieser Einseitigkeit mufs gesteuert
werden und in einer nach künstlerischer Prägung ringenden
Zeit, wie der unsrigen, ist es nicht denkbar, dafs die dahin
zielenden Bemühungen einer kleinen Gruppe begeisterter und
opferwilliger Kunstfreunde nicht zu gutem Ende führen
sollten. Im Oktober wird der Glanz der kunstgewerblichen
Ausstellung schwinden und die halbgeleerten Räume des
Museums werden daran mahnen, dafs auch hier eine Stätte
ist, an der die von aller Welt gerühmte Opferfreudigkeit
Leipziger Bürger sich bethätigen kann und an der nur die
lebendige Teilnahme Aller ein den modernen Ansprüchen ge-
nügendes und der Bedeutung Leipzigs würdiges Kunstmuseum
entstehen lassen kann.
Richard Graul
CARL SüFFNER, FLIEGENFÄNGER
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