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aus den Bedürfnissen von Land und Leuten und mit Hilfe
der grofsartigen technischen Vervollkommnungen zu fester
nationaler Form entwickelt hatte, auch künstlerisch aus-
zustatten begannen, als der Luxus der Reichen im Schmuck
statt der rohen Pracht der Steine schon die eigenartigen in
Form und Farbe acht künstlerischen Goldschmiedearbeiten des
alten Tiffany hatte aufkommen lassen. Die künstlerische
Ausbildung des Schmuckes ist aber, der Prunkliebe des
Menschen entsprechend, das Gebiet, in dem sich der Ge-
schmack am ersten bildet, und das daher für die Ent-
wickelung der Kleinkunst in weiteren Gebieten stets
von gröfstem Einflufs gewesen ist. Es ist ein trauriges
Zeichen für unseren Geschmack, dafs der Luxus im Schmuck
sich auf prunkende Brillanten beschränkt und wirklich
künstlerische Versuche gerade in dem Zweige des Kunst-
handwerkes, in dem Deutschland so lange allen anderen
Ländern voranging, noch garnicht aufkommen läfst. In
München zeigt daher die Abteilung der Kleinkunst nichts in
dieser Richtung, in Dresden nur einige kleine Stücke von
einer der Ausstellung unwürdigen, blechartig behandelten
Ware.

Das ist eine der Schwächen der Münchener Ausstellung.
Nach anderen Richtungen liefsen sich solcher noch weitere
aufzählen: das Fehlen von Versuchen grade in besonders wich-
tigen Zweigen des Kunsthandwerks, wie der Beleuchtungs-
körper, namentlich für Elektrizität, der Heizkörper, der mannig-
fachen Anwendung des Glases im Hause u. s. f. Aber so hohe
Anforderungen darf man an diesen Versuch einer Sonderaus-
stellung innerhalb der grofsen Kunstausstellung nicht stellen.
Nur ein Mangel mufs entschieden hervorgehoben werden,
weil die offene Anerkennung desselben für eine glückliche
Entwicklung dieser jungen Kunstrichtung von entscheidender
Bedeutung ist. Die Herstellung eines oder mehrerer eigent-
licher Wohnzimmer hatte die kurze Vorbereitung der Aus-
stellung unmöglich gemacht; nur in Eile hat eine zimmer-
artige Dekoration der beiden vorhandenen Räume hergestellt
werden können. Diese giebt aber doch die Art an, wie die
mafsgebenden Künstler dieser Ausstellung sich die Dekoration
ihrer Zimmer im allgemeinen denken würden, und insofern
müssen sie, trotz des flüchtigen und provisorischen Charakters,
die Kritik ertragen können. Eine solche kann aber, meines
Erachtens, nicht günstig ausfallen.

Zunächst schon in der allgemeinen Erscheinung durch
die Farbe der Wände, die fast durchweg dunkel sind.
Der dunkle, selbst schwärzliche Ton der Wandmalereien
und Wandstoffe entspricht im allgemeinen der Richtung,
der die Münchener Malerei überhaupt wieder einmal anheim
gefallen ist, wie die diesjährige Ausstellung beweist: der
dunkle Ton, die schwarzen Schatten in den Gemälden, nicht
am wenigsten gerade bei den Secessionisten, wiederholen
sich in den schwärzlich-blau gestrichenen Paneelen, den dar-
über in monochrom tiefblauer Wasserfarbe gemalten Land-
schaften von Riemerschmidt und in den dunklen Stoffen der
Möbel. Hier sind malerische Effekte gesucht, die in einem
Atelier, in einer vorübergehenden Ausstellung gelegentlich ihre
Berechtigung haben mögen, nicht aber in einem Wohnräume
oder gar in öffentlichen Festräumen. Der wohnliche Charakter
des Zimmers und die festliche Wirkung von Staatsräumen
verlangen, zumal das Licht häufig durch ungenügende Gröfse
der Fenster und durch Vorhänge ein mattes ist, in der

Regel eine helle Wanddekoration und eine helle Decke,
während in den beiden Münchener Räumen jene dunkel und
tonig, diese dagegen in halb naturalistischer, halb stilisierter
Weise wie Hecken von Laubwerk gedacht und ganz farbig
gehalten sind. Schon als Wohnräume verlangen dieselben
eine gleichmäfsige und ruhige Färbung von Decke und Wand;
hell auch deshalb, weil die Fufsböden mit bunten und meist
tieffarbigen Teppichen oder mit farbiger Steinmosaik belegt
und die Möbel darauf farbig und bewegt in der Form sind.
Wandmalerei wird in öffentlichen Bauten und Festräumen
gewifs am Platze sein, aber solche monochromen, in ganz
unnatürlichen Farben gehaltenen Wanddekorationen, obenein
wenn sie naturalistische Landschaften darstellen, sind im
Zimmer gewifs nur ganz ausnahmsweise erträglich. Auch
dafs als Wandstoffe ordinäre, rasch verschiefsende dunkle
Stoffe genommen, und mit Farbenklexen pikant getönt und
aufgelichtet sind, ist doch nur als ein Effektstück und
Notbehelf für Ausstellungsräume und Ateliers, gewifs
aber nicht für Wohnzimmer und Festräume erlaubt. Wenn
Zeit, Platz und Geld vorhanden gewesen wäre, um wirk-
lich ein oder ein paar Wohnzimmer ganz durchzuführen, so
würde man sich von der Unmöglichkeit dieser Versuche
gewifs überzeugt haben, da schon die einzelnen Kunst-
arbeiten, wenigstens die guten darunter, eine unglückliche
Wirkung in einem solchen Räume gemacht haben würden.

OTTO ECKMANN, EISERNER LEUCHTER, FÜR DEN PAN GEZEICHNET

C 116" D
 
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