mit den modernen Anforderungen an das Leben ver-
träglichen Kern herauszufinden, um auf diesem
Wege zu einem modernen deutschen Hause zu ge-
langen und auch unsere öffentlichen Bauten im
nationalen und zugleich monumentalen Charakter
zu gestalten.
Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir uns gegen
fremde Vorbilder keineswegs ganz abzuschliefsen; ja wir
können sie gar nicht entbehren. Liegt doch grade bei uns in
Deutschland die Gefahr besonders nahe, dafs die Künstler,
wie fast jede neue Richtung der Kunst so auch diese, für
die sie nicht einmal die Kenntnis der Technik mitbringen,
nach Gutdünken ausüben wollen, dafs sie vom Studium
des Alten und Fremden, vom Zusammenarbeiten mit anderen
Künstlern, mit den Architekten und Handwerkern, vom Stu-
dium der älteren nationalen Kunst, mit der man im Zu-
sammenhange bleiben soll, nichts wissen wollen. Aus der
Tiefe des Gemütes wird aber nicht plötzlich eine neue Kunst
geboren. Das, was andere schon geleistet haben, soll man ge-
wifs nicht übersehen, aber diese Vorbilder soll man vor allem
dort suchen, wo eine nationale Entwicklung schon feste
Formen geschaffen hat, und wo die modernen Bedürfnisse
dabei in praktischer und künstlerischer Weise befriedigt sind.
Dies ist im englischen und im amerikanischen Hause der
Fall, also bei den Völkern, mit denen wir Deutsche national
die nächste Verwandtschaft und, trotz aller Rivalität, die
engsten Beziehungen haben, bei Völkern, welche in den letzten
Jahrzehnten auch auf dem Gebiete der Kunst (die jüngere
nicht ohne Einflufs von der älteren) eine führende Rolle sich
erobert haben. Die Entwicklung, die das Kunsthandwerk in
England und in neuester Zeit namentlich in Amerika durch
das Eintreten hervorragender Künstler genommen hat, die
Art, wie dasselbe den Schmuck der nationalen Bedürfnisse
im Hause, der einfachen wie der Luxus-Bedürfnisse, und den
Schmuck in der Kleidung künstlerisch fest gestaltet hat,
wie es neue Aufgaben rasch erfafst und besonders eigenartig
und fein gelöst hat, weist uns Deutsche grade auf diese
Vorbilder. Die Mischung von Festlichem und Behaglichem
in den Wohnräumen, die Freundlichkeit und Sauberkeit
des Dekors, die Wände mit ihrer hellen Stoff- oder Papier-
bedeckung, in neuester Zeit aus poliertem oder klein ge-
mustertem Stuck, die hellen Stuckdecken mit ihren mannig-
fachen Mustern, die Möglichkeit, die Möbel und Schmuck-
stücke nach den individuellen Bedürfnissen anzuordnen, eine
der hellen Tagesbeleuchtung entsprechende, abgetönte, dem
Auge nicht empfindliche elektrische Abendbeleuchtung durch
das Verstecken der Lichter in den Rosetten der Decken, in den
Thürstürzen u. s. f., die Disposition des Hauses, die Lage
der Zimmer zu einander, die Betonung der acht deutschen
Halle, worin die mannigfaltigen undurchsichtigen farbigen
amerikanischen Glasfenster eine prächtige, durch ihren
warmen Ton aber zugleich auch behagliche Wirkung aus-
üben : alles dies sind durch eine Reihe von Jahrzehnten gereifte
Errungenschaften (in England schon auf einer in das vorige
Jahrhundert reichenden Grundlage), die im Wesentlichen
auch unseren Bedürfnissen und unserem Geschmack ent-
sprechen, und für deren Durchführung in Deutschland mit
der steigenden Wohlhabenheit und den wachsenden An-
sprüchen an Komfort auch die notwendige Vorbedingung
gegeben ist.
*) Lechter hat sich
rasch einen Namen
gemacht durch seine
vor einiger Zeit in
Berlin ausgestellten
Entwürfe für Glas-
gemälde. Wahrlich
nicht unverdient;
denn seine Kompo-
sitionen schliefsen
sich in der Figuren-
behandlung und De-
koration den früh-
mittelalterlichen Ar-
beiten glücklich an,
besitzen dabei aber
einen acht modernen
Zug in dem leiden-
schaftlichen Aus-
druck, wie in der fein
stilisierten Zeichnung
der Körper und Orna-
mente. Schade, dafs
die Ausführung nicht
in dem undurchsich-
tigen gewellten Glas
der Amerikaner ge-
macht werden konnte!
Der Künstler, der hier
den Stil der Malerei
auf Glasfenstern in
besonders feiner und
eigener Weise ge-
troffen hat, glaubte,
den ehrenvollen Auf-
trag auf das Plakat
der diesjährigen Ber-
linerKunstausstellung
in gleicher Weise aus-
führen zu dürfen.
Wie sehr er dadurch
fehlgegriffen hat, ruft
ihm sein Plakat an
jeder Strafsenecke
entgegen, eine harte
Strafe, die der junge
talentvolle Künstler
sich aber zur heil-
samen Lehre dienen
lassen wird.
J-
Diese verhaltnismäfsig kleine Zahl von Arbeiten, die uns
die Münchener Ausstellung zeigt, daneben vereinzelte Arbeiten
von Berliner Künstlern: von L. von Hofmann, Fr. Stahl,
C. Köpping, E. M.
Geyger, Lechter*),
sind im Wesent-
lichen das, was
deutsche Künstler
bisher in dieser Rich-
tung, die auf Neu-
belebung des Kunst-
handwerks aus der
modernen allge-
meinen Richtung
der Kunst hinaus-
geht, geschaffen
haben; und auch
MELCHIOR LECHTER, GLASFENSTER 2G<W3G<wea<W'©2ü2
C 119 D
träglichen Kern herauszufinden, um auf diesem
Wege zu einem modernen deutschen Hause zu ge-
langen und auch unsere öffentlichen Bauten im
nationalen und zugleich monumentalen Charakter
zu gestalten.
Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir uns gegen
fremde Vorbilder keineswegs ganz abzuschliefsen; ja wir
können sie gar nicht entbehren. Liegt doch grade bei uns in
Deutschland die Gefahr besonders nahe, dafs die Künstler,
wie fast jede neue Richtung der Kunst so auch diese, für
die sie nicht einmal die Kenntnis der Technik mitbringen,
nach Gutdünken ausüben wollen, dafs sie vom Studium
des Alten und Fremden, vom Zusammenarbeiten mit anderen
Künstlern, mit den Architekten und Handwerkern, vom Stu-
dium der älteren nationalen Kunst, mit der man im Zu-
sammenhange bleiben soll, nichts wissen wollen. Aus der
Tiefe des Gemütes wird aber nicht plötzlich eine neue Kunst
geboren. Das, was andere schon geleistet haben, soll man ge-
wifs nicht übersehen, aber diese Vorbilder soll man vor allem
dort suchen, wo eine nationale Entwicklung schon feste
Formen geschaffen hat, und wo die modernen Bedürfnisse
dabei in praktischer und künstlerischer Weise befriedigt sind.
Dies ist im englischen und im amerikanischen Hause der
Fall, also bei den Völkern, mit denen wir Deutsche national
die nächste Verwandtschaft und, trotz aller Rivalität, die
engsten Beziehungen haben, bei Völkern, welche in den letzten
Jahrzehnten auch auf dem Gebiete der Kunst (die jüngere
nicht ohne Einflufs von der älteren) eine führende Rolle sich
erobert haben. Die Entwicklung, die das Kunsthandwerk in
England und in neuester Zeit namentlich in Amerika durch
das Eintreten hervorragender Künstler genommen hat, die
Art, wie dasselbe den Schmuck der nationalen Bedürfnisse
im Hause, der einfachen wie der Luxus-Bedürfnisse, und den
Schmuck in der Kleidung künstlerisch fest gestaltet hat,
wie es neue Aufgaben rasch erfafst und besonders eigenartig
und fein gelöst hat, weist uns Deutsche grade auf diese
Vorbilder. Die Mischung von Festlichem und Behaglichem
in den Wohnräumen, die Freundlichkeit und Sauberkeit
des Dekors, die Wände mit ihrer hellen Stoff- oder Papier-
bedeckung, in neuester Zeit aus poliertem oder klein ge-
mustertem Stuck, die hellen Stuckdecken mit ihren mannig-
fachen Mustern, die Möglichkeit, die Möbel und Schmuck-
stücke nach den individuellen Bedürfnissen anzuordnen, eine
der hellen Tagesbeleuchtung entsprechende, abgetönte, dem
Auge nicht empfindliche elektrische Abendbeleuchtung durch
das Verstecken der Lichter in den Rosetten der Decken, in den
Thürstürzen u. s. f., die Disposition des Hauses, die Lage
der Zimmer zu einander, die Betonung der acht deutschen
Halle, worin die mannigfaltigen undurchsichtigen farbigen
amerikanischen Glasfenster eine prächtige, durch ihren
warmen Ton aber zugleich auch behagliche Wirkung aus-
üben : alles dies sind durch eine Reihe von Jahrzehnten gereifte
Errungenschaften (in England schon auf einer in das vorige
Jahrhundert reichenden Grundlage), die im Wesentlichen
auch unseren Bedürfnissen und unserem Geschmack ent-
sprechen, und für deren Durchführung in Deutschland mit
der steigenden Wohlhabenheit und den wachsenden An-
sprüchen an Komfort auch die notwendige Vorbedingung
gegeben ist.
*) Lechter hat sich
rasch einen Namen
gemacht durch seine
vor einiger Zeit in
Berlin ausgestellten
Entwürfe für Glas-
gemälde. Wahrlich
nicht unverdient;
denn seine Kompo-
sitionen schliefsen
sich in der Figuren-
behandlung und De-
koration den früh-
mittelalterlichen Ar-
beiten glücklich an,
besitzen dabei aber
einen acht modernen
Zug in dem leiden-
schaftlichen Aus-
druck, wie in der fein
stilisierten Zeichnung
der Körper und Orna-
mente. Schade, dafs
die Ausführung nicht
in dem undurchsich-
tigen gewellten Glas
der Amerikaner ge-
macht werden konnte!
Der Künstler, der hier
den Stil der Malerei
auf Glasfenstern in
besonders feiner und
eigener Weise ge-
troffen hat, glaubte,
den ehrenvollen Auf-
trag auf das Plakat
der diesjährigen Ber-
linerKunstausstellung
in gleicher Weise aus-
führen zu dürfen.
Wie sehr er dadurch
fehlgegriffen hat, ruft
ihm sein Plakat an
jeder Strafsenecke
entgegen, eine harte
Strafe, die der junge
talentvolle Künstler
sich aber zur heil-
samen Lehre dienen
lassen wird.
J-
Diese verhaltnismäfsig kleine Zahl von Arbeiten, die uns
die Münchener Ausstellung zeigt, daneben vereinzelte Arbeiten
von Berliner Künstlern: von L. von Hofmann, Fr. Stahl,
C. Köpping, E. M.
Geyger, Lechter*),
sind im Wesent-
lichen das, was
deutsche Künstler
bisher in dieser Rich-
tung, die auf Neu-
belebung des Kunst-
handwerks aus der
modernen allge-
meinen Richtung
der Kunst hinaus-
geht, geschaffen
haben; und auch
MELCHIOR LECHTER, GLASFENSTER 2G<W3G<wea<W'©2ü2
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