CONSTANTIN MEUNIER, IM SCHWARZEN LANDE
und vor allem, wenn sie häufiger das Geld zur Ausführung
von Modellen in dauerndem Erz oder Marmor hergäben, wo
einem Bildhauer ein glücklicher "Wurf gelungen. Es müssen
ja nicht immer „auf Postamente gespiefste", mehr oder
weniger berühmte Männer sein, welche unsere öffentlichen
Plätze und Anlagen zieren; und Bildwerke anderer Art soll
man nicht immer in die Museen sperren. Man soll sie ins
Freie hinausstellen, in die öffentlichen Gärten, in die allen
zugänglichen Gebäude. So geschah es im Altertum und in
der Renaissance; so hat man es neuerdings in Paris wieder
zu machen begonnen, und damit der neuen Blüte französischer
Bildhauerei den Weg zu Augen und Sinn breiterer Volks-
schichten geöffnet.
Möge es der belgischen Regierung gefallen, sich in diesem
Sinne des Werkes Meuniers anzunehmen. Es wäre dies die
Erfüllung einer schönen Ehrenpflicht an dem Künstler. Denn
welches Volk der Gegenwart könnte sich einer ähnlichen
Verherrlichung durch die Bildhauerei rühmen, wie sie dem
belgischen durch Meunier zuteilgeworden ist?
Der Zufall hat es gewollt, dafs auf der Dresdner Kunst-
ausstellung der Ehrensaal der belgischen Bildhauerschule mit
Gobelins aus dem achtzehnten Jahrhundert geschmückt war.
Eines dieser höfischen Schäfer- und Bauernfeste hing grade
über Meuniers Glasofenrelief. Nichts hätte den Gegensatz
in den Anschauungen beider Zeitalter schlagender zur An-
schauung bringen können, als diese Zusammenstellung. Das
achtzehnte Jahrhundert hatte mit dem Leben der unteren
Stände in Maskenscherzen getändelt. Selbst die bürgerliche
Kunst der Holländer im siebzehnten stellte ihre Bauern als
rauchende und trinkende Tölpel dar. Das Altertum vollends
hatte für den Arbeitersklaven nur den Hohn der Karikatur
übrig gehabt. Was dürfte für unsere Anschauung wohl
bezeichnender sein, als diese neue Wertung der Arbeit und
des Arbeiters? Ich denke, einem künftigen Geschlecht wird
Meuniers Werk wie ein Denkmal unserer ganzen Zeit er-
scheinen. Möge es dann auch zu einem Denkmal der Ver-
söhnung geworden sein. Wenn irgend eine Gesinnung diese
bringen kann, so ist es eine solche, wie sie in der Kunst
Meuniers lebt.
Vor allem aber verdiente dieses Künstlers Schaffen gerade
dieses Denkmal. Denn kaum was anderes giebt seiner Kunst
jene sichere Geschlossenheit, fast möchte man sagen Natur-
notwendigkeit, als die tiefe Liebe seiner Phantasie zur heimat-
lichen Erde und dem Volk, das darauf gewachsen ist. Bild-
hauer von weit gröfserer Vielseitigkeit, blendenderem Geiste,
gröfserer Sicherheit und Virtuosität der Technik besitzt die
Gegenwart manche; aber ihr Schaffen erscheint neben dem
Meuniers oft wie ein Spiel persönlicher Einfälle, wie wurzel-
los in Zeit und Ort und dem Leben der Zeitgenossen. „Uart
doit etre de son temps et de son pays": diesen seinen Ausspruch
im Schaffen ganz wahr gemacht zu haben, das ist unseres
Künstlers Stärke, seine eigenartige, ja epochemachende Gröfse;
denn eine solche Gegenwartskunst in der Plastik ist seit den
Tagen der Renaissance nicht wieder dagewesen.
Wann wird in unserer deutschen Bildhauerei ein gleich
bodenwüchsiges Schaffen einziehen? Oder vielmehr, wann
C 129 I)
XI
und vor allem, wenn sie häufiger das Geld zur Ausführung
von Modellen in dauerndem Erz oder Marmor hergäben, wo
einem Bildhauer ein glücklicher "Wurf gelungen. Es müssen
ja nicht immer „auf Postamente gespiefste", mehr oder
weniger berühmte Männer sein, welche unsere öffentlichen
Plätze und Anlagen zieren; und Bildwerke anderer Art soll
man nicht immer in die Museen sperren. Man soll sie ins
Freie hinausstellen, in die öffentlichen Gärten, in die allen
zugänglichen Gebäude. So geschah es im Altertum und in
der Renaissance; so hat man es neuerdings in Paris wieder
zu machen begonnen, und damit der neuen Blüte französischer
Bildhauerei den Weg zu Augen und Sinn breiterer Volks-
schichten geöffnet.
Möge es der belgischen Regierung gefallen, sich in diesem
Sinne des Werkes Meuniers anzunehmen. Es wäre dies die
Erfüllung einer schönen Ehrenpflicht an dem Künstler. Denn
welches Volk der Gegenwart könnte sich einer ähnlichen
Verherrlichung durch die Bildhauerei rühmen, wie sie dem
belgischen durch Meunier zuteilgeworden ist?
Der Zufall hat es gewollt, dafs auf der Dresdner Kunst-
ausstellung der Ehrensaal der belgischen Bildhauerschule mit
Gobelins aus dem achtzehnten Jahrhundert geschmückt war.
Eines dieser höfischen Schäfer- und Bauernfeste hing grade
über Meuniers Glasofenrelief. Nichts hätte den Gegensatz
in den Anschauungen beider Zeitalter schlagender zur An-
schauung bringen können, als diese Zusammenstellung. Das
achtzehnte Jahrhundert hatte mit dem Leben der unteren
Stände in Maskenscherzen getändelt. Selbst die bürgerliche
Kunst der Holländer im siebzehnten stellte ihre Bauern als
rauchende und trinkende Tölpel dar. Das Altertum vollends
hatte für den Arbeitersklaven nur den Hohn der Karikatur
übrig gehabt. Was dürfte für unsere Anschauung wohl
bezeichnender sein, als diese neue Wertung der Arbeit und
des Arbeiters? Ich denke, einem künftigen Geschlecht wird
Meuniers Werk wie ein Denkmal unserer ganzen Zeit er-
scheinen. Möge es dann auch zu einem Denkmal der Ver-
söhnung geworden sein. Wenn irgend eine Gesinnung diese
bringen kann, so ist es eine solche, wie sie in der Kunst
Meuniers lebt.
Vor allem aber verdiente dieses Künstlers Schaffen gerade
dieses Denkmal. Denn kaum was anderes giebt seiner Kunst
jene sichere Geschlossenheit, fast möchte man sagen Natur-
notwendigkeit, als die tiefe Liebe seiner Phantasie zur heimat-
lichen Erde und dem Volk, das darauf gewachsen ist. Bild-
hauer von weit gröfserer Vielseitigkeit, blendenderem Geiste,
gröfserer Sicherheit und Virtuosität der Technik besitzt die
Gegenwart manche; aber ihr Schaffen erscheint neben dem
Meuniers oft wie ein Spiel persönlicher Einfälle, wie wurzel-
los in Zeit und Ort und dem Leben der Zeitgenossen. „Uart
doit etre de son temps et de son pays": diesen seinen Ausspruch
im Schaffen ganz wahr gemacht zu haben, das ist unseres
Künstlers Stärke, seine eigenartige, ja epochemachende Gröfse;
denn eine solche Gegenwartskunst in der Plastik ist seit den
Tagen der Renaissance nicht wieder dagewesen.
Wann wird in unserer deutschen Bildhauerei ein gleich
bodenwüchsiges Schaffen einziehen? Oder vielmehr, wann
C 129 I)
XI