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WENN DER TAG STIRBT

Sahst du den Tag sterben?
Winters —?
Im Walde — ?
Nicht den hellen, kühnen Tag, der sich in feurigem Rot
verblutet,

Nein — Trüb, müd, ängstlichgrau:
einen Regentag, wenn der feuchte Wind durch die
fröstelnden Äste fährt und die Tropfen fallen —
schwere Tropfen
in den Schnee
schwere, warme Tropfen
in den weifsen Schnee
und durch die Decke bis auf den Boden nieder.

Aus unzähligen, dunklen, starrenden Punkten aber

quillt widerlicher, herber Geruch

von versunkener,

vermodernder Sommerpracht. —

Und die Tropfen fallen auf deinen Kopf

und auf dein Gehirn

volle thränende Tropfen,
und durch die Decke, die das Vergessen darüber geschneit,

bis auf den Boden nieder.

Aus unzähligen, dunkeln, starrenden Punkten aber
quillt widerlicher, herber Geruch

von versunkener, vermodernder Sommerpracht.

Und das waren doch Rosen,
Glühende, berauschende, dunkelrote Rosen. — —

Winters

Im Walde —

Müd, trüb, ängstlichgrau:

Ein Regentag, wenn die Tropfen in den
Schnee fallen
Sahst du den Tag sterben? —

Karl Gustav Vollmöller

C i54 D
 
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